„Santa Clarita Diet“ Warum Netflix alles richtig gemacht hat

Netflix wirbt für seine Serie „Santa Clarita Diet“ mit Kannibalen-Plakaten und löst damit eine Welle an Beschwerden aus. Aus Sicht von Werbeexperten hat der Streaming-Dienst allerdings einen Coup gelandet.

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Der Streaming-Dienst macht so Werbung für seine neue Zombie-Serie „Santa Clarita Diet“. Quelle: dpa

Düsseldorf 35 Jahre nach ihrem Kinofilm „E.T. – Der Außerirdische“ brilliert die Schauspielerin Drew Barrymore in einer ungewöhnlichen Rolle: In der Netflix-Serie „Santa Clarita Diet“ spielt sie eine verheiratete Immobilienmaklerin, die sich in einen Zombie verwandelt. Ihrem unbändigen Hunger auf Menschenfleisch gibt sie allzu oft nach: Gemeinsam mit ihrem ewig lächelnden Ehemann erlegt sie Opfer um Opfer.

Die skurrile Serie ist in Deutschland seit Anfang Februar über den Streaming-Dienst Netflix zu sehen, der dafür auf großflächigen Plakaten wirbt. Angelehnt an die Essensgewohnheiten der Serienheldin hängt beispielsweise am Potsdamer Platz in Berlin ein überdimensionales Plakat, auf dem ein zerstückelter Finger wie eine Currywurst in einer Pappschale liegt. Eines ist klar: Die Kampagne ist nicht weniger radikal als das Produkt, für das sie Werbung macht. Und sie sorgt bereits für Gesprächsstoff in der Werbebranche.

Zunächst hatten empörte Bürger dafür gesorgt, dass sich der Deutsche Werberat einschaltet, der im Auftrag des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) über die Güte der Werbemotive wacht. Dutzende Kritiker hatten die demonstrierte Gewaltverherrlichung auf den Plakaten moniert und sich um die Kinder, die diese Motive sehen, gesorgt.

Auch Berlinale-Direktor Dieter Kosslick stört sich an der Reklame. Der „B.Z.“ gegenüber erklärte er: „Seit einer Woche nervt mich das geschmackloseste Plakat (...) das riesengroß am Potsdamer Platz hängt, wo ich es jeden Tag sehen muss. Und das nicht, weil ich Vegetarier bin, auch alle, die Fleisch essen, finden das ekelhaft und obszön.“

Der Werberat, der sich sonst eher mit kleineren Betrieben wie Solarien, Dachdeckern oder Autowerkstätten und deren oft ungeübtem Umgang mit Werbung beschäftigt, muss sich nun mit einem der ganz Großen der Medienwelt anlegen. Das Gremium forderte Netflix auf, die anstößigen Plakate abzunehmen. Wenn die kritisierten Unternehmen reagieren, ist die Arbeit des Werberates erledigt, dann entfällt eine öffentliche Rüge.

Das scheint in dem Fall der Kannibalen-Plakate der Fall zu sein. Das US-Unternehmen, das den klassischen TV-Sendern seit Jahren das Fürchten lehrt, zeigte nach Auskunft des Werberates sofort Einsicht.

In der Werbebranche stoßen die Netflix-Plakate allerdings durchaus auf Gefallen. Für Kommunikationsexperten wie Britta Poetzsch, Kreativchefin der Hamburger Agentur Track, sind die Netflix-Plakate eine „großartige“ Ausnahmeerscheinung inmitten des Werbe-Einerleis, das ansonsten an deutschen Straßen zu sehen ist. „Die trauen sich mal etwas“, sagte sie anerkennend.


Eine bewusste Provokation

Durch den Rüffel des Werberates wanderte das Netflix-Plakat durch viele Medien. Und die neue Serie „Santa Clarita Diet“ erregte dadurch große Aufmerksamkeit. Das ist viel wert in einer Zeit, in der Marken mit einem täglichen Feuerwerk an Botschaften um die Gunst der Menschen buhlen. War das Ganze ein Kalkül?

„Es ist ein probates Stilmittel der Kommunikation, dass man bewusst provoziert und auch entsprechende Reaktionen mit einkalkuliert“, meinte Frank Behrendt, Geschäftsführer der Agentur Serviceplan. „Daher ist sicher keiner wirklich überrascht, dass es entsprechende Reaktionen gab und gibt. Das ist ja auch nicht neu, die 'United-Colors'-Kampagne für den Modehersteller Benetton mit den Motiven von Fotograf Oliviero Toscani  hat schon in den 90er-Jahren heftige Diskussionen ausgelöst. Auch damals wurden einzelne Motive verboten.“ 

Kreativchefin Poetzsch hat eine einfache Erklärung für die Radikalität des Werbemotivs: „Netflix macht einfach das bessere Produkt, sie haben die besseren Produzenten, die besseren Schauspieler, die besseren Geschichten. Da erstaunt es mich auch nicht, dass sie ein höheres Verständnis für Kreativität in ihrer Werbung haben“, sagte sie. Und Behrendt ergänzte: „Ziel einer Kampagne für eine neue Serie ist der Einschaltimpuls. Und ich bin sicher, viele Zuschauer sind erst über die Diskussion der Motive aufmerksam geworden.“

Doch Behrendt schlägt auch kritische Töne an: „Ob man auch mit einer anderes gestrickten Kampagne ebenso viel Aufmerksamkeit erregt hätte, darüber kann man trefflich streiten. Auch über die Grenzen des guten Geschmacks.“ Es sei gut, dass die Diskussion geführt wird und auch, dass Grenzen gezogen werden. „Wir können schließlich nicht eine Verrohung der Gesellschaft beklagen und dann alles zulassen, was kommunikativ möglich ist.“

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