RTL Mysteriöse Millionengeschäfte mit Zuschaueranrufen

Eine rätselhafte Korruptionsaffäre bei RTL, in der die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt, gewährt Einblick in Geschäfte in der Schmuddelecke des TV-Markts. Die sind nicht glamourös, aber lukrativ.

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Wie RTL bei seinen Zuschauern abkassiert Quelle: Getty Images, RTL, Montage

Die Moderatoren des Frühstücksfernsehens („Guten Morgen Deutschland“) haben sich gerade von den Zuschauern verabschiedet, da wird klar, dass dieser Morgen für den Privatsender RTL kein guter werden dürfte: Ein gutes Dutzend Staatsanwälte und Polizisten stehen an diesem 11. Dezember 2013 plötzlich am Empfang der RTL-Zentrale am Kölner Picassoplatz 1. Sie legen einen Durchsuchungsbeschluss vor, der keine Diskussionen zulässt: Die Fahnder ermitteln wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen besonders schweren Betruges, der besonders schweren Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Sie dürfen in alle Geschäftsräume, Nebengebäude und Nebenräume von RTL Television und deren Tochter RTL Interactive. Also durchschreiten Staatsanwälte und Polizisten die gläserne Sicherheitsschleuse – und legen los: Sie kopieren E-Mail-Postfächer, nehmen Geschäftsdokumente mit. Allein die sichergestellten Daten entsprechen Hunderten von DVDs. Am Hinterausgang füllen Polizisten den Kofferraum eines Kombis mit Umzugskartons, randvoll.

Zur gleichen Zeit durchsuchen Ermittler auch die Kölner Büros des Dienstleisters Digame, der für RTL unter anderem telefonische Abstimmungen bei Castingshows und Gewinnspiele organisiert, in Shows wie „Let’s Dance“, „Wer wird Millionär“ und „Deutschland sucht den Superstar“.

Die beliebtesten Unterhaltungssendungen 2014

Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln

Die Durchsuchungen, die bisher nicht öffentlich wurden, sind Teil eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Köln gegen den RTL-Manager Max H.* und gegen Klaas B.*, einen indirekt an dem Dienstleister Digame beteiligten Medienmanager. Der Vorwurf: Max H. soll von Klaas B. mindestens 250.000 Euro kassiert haben. Im Gegenzug soll Max H. der Digame lukrative Verträge mit RTL zugeschanzt haben. Der WirtschaftsWoche liegt eine eidesstattliche Versicherung eines Bankers vor, der das Geld überbracht haben will. Zudem untermauern Dokumente die Bestechungsvorwürfe. Max H. wollte sich zu den Vorwürfen gegenüber der WirtschaftsWoche nicht äußern. Der indirekt an Digame beteiligte Klaas B. bestreitet die Bestechung.

Die Digame-Mutter Twister machte zwischen 1997 und 2013 bei rund 984 Millionen Euro Umsatz insgesamt knapp 80 Millionen Euro Gewinn – eine ordentliche Marge von acht Prozent. Der Großteil davon stammt von ihrer Tochter Digame. Bis heute ist RTL deren wichtigster Vertragspartner. Wären die Verträge mit RTL wirklich durch Bestechung zustande gekommen, hätten den Schaden vor allem RTL, die Digame-Konkurrenten und womöglich auch die Zuschauer gehabt.

  • RTL, weil Digame sich übermäßig am Vertragspartner bereichert hätte. Der Sender sieht aber keinen Schaden. Ein externer Berater hätte die Auftragsvergabe analysiert und keine Auffälligkeiten gefunden.
  • Die Digame-Konkurrenten, weil sie keine Chance gehabt hätten, mit RTL ins Geschäft zu kommen. Tatsächlich wird der Millionenmarkt um Zuschaueranrufe heute von Digame und Telekom dominiert.
  • Die Zuschauer, weil mangels Wettbewerb die Preise möglicherweise zu hoch geblieben sind. Der Rundfunkstaatsvertrag gibt bei TV-Gewinnspielen eine Preisobergrenze von 50 Cent vor. Diese reizen die Sender voll aus. Öffentlich-rechtliche Sender dürfen übrigens keine Einnahmen aus Telefonmehrwertdiensten erzielen.

Das sind die schlimmsten Trash-Sendungen von RTL und Co.
Alles begann mit Big Brother. Das Konzept war denkbar einfach. Ein Container wird von Freiwilligen bewohnt, die rund um die Uhr von verschiedenen Kameras gefilmt werden. Selbst in den Sanitär- und Privatbereichen wurde gedreht. Der Hype um Big Brother war so groß, dass sich sogar der jetzige Außenminister Guido Westerwelle dazu hinreißen ließ, in den Container einzuziehen. Die Zuschauer durften jede Woche bestimmen, wer in der zusammengewürfelten „Wohngemeinschaft“ bleiben darf. Dem Sieger winkte ein beträchtliches Preisgeld. Allerdings zeigte sich bei allen Siegern, wie schnell und unbeständig ihr Ruhm und Reichtum war. Kaum ein Sieger der Sendung genießt derzeit noch größere Bekanntheit, und finanziell sieht es bei den meisten ebenfalls düster aus. Den ein oder anderen trieben die Geldsorgen kurzfristig ins Musikgeschäft – mit bescheidenem Erfolg. Die Gier nach Bekanntheit und Geld hat auch ein trauriges Beispiel. Die ehemalige Big Brother-Bewohnerin Carolin Wosnitza stieg nach ihrer „Karriere“ bei der Reality-TV-Sendung ins Pornogeschäft ein und starb. Eine Brustvergrößerungs-OP wurde Carolin Wosnitza alias „Sexy Cora“ zum Verhängnis. "Big Brother" wurde von 2000 bis 2011 in insgesamt 11 Staffeln auf RTLII (und ab der 5. Staffel auch auf Premiere) gesendet. Für 2015 ist ein "Comeback" der Show auf Sixx geplant. Quelle: Statista (Daten im Vorspann), eigene Recherche Quelle: AP
Die Idee zu „Frauentausch“ stammt aus Großbritannien. 2003 schwappte dann die Sendung von der Insel nach Deutschland und wird seitdem auf RTL II gesendet. Sie war in Deutschland eine der ersten Doku-Soaps im Stile der „Scripted Reality“. Dieses Format täuscht eine Reality-Show vor. In Wahrheit werden die Szenen von Laiendarstellern nach vorbereiteten Regieanweisungen gespielt. „Frauentausch“ funktioniert auf dieser Grundlage. Dabei tauschen Ehepaare ihre Partner für einen begrenzten Zeitraum. Die Macher der Sendungen legen viel Wert darauf, dass die jeweiligen getauschten Partner aus verschiedenen sozialen Milieus kommen oder große Unterschiede in ihren persönlichen Ansichten oder ihrer Lebensweise aufweisen. In fast jeder Folge bricht zwischen dem „neuen“ Ehepaar ein unüberwindbarer Konflikt aus. Das Konzept aus einfachem Schubladendenken und der Zementierung dieses Klischees scheint aufzugehen. In der relevanten Zielgruppe erreicht „Frauentausch“ im Schnitt ein Quote von zehn Prozent. Sogar zu zwei Ablegern hat es die Serie gebracht: Zwischen 2007 und 2014 lief ebenfalls auf RTLII "Das Aschenputtel-Experiment", das im Konzept an "Frauentausch" angelehnt war, es aber letztendlich noch zuspitzte. Dabei tauschen nicht Eheleute ihre Partner für den Fernsehauftritt, sondern meist junge Frauen ihre jeweilige Umgebung. Dabei wurde schon im Sendungstitel auf den Fokus der Sendung, nämlich den Schwerpunkt auf den (echten oder vermeintlichen) Unterschied im finanziellen Status der Tauschpartner hingewiesen: Eine der teilnehmenden Frauen war das "Aschenputtel", die andere führte nach Darstellung des Senders meist ein Leben im finanziell gehobenen Standard. Dadurch konnte das bei "Frauentausch" schon vorhandene Konfliktpotenzial noch übertroffen werden. Außerdem gab es 2013 eine Staffel "Promi-Frauentausch". Quelle: dpa
Das Genre der "Reality-Seifenoper" ist schwer zu beschreiben: „Berlin – Tag & Nacht“ ist eigentlich eine Seifenoper in einem durch die Handlung in einer WG erstellten Berliner Studenten-, Tätowierer-, Arbeitslosen-, und Kellnermilieu. Es gibt allerdings einige Unterschiede zu einer normalen Seifenoper: Die Sendung vermittelt einerseits auf den ersten Blick etwa durch eine verwackelte Kameraführung den Eindruck, es handele sich um eine Dokumentation des Lebens meist junger Menschen, die mit den Problemen des täglichen Lebens (oder das, was RTLII für die Probleme hält, für die sich die Zielgruppe interessiert) zu kämpfen haben. Andererseits wird schneller als bei bei Scripted-Reality-"Dokus" klar, dass es sich eben NICHT um die Dokumentation "echter" Situationen handelt. Dies wird etwa beispielsweise dadurch erreicht, dass die Schauspieler die Gedankengänge oder innere Gefühlslage der von ihnen dargestellten Rolle über die gerade laufende Szene sprechen (Voice-over). Eine weitere Besonderheit des Formats ist die gefühlte Interaktivität mit dem Zuschauer. Die Figuren der Sendung haben etwa eigene Facebook-Seiten, auf denen die Zuschauer Zusatzinfos aus dem Leben der fiktiven Personen lesen können - und sich so unterhalten fühlen, bis die nächste Folge ausgestrahlt wird. Sendungen in diesem Stil der Reality-Seifenoper haben auf Trash-Sendern wie RTLII Konjunktur. Mittlerweile gibt es auch von diesem Format einen Ableger: "Köln 506667". Produziert wird „Berlin – Tag & Nacht“ von der Kölner Produktionsfirma Filmpool. Bei der werberelevanten Zielgruppe erreichte die Quote einen Wert von 14,4 Prozent. Quelle: dpa
Anderer Schauplatz, gleiches Format. „Köln 50667 “ bedient sich am gleichen Konzept wie „Berlin – Tag und Nacht“. Der Name der Serie ist ein billiger Abklatsch der US-Serie Beverly Hills 90210 und zeigt, dass die Produzenten ihr eignes Produkt nicht wirklich ernst nehmen. Von der Laiendarstellern wird in diesen Doku-Soaps nicht viel verlangt. Sie spielen nach einem rudimentär gefertigtem Skript ihre Parts herunter – meist reicht bei jeder Szene ein Dreh. Quelle: dpa
Ungewöhnliche Familien mit noch ungewöhnlicheren Kindern und teils vollkommen abwegigen Problemen – am besten polemisiert nach rudimentär vorgegebenem Drehbuch dargestellt. Fertig ist die Pseudo-Doku-Soap - oder "Scripted Reality" - „Familien im Brennpunkt “ auf RTL. Pubertierende Mädchen rebellieren gegen ihre Eltern, schwer erziehbare Jungen helfen mit. Die Themen variieren vom Modeln zu Prügeleien und Alkohol bis hin zu Drogen. Studium, Schule, Sport und Talentförderung der Kinder – in diesen Doku-Soaps Fehlanzeige. Ähnliche Formate, in denen es je nach Schwerpunktsetzung der Sendung um Kriminalität, psychologische oder finanzielle Probleme oder eben einfach banalsten Pseudo-"Alltag" geht, sind "Family Stories" (RTLII), "Hilf mir! Jung, pleite, verzweifelt" (RTLII), "Betrugsfälle" (RTL), "Verdachtsfälle" (RTL), "Hilf mir doch!" (VOX), "Verklag mich doch!" (VOX). Aber auch außerhalb der RTL-Gruppe gibt es ähnliche Unterhaltung: "Mein dunkles Geheimnis" (Sat.1) oder "Schicksale - und plötzlich ist alles anders" (Sat.1). Quelle: dpa
Auch eine Familie im Brennpunkt, allerdings brennt es nicht bei der Kasse, sondern beim Verstand. „Die Geissens – Eine schrecklich glamouröse Familie “ sind der Inbegriff des primitiven Reichtums. Wo sie auftreten, stellen sie ihr Geld zur Schau. Sei es durch wenig geistreiche Bemerkungen Robert Geiss' oder in der Gestalt seiner Ehefrau Carmen Geiss, die regelmäßig suchtartigen Shopping-Exzessen verfällt. Dabei ist der geistige Tiefflug der beiden nur Teil der Show. Denn Robert Geiss' Reichtum beruht auf unternehmerischen Geschick und Wagemut. Seine Millionen hat er nicht unverdient angehäuft. Zusammen mit seinem Bruder Michael Geiss gründete er 1986 das Sportbekleidungslabel „Uncle Sam“. Nur neun Jahre später verkauften die Brüder das Unternehmen – für sage und schreibe 140 Millionen Mark. Seitdem ist Robert Geiss im Immobiliengeschäft tätig. Quelle: dpa
Menschen sind leidenschaftliche Gaffer. Diese Leidenschaft wird auf RTL II in Form von „Das Messie-Team – Start in ein neues Leben “ entflammt. Die vermüllten Wohnungen sind Produkt einer krankhaften Sammelwut ihrer Einwohner. Es stellt sich die Frage, inwiefern es legitim ist, die Sensationsgeilheit der Zuschauer mit der zur Schaustellung der Krankheit anderer zu stillen. Zweifelhaft ist auch, ob das „Messie-Team“ auch nur halbwegs in der Lage ist, den Messies in der kurzen Zeit zu helfen. Die meisten Messies werden rückfällig. Das aber zeigt die Sendung nicht. Lieber lassen sie sich als Retter in der Not feiern. Auch Sat.1 gab vor, sich um Messies zu kümmern: "Messie-Alarm! " lief 2011 auf Sat.1. Quelle: dpa

Anke Schäferkordt, Co-Vorstandschefin der börsennotierten RTL Group, kennt die Vorwürfe seit bald drei Jahren. 2012 beauftragte die interne Revision der RTL Group das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC mit einer Untersuchung. Das Fazit: Es gibt keine Beweise für eine Bestechung. RTL sah keinen Handlungsbedarf mehr. Was also ist dran an den Vorwürfen?

Die Staatsanwälte versuchen, dies herauszufinden. „Die Ermittlungen dauern an“, sagt Daniel Vollmert, zuständiger Staatsanwalt aus Köln. „Es handelt sich um ein komplexes Verfahren. Der Ausgang ist noch völlig offen.“

Wirtschaftskrimi

Das Problem der Staatsanwälte: Wie bei Korruptionsaffären üblich, gibt es kaum potenzielle Mitwisser. Vorgänge sind allenfalls bruchstückhaft dokumentiert. Umso mehr kommt es auf die Glaubwürdigkeit der wenigen Zeugen an.

Reto L.*, der Banker, der das Bargeld überbracht haben soll, ist nicht gerade ein Bilderbuch-Zeuge. Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Geldwäsche für einen Kunden. Er weiß davon angeblich nichts. Und Reto L. steht dem israelischen Geschäftsmann Joram S.* nahe, der sich durch die angebliche Korruption geschädigt sieht und deshalb von RTL 35 Millionen Euro fordert – weil er seine Anteile an der Digame-Mutter Twister angeblich unter Wert an Klaas B. verkaufen musste. Der soll durch die behauptete Bestechung den Vertragspartner RTL beeinflusst und so den Verkauf der Twister-Anteile an Dritte verhindert haben.

Sicher ist bislang nur eins: Der Fall bietet Stoff für einen Wirtschaftskrimi, wie ihn sich Bestsellerautor John Grisham nicht besser hätte ausdenken können.

Am Zoll vorbei, ohne das Bargeld zu melden

Die Schlüsselszene soll sich am 25. April 2007 am Düsseldorfer Flughafen zugetragen haben. Banker Reto L. beschreibt seine Erinnerung daran so: Um 13.55 Uhr verlässt er an diesem Tag die Maschine der Lufthansa-Tochter Swiss. Die Sonne brennt, mit fast 30 Grad ist es für die Jahreszeit viel zu heiß. In seinem Gepäck hat er etwa 90.000 Euro, in 500-Euro-Noten, verstaut in einem Briefumschlag. Er läuft am Zoll vorbei, ohne das Bargeld zu melden.

Am Ausgang wartet sein Adressat schon. RTL-Manager Max H. ist Anfang 40, leger in Jeans. Die beiden schütteln sich die Hand. Reto L. übergibt im Ankunftsbereich des Flughafens den Umschlag. Für den Banker ist das nichts Ungewöhnliches. Er arbeitet für eine Schweizer Vermögensverwaltung, die sich auf Treuhandmodelle spezialisiert hat, über die Kunden diskret Geld bunkern können. Nun wollte einer dieser Kunden sein Geld wiederhaben, denkt Reto L. Eine übliche Schwarzgeldübergabe, Routine.

Wie RTL und Sat.1 das Fernsehen veränderten
1. Januar 1984Die Ära des Privatfernsehens in Deutschland begann am 1. Januar 1984 um 9.58 Uhr. Die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk (PKS) ging um diese Zeit mit Sat1 auf Sendung, RTL plus folgte einen Tag später. Der damalige Geschäftsführer, Jürgen Doetz, begrüßte das Publikum gemeinsam mit Moderatorin Irene Joest vor den Fernsehern mit den Worten: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland.“ Quelle: dpa
2. Januar 1984Am 2. Januar 1984 sah das Publikum dann Helmut Thoma, damals Direktor der deutschen Programme, auf der Mattscheibe. Er begrüßte die Fernsehzuschauer zum Senderstart der ersten RTLplus-Sendung. RTLplus sendete damals aus Luxemburg sein deutschsprachiges Programm. 1988 zog der Privatsender nach Köln. Für Köln sprach, dass bereits wegen des WDR Übertragungsleitungen vorhanden waren. Quelle: dpa
8. April 1988Der junge Sender musste um das Publikum kämpfen. Erfolge verzeichnet RTL dabei unter anderem mit seiner Comedy-Spielshow „Alles Nichts Oder?!“ mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder (hier im Jahr 2008). Trotz kleinem Budget und minimaler Ausstattung war das Moderatorenduo sehr gewinnbringend für den Sender. Die Grundidee war ein Kindergeburtstag für Erwachsene. Ein prominenter Gast musste an albernen Spielen teilnehmen und sich gegen die Moderatoren behaupten. Der Gewinn war eine Torte. Derjenige, der das Spiel verlor, musste seinen Kopf durch ein Loch in der Wand stecken, um dann die Torten aus dem Publikum ins Gesicht geworfen zu bekommen. Das klingt letztlich infantiler, als die Show tatsächlich war. Die Sendung lief bis 1992. Quelle: dpa
7. November 1988Große Erfolge brachte Sat.1 die Sendung „Glücksrad“ ein. Zum ersten Mal drehte es sich im Privatsender am 7. November 1988. Moderiert wurde die Ratesendung von Frederic Meisner (links) und Schauspieler Peter Bond (rechts), die sich wöchentlich abwechselten. Die Buchstabenfee, also die Dame, die die Buchstaben der Ratewand umdreht, war Maren Gilzer. Die Spiele-Show war montags bis freitags um 19.30 Uhr zu sehen. Wegen des hohen Erfolges wurde sogar 1991 eine samstägliche und eine sonntägliche Ausgabe ins Programm genommen. Fast sieben Jahre lang war das „Glücksrad“ damit täglich zu sehen. Vorbild für die Sendung war die US-Show „Wheel of Fortune“. Die Adaption ausländischer Formate wurde schnell zu einem Steckenpferd der Privaten – denn das brachte enormen Erfolg. Quelle: dpa
21. Januar 1990Die erste erotische TV-Show im deutschen Fernsehen war die Spiele-Show „Tutti Frutti“, moderiert von Hugo Egon Balder. Die Gäste konnten in Raterunden Punkte gewinnen, die sie in abzulegende Kleidungsstücke der Stripperinnen investierten. Den Privaten hing damals wegen zahlreicher Erotikfilmen im Nachtprogramm ein Schmuddel-Image an. „Tutti Frutti“ änderte daran nicht viel, wurde jedoch zum vieldiskutierten Gesprächsthema. Das Punktesystem begriff kaum jemand, nackte Haut wollten dafür genug Interessenten sehen. Ein Novum, was der Sender auch offensiv bewarb: Die Kandidaten mussten auch selbst Kleidung ablegen – und die Zuschauer durften hoffen, Nachbar oder Nachbarin in Unterwäsche zu erwischen. Die Sendung lief auf RTL bis 1993. Quelle: dpa
10. Dezember 1991Rosa von Praunheim präsentierte zu Beginn einer jeden Ausgabe der Show „Explosiv - Der heiße Stuhl“ eine Person, über die sie provokante Thesen aufstellte. Anschließend musste derjenige auf dem heißen Stuhl platznehmen und mit fünf weiteren Gästen über diese Thesen diskutieren. Dabei kam es zu lauten, persönlichen Diskussionen, die der Moderator immer wieder anheizte. Filmemacher Rosa von Praunheim outete in seiner Sendung außerdem die TV-Lieblinge Hape Kerkeling und Alfred Biolek als schwul, was einer der größten Skandale der TV-Geschichte war. Sein Kommentar dazu: „Mein Outing von schwulen Prominenten war ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aidskrise“, erklärt der heute 69-jährige Rosa von Praunheim auf seiner Website. Ihm ging es damals darum, schwule Sympathieträger, die versteckt lebten, zur Solidarität mit der Homosexuellengemeinschaft zu bewegen, weil es in ihr die meisten HIV-Infizierten und Aids-Toten zu beklagen gab. Generell war „Explosiv“ die wohl umstrittenste, da krawalligste Talkshow der privaten Fernsehsender. Quelle: dpa
19. Januar 1992Linda de Mol startete 1992 die Sendung „Traumhochzeit“ auf RTL. Die Sendung zählte mit bis zu elf Millionen Zuschauern zu den beliebtesten deutschen Fernsehsendungen der 1990er Jahre. Bis zum Jahr 2000 konnten in der Sendung drei Paare gegeneinander antreten, die (neben verschiedenen kleineren Preisen) eine Traumhochzeit gewinnen konnten. Der gigantische Erfolg der Samstagabend-Show legte den Grundstein für das Imperium der niederländischen Produktionsfirma Endemol, heute zweitgrößter Fernsehproduzent der Welt. Mitbegründer der Firma: Lindas Bruder John de Mol. Quelle: dpa

Wer war am Düsseldorfer Flughafen?

Max H. wollte sich zu dem Vorgang gegenüber der WirtschaftsWoche nicht äußern. 2012 hatte er gegenüber PwC-Mitarbeitern, die den Vorfall untersuchen sollten, das Treffen bestritten. Es steht Aussage gegen Aussage. Belegbar ist, dass Reto L. an diesem Tag am Düsseldorfer Flughafen war. Darüber hinaus gibt es E-Mails, die nahelegen, dass der RTL-Manager sich mit ihm für jenen 25. April am Flughafen verabredet hatte.

Die Digame, aus deren Umfeld das Schmiergeld stammen soll, wurde 1999 von Klaas B. gemeinsam mit der Telekom-Tochter T-Venture in Köln gegründet. Digame-Gründer Klaas B. hatte in den frühen Neunzigerjahren beim niederländischen Sender RTL 4 gearbeitet. Außerdem saß er als Gründer bis 1999 im Aufsichtsrat der RTL Multimedia, die in die heutige RTL-Tochter RTL Interactive aufgegangen ist. Klaas B., so heißt es, soll von Anfang an für die guten Beziehungen zwischen RTL und Digame verantwortlich gewesen sein.

Digame: Steuertipps, Kochrezepte, kostenpflichtige Anrufe

Digame organisiert vereinfacht gesagt kostenpflichtige Dienstleistungen, die Zuschauer rund um das TV-Geschäft in Anspruch nehmen können. Vor der Jahrtausendwende waren das Steuertipps oder Kochrezepte, die Zuschauer per Bezahl-Fax abrufen konnten. Seit Ende der Neunzigerjahre boomt das Geschäft mit Mehrwertdiensten. Die Einnahmen aus Werbung und Anrufen auf teuren 0190-Hotlines (heute 01379) reichten schon damals, dass RTL Multimedia – trotz Verlusten mit Internet-Aktivitäten – insgesamt Gewinn machte. Heute lassen vor allem kostenpflichtige Anrufe bei Castingshows und TV-Gewinnspielen die Kassen klingeln.

Auch seinen Teletext-Chat lässt RTL von Digame bespielen. Für bis zu 30 Cent je SMS können Zuschauer Nachrichten schicken, die unter Chatnamen ab Seite 670 im Videotext erscheinen. Schon die Namen der Chaträume, etwa „Flirt“, „Dating“, „Gay Club“ oder „Videotausch“, offenbaren, um welche Themen es oft geht. Auf Videotext Seite 721 bei RTL offeriert der Sender via Digame einen Faxabruf zu „seriösen Potenzmitteln“ – fünf Seiten für 1,49 Euro.

Gewinn im Gründungsjahr

Von den 50 Cent, die ein Zuschauer für einen Anruf aus dem Festnetz bei einer Castingshow heute zahlt, bekommt der Sender nach Branchenschätzungen um die 35 Cent. Bei Votinganbietern wie Digame bleiben 3,5 Cent. Der Rest sind Umsatzsteuer und Gebühren für den Telefonnetzbetreiber. Die Masse an Anrufen – bei Digame kamen laut einer internen Aufstellung 2009 gut 83 Millionen Anrufe zusammen – bringt ordentlich Geld.

Gleich zur Gründung der Digame 1999 schloss RTL umfangreiche Verträge mit dem Kölner Dienstleister ab. 2004 war Digame mit der Abwicklung der „gesamten Audiotex-Dienste“ beauftragt. Dahinter verbergen sich die Hotline-Geschäfte, etwa beim Televoting. Bereits im Gründungsjahr macht Digame Gewinn. Im dritten Geschäftsjahr gönnen sich die Gesellschafter, damals neben Twister noch Telekom-Tochter T-Venture, eine erste Ausschüttung: knapp 3,6 Millionen Euro.

Abhängig von RTL

RTL steht in vielen Jahren für über drei Viertel des Umsatzes von Digame. In einer E-Mail vom Juli 2011, unter anderem vom Twister- und Digame-Management verfasst, heißt es: „Sollte RTL seine Kooperation mit Twister Media beenden, wäre Twister Media pleite.“ Digame und die Mutter Twister sind also abhängig von RTL. Hinzu kommt, dass der Markt von wenigen Personen dominiert wird, die sich über viele Jahre kennen. Es entstehen enge persönliche Beziehungen, die über das rein Geschäftliche hinausgehen – der optimale Nährboden für Korruption.

Ende der Neunzigerjahre war schon der Twister-Vorgänger Teleworld in eine Affäre verwickelt, bei der zwei damals noch aktive Manager von RTL 4 in den Niederlanden Bestechungsvorwürfen ausgesetzt waren. Dabei sollen sie laut dem niederländischen „NRC Handelsblad“ 2,3 Millionen Euro dafür erhalten haben, dass sie für Exklusivverträge ihrer Sender mit Teleworld sorgen. „Wir konnten nicht anders. Wir waren völlig abhängig von RTL 4“, sagte damals Teleworld-Manager Klaas B. gegenüber dem „NRC Handelsblad“. Heute sagt er, dass Teleworld keine Schuld getragen habe, sondern selbst Opfer gewesen sei.

Milliardenkonzern RTL

Zwar werden Verträge bei einem Milliardenkonzern wie RTL nicht von einer einzigen Person geschlossen. Dennoch spielte RTL-Manager Max H. in der Geschäftsbeziehung zu Digame eine wichtige Rolle. Er arbeitet für RTL Interactive, die auch für das Televoting zuständig ist. Max H. war für die fachliche Bewertung der Digame-Angebote zuständig. Hätte er die Verträge nicht befürwortet, wären sie womöglich nicht zustande gekommen.

Nach Aussage mehrerer Wegbegleiter war RTL-Manager Max H. stets der Verbindungsmann von Digame-Gründer Klaas B. bei RTL. Sie sagen, Klaas B. habe sich immer seiner „guten Verbindungen zu RTL“ gerühmt. Die habe er „im Sack“ oder „bei RTL muss ich nicht über den Preis diskutieren“, soll er gesagt haben. Klaas B. bestreitet dies. „Wenn ich so etwas gesagt haben sollte“, schreibt er in einer Stellungnahme, „dann war damit gemeint, dass unser Erfolg und gute Dienstleistung uns Sicherheit in dem Geschäftsverhältnis mit RTL gibt.“

Bertelsmanns Geschäftsfelder

Absprachen zwischen Digame und RTL?

Eine interne E-Mail von 2004 deutet jedenfalls auf Absprachen zwischen Digame und RTL hin. Darin schreibt ein Digame-Mitarbeiter auch an Klaas B., dass er beim Sender Super RTL „ein mit RTL New Media abgestimmtes Angebot abgegeben“ habe. Laut einem Unternehmenskenner sollen Klaas B. und RTL-Manager Max H. sich früher regelmäßig getroffen haben. Max H. habe Klaas B. gesagt, welche Zahlen er in Angebote schreiben müsse, damit diese von RTL akzeptiert würden. Digame und Klaas B. widersprechen: Solche Absprachen habe es nicht gegeben.

Gerüchte, dass an der Vertragsbeziehung zwischen RTL und Digame etwas faul sein könnte, kursieren in der Branche schon lange. So schloss RTL mit Digame 2012 einen Vertrag über acht Jahre. Üblich in der Branche sind laut einem Konkurrenten drei, maximal fünf Jahre. Zudem erhielt RTL pro Zuschauer-Anruf direkt nur 32 Cent. Andere Fernsehsender verlangen mehr. Ein früherer Wettbewerber von Digame hatte den Eindruck, bei RTL überhaupt keine Chance zu haben. Ein Verhandlungstermin bei RTL sei überraschend verlaufen, berichtet er: „Es schien von Anfang an die Ansage zu geben, dass der Auftrag bei Digame bleibt.“

Digame gehört formal der Twister, ist aber faktisch eine Beteiligung von RTL

Teilweise lässt sich die enge Verbandelung zwischen RTL und Digame sachlich begründen. „Bei ,Deutschland sucht den Superstar‘ rufen in Spitzenzeiten deutlich mehr als 2000 Zuschauer pro Sekunde an. Gleichzeitig muss eine hohe Zahl von SMS verarbeitet werden. Über beide Teilnahmewege hinweg muss ein Gewinner ermittelt werden. Neben Digame hat nur die Telekom eine Plattform, um diese Anforderungen zu erfüllen“, sagt Marc Schröder, Geschäftsführer bei RTL Interactive.

Teilweise könnte aber auch ein pikantes Detail für die enge Zusammenarbeit zwischen RTL und Digame verantwortlich sein: Seit die Telekom ihr Engagement bei Digame und Twister im Jahr 2005 mit einem seltsamen Deal, der den Konzerngewinn mit 39 Millionen Euro belastete, beendet hat, gehört Digame zwar formal zu 100 Prozent der Twister. Doch letztlich sicherte sich RTL den Zugriff auf das Telekom-Paket an Digame. Digame ist faktisch eine Beteiligung von RTL. Ein Zusammenhang, den der Sender seit Jahren unter der Decke hält. RTL hat dadurch Vorteile. Zum einen, weil das zum Teil schmuddelige Geschäft einem seriösen Sender nicht gerade zur Zierde gereicht. Zum anderen, weil Konkurrenten von RTL – allen voran die Sendergruppe ProSiebenSat.1 – womöglich sonst Digame nicht beauftragen würden. Niemand gibt gern Aufträge an Beteiligungen der Wettbewerber.

Digame gleicht faktisch einer RTL-Beteiligung, weil:

  • der Sender eine Option zum Kauf von 49 Prozent an Digame hält, angeblich zu einem nur symbolischen Kaufpreis
  • und weil RTL schon heute jedes Jahr die Hälfte des Digame-Gewinns vor Zinsen und Steuern bekommt.

Schlechte Geschäfte für Digame wären seitdem auch schlechte Geschäfte für RTL.

Vorerst offen bleibt die Frage, ob Manager aus dem Digame-Umfeld neben ihrer Unabhängigkeit auch noch Bargeld eingesetzt haben, um an den existenzsichernden RTL-Vertrag zu kommen.

RTL-Manager Max H. hatte, unabhängig von jedweden Korruptionsvorwürfen, ein Interesse am Geschäftserfolg von Digame. Zumindest 2006 war er Aktionär eines damals indirekt an der Digame beteiligten Unternehmens, der Mistral Media. Das belegen interne Aktionärslisten. Schon dies deutet auf einen Interessenkonflikt hin: Als RTL-Mitarbeiter sollte Max H. mit Digame möglichst gute Konditionen für RTL aushandeln; als Mistral-Aktionär musste er aber an möglichst hohen Erträgen von Digame interessiert sein. Mistral hielt indirekt zwölf Prozent an Digame.

Schweizer Konto?

Der Banker Reto L., der dem RTL-Manager das Schmiergeld übergeben haben will, und Digame-Gründer Klaas B. haben sich im Aufsichtsrat der einst mit Digame verbandelten Mistral kennengelernt. Banker Reto L. sagt heute, dass Klaas B. ihn nach einer Sitzung zur Seite genommen und von einem Freund berichtet habe, der Reto L.s Dienstleistungen in Anspruch nehmen wolle. Mit dem Freund sei RTL-Manager Max H. gemeint gewesen. Klaas B. bestreitet das.

Im Auftrag von Klaas B. will Banker Reto L. über ein bei der Schweizer UBS geführtes Konto die 250.000 Euro für RTL-Manager Max H. geschleust haben. Sicher ist: Im April 2007 landeten auf diesem Konto insgesamt 250.000 Euro, überwiesen von zwei Gesellschaftern der Digame-Mutter Twister, hinter denen der israelische Geschäftsmann Joram S. und Digame-Gründer Klaas B. stehen.

Bargeldübergabe?

Klaas B. und Joram S. bestätigen, dass ihre Gesellschaften das Geld überwiesen haben. Beide behaupten aber auch –, und das scheint bei Geschäftsleuten dieses Kalibers höchst ungewöhnlich – sie hätten nicht genau gewusst und nicht beeinflusst, was mit dem Geld geschehen sollte. Joram S. redet von Manager-Boni. Klaas B. behauptet, S. habe ihn gebeten, Geld auf das Konto zu überweisen, damit er es an eine Person weiterleiten könne, die bei einem Rechtsstreit geholfen habe. Deren Namen will er jedoch nicht nennen. Der Einzige, der den Empfänger kennen will, ist der Schweizer Banker Reto L. Das Geld sei für RTL-Manager Max H. bestimmt gewesen, sagt er. Es sollte auf ein weiteres UBS-Konto mit der Nummer 273–215888 fließen, das einer Gesellschaft namens Camden Management in Panama gehören soll. Die Gesellschaft, so viel ist sicher, gibt es. Interne Dokumente legen nahe, dass RTL-Manager Max H. sich die Daten dieses Kontos zumindest übermitteln ließ. Max H. habe das Geld dort von ihm verwalten lassen wollen, behauptet Banker Reto L. Der RTL-Manager habe ihm eine Kopie seines Passes geschickt, den entsprechenden Dienstleistungsvertrag aber nicht mehr zurückgeschickt, weil sich seine Pläne offenbar geändert hatten. Max H. habe das Geld nun in bar haben wollen, um damit den Umbau eines Hauses finanzieren zu können, will sich der Banker erinnern. Daraufhin soll es zur ersten Geldübergabe von etwa 90.000 Euro im April am Düsseldorfer Flughafen gekommen sein. Max H. wollte hierzu nicht Stellung nehmen.

Laut dem Schriftverkehr, der der Staatsanwaltschaft und der WirtschaftsWoche vorliegt, sollte es in der zweiten Jahreshälfte zu einem weiteren Treffen kommen. Per Mail bittet RTL-Manager Max H. den Schweizer Banker um einen Termin, um „weitere 120“ zu bekommen. Banker Reto L. schlägt ein Treffen in Zürich vor, was Max H. offenbar nicht passt. Am 17. August 2007 schreibt er um 10.46 Uhr zurück: „Ich kann ja mit 120 ungern von Zürich nach Deutschland reisen.“ Einige Tage später schreibt er auf die Frage, bis wann das Treffen laufen müsse: „Wir werden das Haus voraussichtlich in 3–4 Wochen kaufen.“ Bis Mitte Oktober „sollten wir es am besten geschafft haben“. Insgesamt will Reto L. bei mindestens zwei Treffen 250.000 Euro bar übergeben haben.

Hausfinanzierung

Im Gespräch mit einem PwC-Mitarbeiter, der die Vorgänge für RTL 2012 überprüfen sollte, stritt RTL-Manager Max H. die Geldübergabe am Düsseldorfer Flughafen ab. Das sagte zumindest der PwC-Prüfer bei einer Präsentation der Ergebnisse im August 2012. Demnach will Max H. den Banker zwar 2007 einmal in Brüssel getroffen haben, aber nur, um mit ihm über eine alternative Finanzierung für sein Haus zu sprechen. Dass Reto L. als Spezialist für Schweizer Treuhandgesellschaften Sinnstiftendes zum Thema Häuslebau sagen kann, überrascht. An die vorgelegten Mails hatte Max H. keine Erinnerung. Er konnte sich nicht vorstellen, sie geschrieben zu haben. Gegenüber der WirtschaftsWoche wollte er sich nicht äußern.

RTL-Chefin Schäferkordt bekam den Fall auf den Tisch – wenige Tage nachdem sie neben Guillaume de Posch Chefin der RTL Gruppe geworden war. Sie zeigte sich angesichts der Indizien gegen einen ihrer wichtigsten Mitarbeiter geschockt – und versprach, der Sache nachzugehen.

Bilanzprüfung

Als Aufklärer beauftragte die interne Revision der RTL Group PwC. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gehört zu den „Big Four“, den weltweit wichtigsten Bilanzprüfern, und hat eine Abteilung für Wirtschaftskriminalität. Doch PwC kann in diesem Fall wohl nicht als völlig unabhängig gelten. Zum einen arbeitete PwC auch für Digame und Twister. Zum anderen ist PwC seit Jahren Bilanzprüfer von RTL und RTL-Mehrheitsaktionärin Bertelsmann. Allein 2013 und 2014 kassierte PwC von beiden zusammen 20 Millionen Euro Honorar. RTL sagt dazu, dass es sich bei den eingesetzten Prüfern um eine organisatorisch getrennte und fachlich unterschiedliche Einheit von PwC handele. Es habe keinen Zusammenhang mit der Arbeit von PwC als Wirtschaftsprüfer gegeben.

Die Prüfer hätten angeblich nachvollziehen können, wie RTL-Manager Max H. sein Haus finanziert habe. Digame-Gründer Klaas B. hätte zudem schlüssige Erklärungen für die Überweisungen in die Schweiz geliefert. Hinweise darauf, dass es zu Korruption gekommen ist, wollen die Prüfer nicht gefunden haben. Ihre Schlussfolgerung, dass RTL zu wenig in der Hand habe, um gegen den eigenen Manager Max H. vorzugehen, ist auf dieser Basis folgerichtig.

Haben die Prüfer alles versucht?

Allerdings wirft das Verhalten von PwC die Frage auf, ob die Prüfer auch alles versucht haben, um Licht ins Dunkel zu bringen. PwC stört sich etwa daran, dass sich Banker Reto L. die behauptete Geldübergabe von dem RTL-Manager nicht hat quittieren lassen – damit ihm später niemand vorwerfen kann, er habe das Geld selbst eingesteckt. Gegenüber der WirtschaftsWoche erklärte Reto L., ihm sei klar gewesen, dass es sich um unversteuertes Geld handelte. Deshalb habe er keine Quittung gefordert. Ein früherer Kunde von Reto L. bestätigte, dass Übergaben ohne Quittung durchaus vorgekommen seien.

Zudem kritisiert PwC, dass Banker Reto L. keine Unterlagen vorgelegt habe, anhand derer sich seine Reise nach Düsseldorf hätte nachvollziehen lassen. Diese Reisedaten lassen sich jedoch auch ohne Hilfe von Reto L. verifizieren: So hat Reto L. am Tag des angeblichen Treffens mit RTL-Manager Max H. laut Protokoll an einer Aufsichtsratssitzung der mit Digame früher verbundenen Mistral teilgenommen – am Düsseldorfer Flughafen.

Opfer des Korruptionsfalls?

Banker Reto L. behauptet, dass er dem PwC-Prüfer weitere Unterlagen angeboten habe, der darauf aber nicht zurückgekommen sei. Ähnliches berichtet auch ein Anwalt, der für den früheren Twister-Großaktionär Joram S. dem Korruptionsverdacht nachgegangen war. Er habe einem PwC-Mitarbeiter „angeboten, bei der Beschaffung von Beweismitteln und Zeugen zu helfen“. Der sei darauf „nicht eingegangen und hat sich nicht mehr gemeldet“, so der Anwalt. PwC nahm hierzu mit Verweis auf Verschwiegenheitspflichten nicht Stellung.

Unabhängig ist der Zeuge Reto L. allerdings auch nicht. Er kümmerte sich jahrelang um Joram S.’ Geldgeschäfte – und der war Partei: S. war Großaktionär der Digame-Mutter Twister. Er sieht sich als Opfer des Korruptionsfalls – und fordert von RTL Schadensersatz. Er behauptet, Klaas B. habe ihn mit der Unterstützung von RTL-Manager Max H. dazu gedrängt, seine Twister-Anteile 2011 zum Schleuderpreis an Klaas B. zu verkaufen.

Unter Wert verkauft?

Seine Argumentation geht so: Klaas B. soll Joram S. daran gehindert haben, seine Twister-Anteile an den Meistbietenden zu verkaufen, indem er behauptete, dass RTL bei einem Verkauf an Dritte seine Verträge mit Digame sofort stornieren würde. RTL-Manager Max H. habe diese Darstellung gegenüber einem Twister-Vorstand bestätigt, heißt es aus dem Umfeld von Joram S. Das wäre das Ende von Digame gewesen und hätte auch das von Joram S. indirekt gehaltene Aktienpaket entwertet. Er hätte sein Paket letztlich unter Wert an Klaas B. verkaufen müssen. RTL müsse für die Folgen aufkommen und ihm den Wertverlust der Aktien ersetzen.

Von 20 Millionen Euro ist in einem ersten Anwaltsschreiben an RTL aus dem Herbst 2012 die Rede. In einem zweiten Brief vom April 2014 sind daraus 35 Millionen Euro geworden. Als RTL nicht reagierte, reichte der Anwalt von Joram S. Strafanzeige gegen RTL-Manager Max H. und Klaas B. ein.

Die Beschuldigten sind noch nicht ausführlich vernommen

Dass der RTL-Mann den Verkauf von Joram S.’ Anteilen tatsächlich blockiert hat und RTL sich den vermeintlichen Schaden von Joram S. zurechnen lassen muss, ist jedoch zweifelhaft. Ein von Joram S. benannter ehemaliger Twister-Vorstand bestritt gegenüber PwC, dass er sich mit Max H. über den Anteilsverkauf und eine mögliche Kündigung der Verträge durch RTL unterhalten habe. Eine Klage von Joram S. ist trotz mehrmaliger Ankündigungen bis heute nicht bei RTL eingegangen.

Angesichts der eigennützigen Motive müssen Zweifel daran aufkommen, dass es Joram S. und Banker Reto L. nur um die Klärung der Bestechungsvorwürfe geht.

Ein Wirtschaftskrimi also, dessen Ausgang offen ist. Damit soll sich die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Die aber lässt sich, wie oft bei Wirtschaftsverfahren, reichlich Zeit. 16 Monate nach den Durchsuchungen hat sie noch nicht mal die beiden Beschuldigten ausführlich vernommen.

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