Russische Touristen Hilfe, die Russen kommen nicht mehr

Dieses Jahr reisen deutlich weniger Menschen von Russland nach Deutschland. Das kostet unsere Wirtschaft mehr als 250 Millionen Euro. Drei Branchen sind besonders betroffen.

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Tourismus: Immer weniger Russen kommen nach Deutschland. Quelle: Getty Images, dpa, Montage

Auf der Düsseldorfer Königsallee und der Maximilianstraße in München, zwei der prächtigsten Einkaufsstraßen des Landes, hört man von den Scharen der Touristen derzeit viele Fremdsprachen – doch eine ist in diesem Jahr immer seltener zu hören: Russisch. Denn der Markt für russische Touristen ist stark eingebrochen. Bisher war Deutschland für sie das zweitliebste Urlaubsland nach der Türkei. Doch in diesem Jahr kommen rund 30 Prozent weniger russische Gäste nach Deutschland, im Vergleich zum gesamten Jahr 2014 werden rund 300.000 Gäste fehlen. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Diese Nationen verreisen am meisten

Nach Recherchen von WirtschaftsWoche Online entgeht der deutschen Wirtschaft deshalb dieses Jahr ein Umsatz von mindestens 275 Millionen Euro. „Russische Touristen sind sehr konsumfreudig, deshalb trifft uns der Rückgang sehr stark“, sagt Wolfgang Fischer. Er ist Geschäftsführer der Stadtmarketinggesellschaft CityPartnerMünchen. Die bayerische Hauptstadt ist neben Berlin das beliebteste Ziel von Russen in Deutschland. „Sie kaufen hier wertvolle Kleidung und Schmuck ein und essen in teuren Restaurants“, erzählt Fischer – daher sei der Verlust in vielen Branchen zu spüren.

Verfall des Rubels macht Reisen teurer

Es ist vor allem die wohlhabende russische Mittelschicht, die nicht mehr nach Deutschland reist. Der Hauptgrund dafür ist der Verfall des russischen Rubels. Die Währung ist im Vergleich zum Euro nur noch halb so viel wert wie vor anderthalb Jahren, das macht Reisen in den Westen doppelt so teuer. Schuld daran trägt vor allem der niedrige Ölpreis: Russlands wichtigstes Exportgut hat seit Juni 2014 zwei Drittel seines Wertes verloren.

Wie sich der Ölpreis 2016 entwickeln könnte (ab Dezember 2015 Prognose)

Ein zweiter Grund für das Fernbleiben ist patriotischer Natur. Deutschland hat bei einem Teil der Russen an Ansehen verloren. Ihrer Meinung nach lässt sich die deutsche Regierung im Konflikt mit der Ukraine und bei den Sanktionen gegen Russland zu sehr von den Amerikanern führen. „Die politische Lage trägt auch dazu bei, dass weniger meiner Landsleute nach Deutschland kommen“, sagt ein russischer Diplomat hinter vorgehaltener Hand. Dass die Menschen in Russland nicht mehr so zahlreich nach Deutschland kommen, trifft hierzulande vor allem drei Branchen: Einzelhandel, Medizintourismus und Hotels.

Einzelhandel: 125 Millionen Euro Minus

Russland belegt zwar nur Platz elf unter den Herkunftsländern von Touristen in Deutschland. Aber sind sie einmal hier, geben russische Touristen viel Geld aus: Nach Angaben des World Travel Monitors investieren Russen mehr als doppelt so viel in ihrem Deutschlandurlaub wie der europäische Durchschnittsreisende: ungefähr 140 Euro pro Tag. Deshalb macht es sich in den Geschäften stark bemerkbar, wenn die Gäste aus dem Osten ausbleiben.

In ganz Deutschland ist der Einzelhandelsumsatz mit russischen Kunden bis Ende November um fast 40 Prozent zurückgegangen. Das teilte der Finanzdienstleister Global Blue auf Anfrage mit. Das Unternehmen erfasst alle Einkäufe in Deutschland, bei denen sich die Kunden die Mehrwertsteuer zurückerstatten lassen („Tax-free Shopping“). Auf das ganze Jahr gerechnet bedeutet das einen Verlust von rund 125 Millionen Euro für deutsche Geschäfte.

Medizintourismus: 50 Millionen Euro weniger Umsatz

Wohlhabende Russen schätzen an Deutschland nicht nur die schönen Einkaufsstraßen in Düsseldorf und München, sondern auch die Fachkenntnisse deutscher Ärzte. Seit Jahren bilden russische Patienten den größten Anteil an Ausländern in deutschen Kliniken, mehr als 20.000 Russen ließen sich 2013 hierzulande behandeln. Viele Russen kämen bei Krebserkrankungen und Herzproblemen für die Operationen nach Deutschland, sagt Jens Jusczczak, der an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg über den Markt für Medizintourismus forscht. Außerdem ginge es bei einem Teil der Patienten um Schönheitsoperationen. Insgesamt erwirtschaften deutsche Krankenhäuser dadurch rund 128 Millionen Euro pro Jahr. „Wir schätzen, dass der Markt für russische Patienten in diesem Jahr um 30 bis 40 Prozent eingebrochen ist“, sagt Juszczak. Das entspricht einem Umsatzrückgang von bis zu 50 Millionen Euro.

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