Ryanair Was die Lufthansa von Ryanair lernen kann

Ryanair ist im Aufwind: Kurz nach einem Radikalumbau fliegt die irische Billiglinie Rekordergebnisse ein. Der Wagemut der Iren taugt als Vorbild für andere Airlines - vor allem für die deutsche Lufthansa.

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Eine Ryanair-Maschine hebt ab. Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Konkurrenz eine Freude zu machen, ist so ziemlich das Letzte, das Michael O’Leary will. Doch als der großmäulige Chef der irischen Discount-Linie Ryanair vor gut zwei Jahren eine neue Strategie verkündete, freuten sich die Manager bei den etablierten Linien diebisch.
Mit dem Programm „Always Getting Better“ leitete O’Leary einen Wandel ein. Er versprach mehr Service und verkündete, stärker große Airports wie Rom oder Brüssel anzufliegen statt in der Provinz. Die Ultrabillig-Linie sollte nun viel stärker Geschäftskunden locken.

„Man sollte seine Wettbewerber nie daran hindern, Fehler zu machen“, kommentierte der Chef von Air France-KLM, Alexandre de Juniac, damals. Denn, so schlossen die etablierten Linien aus gut 15 Jahren Billigwettbewerb in Europa, der Zusatz an Service kostet mehr, als er an höheren Ticketpreisen bringt. Und auf den großen Flughäfen würden die Iren ihren Vorteil aus billigen Gebühren und kürzeren Bodenzeiten verlieren.

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Spätestens nachdem O‘Leary nun für das beendete Geschäftsjahr 2015 Bilanz zog, dürfte es mit der Freude der Konkurrenz vorbei sein. Denn „Always Getting Better“ gilt nicht nur für einen besseren Service, sondern auch für die Geschäftszahlen.

Mit gut 1,24 Milliarden Euro Nettogewinn bei 6,54 Milliarden Euro Umsatz liefert Ryanair neue Rekorde in puncto Umsatz und Profit. Auch wenn O’Leary die teilweise gut 25 Prozent Umsatzrendite um die Mitte der Nullerjahre noch nicht wieder erreichte, ist die mit jährlich 106 Millionen Passagieren größte Linie Europas nach wie vor der Maßstab der Branche in Sachen Geld verdienen.

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Das ist umso erstaunlicher, weil zuletzt selbst die Chefs erfolgsverwöhnter Wettbewerber klagten. „Die vergangenen Monate waren die schlimmste Zeit für alle europäischen Airlines“, beschrieb etwa Easyjet-Chefin Carolyn McCall kürzlich in der WirtschaftsWoche den unerwartet harten Gegenwind. Terrorangst bei den Kunden, ständige Streiks von Fluglotsen und ein wachsender Preisdruck durch zu viele Flüge setzen die Branche unter Druck.

Dass Ryanair dem derart Stand hält, überrascht die Konkurrenz nicht nur. Es macht die Airline zu einem Vorbild für etablierte Linien wie die Lufthansa. Die deutsche Linie wird schon länger von rückläufigen Erträgen geplagt, tut sich mit der Umsetzung von Innovation und der Neuausrichtung aber nach wie vor schwer.

Drei Lektionen für die Lufthansa

Ryanair dagegen riskierte mit dem Radikalumbau die schon bis dato guten Zahlen, das klare Profil bei den Kunden und das gesamte Geschäftsmodell. Aus diesem Wagemut können die Lufthansa und ihre Beschäftigten drei Dinge ableiten.

1.    Lektion: Fang an bevor es weh tut          

Am Anfang steht eine fast schon banale Weisheit: Eine frühzeitige Veränderung ist besser als eine unter Druck. Denn bei jedem Umbauprozess scheitern Dinge. Wer in finanziell guten Zeiten anfängt, kommt nicht in Bedrängnis wenn Innovationen später kommen oder komplett daneben gehen.

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Das ist in Hightech-Unternehmen Standard, nicht aber bei Airlines. Im Fluggeschäft bedeutet Scheitern in der Regel einen Unfall mit Toten und Verletzten. Diese Regel nutzten weite Teile des Lufthansa-Managements und der Belegschaft dazu, die von Konzernchef Carsten Spohr oder seinem Vorgänger Christoph Franz angestoßenen Veränderungen zu torpedieren. Frei nach der Leitlinie: Wir lassen Neurungen möglichst nur dann zu, wenn garantiert nichts schief gehen kann.

Und das heißt in der Lufthansa-Praxis: nie.

2.  Lektion: Es hört nie auf            

Veränderungen gehen nie zu Ende. Die Iren agieren nach dem Motto: Wenn eine Neuerung geklappt hat, arbeiten wir doch gleich an der nächsten. Linien wie Lufthansa hingegen setzen immer noch große Programme mit mehr oder weniger umfangreichen Stäben auf. Wenn die Ziele erreicht sind, ist Schluss – bis dann die nächste Flaute droht.

Das möchte Lufthansa-Chef Spohr zwar ändern. Aber trotz guter Ansätze etwa bei Eurowings oder der Wartungstochter Lufthansa Technik ist im Kranichkonzern vom Geist einer permanenten Revolution bislang wenig zu spüren.

Ryanair hingegen hat zum Start ins dritte Jahr von „Always Getting Better“ nochmal nachgelegt und – neben ihren Klassikern wie Kampfpreisen oder ein paar verspäteten Renovierungen der Vorjahre – weitere Veränderungen angekündigt.

Dazu zählen nicht nur Dinge wie kostenlose Reiseführer oder eine verständliche und übersichtliche Auswahl an Angeboten, aufzugebendes Gepäck dazu zu buchen. Erstmals übertrifft Ryanair Lufthansa und andere beim Komfort und bietet bis zu fünf Zentimeter mehr Beinfreiheit.

3.  Lektion: Talent borgt, Genie stiehlt    

Michael O’Leary kennt keine Scheu, gute Ideen der Wettbewerber zu übernehmen, wenn sie Geld bringen. Wo gerade etablierte Linien ihre eigenen Lösungen entwickeln, zeigt Ryanair wenig Berührungsängste. So übernahm O’Leary von Germanwings Tarifpakete mit Extras wie bevorzugtem Einsteigen oder Rabatte für aufgegebenes Gepäck. Bei Ryanair gibt es mittlerweile wie beim Versender Amazon eine Art Bonusprogramm, bei dem angemeldete Vielflieger Rabatte bekommen.

Zu guter Letzt will O’Leary wie die spanische Vueling bald an Flughäfen wie London-Stansted oder Barcelona einen Umsteigeservice anbieten. Dann lädt Ryanair das Gepäck um und steht für Pannen gerade. Das kostet natürlich – anders als bei den etablierten Linien – extra.

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