Russische Patienten zahlen je nach Eingriff zwischen 5000 und 30.000 Euro, sagt ein Vermittler von russischen Kunden, der anonym bleiben will. Dass russische Medizintouristen Deutschland in diesem Jahr meiden, zeigt sich am deutlichsten in der Uniklinik Freiburg. Dort werden die meisten Russen in Deutschland behandelt, fast jeder zweite ausländische Patient kommt aus dem größten Land der Welt.
Die Mitarbeiter im internationalen Büro haben dieses Jahr aber deutlich weniger zu tun: Bis Mitte November verzeichnete die Freiburger Uniklinik einen Rückgang von Patienten aus Russland von etwa 30 Prozent, also 500 Klinikaufenthalte weniger als noch im Vorjahr. In der Uniklinik Stuttgart ist der Rückgang ähnlich dramatisch. Eine Sprecherin teilte auf Anfrage mit: „Ein Grund dürfte auch die Aufforderung der russischen Regierung an die Bevölkerung sein, sich im eigenen Land behandeln zu lassen.“
Hotels: mindestens 100 Millionen Euro Verlust
In den vergangenen Jahren wurde Deutschland als Reisedestination für Russen immer beliebter, der jährliche Zuwachs lag fast durchgehend im zweistelligen Bereich. Doch dieses Jahr folgte ein dramatischer Rückgang: Rund 900.000 Übernachtungen weniger werden von russischen Gästen kommen. „Der Einbruch ist bedauerlich, weil sich der Markt in den Vorjahren dynamisch entwickelt hat“, sagt eine Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft. Und der Rückgang ist wirtschaftlich spürbar: Jeder dritte Russe schläft gern in 4- und 5-Sterne-Hotels. Das zeigt eine Studie der Deutschen Zentrale für Tourismus. Eine Nacht in gehobenen Hotels kostet laut statistischem Bundesamt durchschnittlich mindestens 120 Euro pro Person, der Rückgang der russischen Touristen könnte die deutsche Hotelwirtschaft also mehr als 100 Millionen Euro kosten.
Besonders hart trifft es die Hotelmanager in den Top-Städten für russische Touristen: Berlin, München, Düsseldorf, Frankfurt und Dresden. Die Luxushotelkette Kempinski teilte auf Anfrage mit, dass die Zahl der Übernachtungen von russischen Hotelgästen in diesem Jahr um ein Achtel gefallen ist. Ein Sprecher der Tourismusbehörde Sachsen sagte in Bezug auf die Verluste in der Hauptstadt Dresden: „Wir mussten erhebliche Einbußen hinnehmen, vor allem in der Hotellerie, im Einzelhandel und in den Museen.“
Im kommenden Jahr ist keine schnelle Erholung in Sicht, einige Experten glauben sogar, dass der Ölpreis noch stärker fallen könnte und mit ihm der Rubel – sodass die Kaufkraft der Russen im Ausland weiter sinkt. Die Tourismusbranche gibt jedoch Entwarnung: In Deutschland bringen jetzt Touristen aus anderen Ländern das Geld rein. „Unterm Strich betrachtet kompensieren Touristen aus Ländern wie etwa den arabischen Golfstaaten den Verlust der russische Gäste“, sagt eine Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft. Das lässt sich besonders gut in der deutschen Skihochburg Garmisch-Patenkirchen beobachten: Dort kommen dieses Jahr die meisten Ausländer aus den arabischen Ländern, ihre Zahl ist um zwei Drittel zum Vorjahr gewachsen.
Viele Russen werden ihren Winterurlaub in dieser Saison in Sotschi verbringen, der Inlandstourismus ist aus finanziellen Gründen auf dem Vormarsch. Und eine Sprecherin der russischen Tourismusagentur Rosturism weiß, woran das liegt: „Die Leute in Russland bereisen jetzt immer häufiger ihr Heimatland und stellen fest, dass es hier gar nicht so schrecklich ist, wie sie dachten.“