Serdar Somuncu

Sanifair: Das Geschäft mit dem Geschäft

An Autobahnrastplätzen lauert die Klo-Mafia. Das Geld liegt für Sanifair nicht auf der Straße – aber in der Schüssel.

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Er tourte fast zwei Jahrzehnte mit einer kommentierten Lesung von „Mein Kampf“. Quelle: Laif

Ich finde ja, dass es ein Grundrecht darauf geben sollte, sich entlasten zu dürfen. Nicht nur verbal, auch körperlich. Stellen Sie sich vor, Sie müssen aufs Klo und könnten beim nächstbesten Nachbarn klingeln, um dort Ihrem Bedürfnis nachzukommen. Das wäre sehr einfach. Vielleicht zu einfach.

Ein Geschäft wäre ein Geschäft und eben kein Geschäft. Womit wir bei Sanifair wären, einer Firma, die seit geraumer Zeit daran arbeitet, dass unser Geschäft nicht nur auf dem stillen Örtchen bleibt, sondern auch ein Geschäft wird. Für Sanifair, versteht sich.

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Und das geht so: An Autobahnraststellen sollte man Kleingeld parat haben, um gegen 70 Cent Ablassgebühr durch ein Drehkreuz laufen zu dürfen. Man gelangt dann in einen angeblich wasser- und chemielosen Urinalpark. Es handelt sich, lernen wir auf dem Weg dorthin, bei den 70 Cent nicht um eine Gebühr, sondern um einen Gutschein. Man kann aus seinem Bedürfnis bares Geld machen, indem man die gesammelten Bons eines Tages in eine Flasche Kakao oder einen Schokoriegel umtauscht.

Das Bedürfnis wird zur Ware

Allerdings lässt sich der Bon, der 70 Cent kostet, nur zu 50 Cent einlösen, was ein originelles Verständnis von „Gutschein“ ist. Denn wo bleiben die restlichen 20 Cent? Und warum überhaupt dieser Betrag? Warum nicht 20 Cent fürs kleine und 50 fürs große Geschäft?

Es geht gar nicht darum, meine Not zu lindern, um Sauberkeit oder die schöne Musik im wasserlosen Pinkelpalast. Hier ist jemand einfach auf eine geniale „Geschäfts“-Idee gekommen: Das Bedürfnis wird zur Ware, seine Reglementierung zum Profit. Das ist nicht überraschend, wenn man auf die Strukturen hinter der Toilettenschüssel schaut: Sanifair ist eine 100-prozentige Tochter von Tank & Rast.

Über verschiedene Zwischenschritte ist letztlich auch noch die Deutsche Bank mit drin. Wie bei schlecht perforiertem Klopapier hängt alles mit allem zusammen, und bei jeder Rast auf der Plastikbrille erleichtert uns das Firmennetzwerk um 20 Cent. Dazu kommt noch mal die Summe, die Schokoriegel an der Tankstellentheke – die ebenfalls zu Tank & Rast gehört – mehr als im Supermarkt kosten. Die aber muss ich kaufen, wenn neben den 20 Cent nicht auch noch die 50 Cent „Gutschein“ den Abfluss runter sollen.

Ein Imperium aus Urin

Was für eine Frechheit. Wäre es diesen Leuten lieber, ich würde einfach überall die Hose runterlassen? Statt für das Bedürfnis der körperlichen Entlastung könnte man für andere Dinge Geld nehmen: Zum Beispiel für die dämlichen Fragen, die einem der Tankwart stellt: Sammeln Sie Punkte? Nein! Macht 20 Cent. Möchten Sie noch ein Getränk dazu? Nein! Macht 50 Cent. Bähm!

Meine Mutter hat vor langen Reisen immer gemahnt, aufs Klo zu gehen. Vielleicht hat sie geahnt, dass die Sanifair-Mafia dereinst darauf lauern wird, meinen Urin abzuschöpfen und daraus ein Imperium zu errichten. Denn das Geld liegt nicht mehr auf der Straße, sondern in der Schüssel.

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