Jedes Jahr aufs Neue versucht die Deutsche Bahn zu beweisen, dass der Wettbewerb auf der Schiene lebt. Im Nahverkehr liegen bereits 25 Prozent der Marktanteile bei der Konkurrenz, im Güterverkehr sind es gar 29 Prozent - nachzulesen im "Wettbewerbsbericht 2013". So unangreifbar die Zahlen sind, so bedauerlich ist es, dass im Fernverkehr neben dem Hamburg-Köln-Express und dem Interconnex nur zwei nennenswerte Alternativen zum Intercity und ICE der Deutschen Bahn existieren. Der Marktanteil des Staatskonzerns im Fernverkehr liegt bei 99 Prozent - ein astreines Monopol. Und aus fünf Gründen wird sich daran so schnell nichts ändern.
Grund 1: Die Deutsche Bahn ist besser als ihr Ruf
Beginnen wir mit dem für die Bahn positiven Argument. Die Deutsche Bahn bietet mit dem ICE ein gutes Produkt an. Meist im Stundentakt verbinden die Züge die Metropolen in Deutschland. Kölner erreichen das mehr als 200 Kilometer entfernte Frankfurt in weniger als einer Stunde. Die Qualität in den Zügen ist komfortabel, Manager können gut arbeiten. Es ist nicht so leicht, eine Alternative anzubieten, die dem ICE in Sachen Komfort ein Schnippchen schlägt.
Möglich wäre das: das WLAN in den Zügen ist Murks, die Logistik in den Bordrestaurants oft eine Katastrophe und die Preise hoch. Doch so wie im Ausland, wo Staatsbahnen durch minderwertigste Qualität auffallen, ist die Situation in Deutschland nicht. International gilt die Deutsche Bahn gar oft als Vorbild. Es gibt zwar genügend Gründe, die Deutsche Bahn für ihre Unzuverlässigkeit zu schmähen. Wenn es aber läuft, ist der Zug im Vergleich zum Flieger und Auto eine hervorragende Alternative. Das müssen Konkurrenten erst einmal nachmachen.
Grund 2: Teurer Bahnstrom
Damit genug des Lobes. Jetzt wird es ernst. Wettbewerb funktioniert dann, wenn die Chancen gleichverteilt sind. Doch das sind sie im Fernverkehr nicht annähernd. Beispiel Bahnstrom: Noch immer gönnt sich die Deutsche Bahn einen deutlich höheren Rabatt als ihre Wettbewerber. Die Bahn ist größter Stromabnehmer Deutschlands und erhält dafür bei ihrer eigenen Tochter einen Rabatt in Höhe von fünf Prozent. Wettbewerber zahlen mindestens ein Prozent mehr. Das ist doch fair, könnte man argumentieren, wer viel einkauft, darf auch Rabatte aushandeln.
Bei einem Monopol darf dieses Argument nicht zählen. Die Monopolkommission schreibt in einem aktuellen Sondergutachten dazu: Bei der Bahnstrom-Vollversorgung "sieht die DB Energie GmbH allerdings Mengenrabatte vor, die aufgrund ihrer Marktstellung nur die eigenen Transportschwesterunternehmen der Deutschen Bahn AG ausschöpfen können".
Schienengüterverkehr - Planzahlen und Kennziffern
Wie die Kennziffern im Schienengüterverkehr der Deutschen Bahn von den Planzahlen abweichen (in Prozent, Werte sind gerundet)
Quelle der Werte: Deutsche Bahn
2012
Plan 2012: 121,1 Milliarden Tonnenkilometer
Ist 2012: 105,9 Milliarden Tonnenkilometer (-13 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 35,7 Milliarden Tonnenkilometer
Ist Januar - April 2013: 34,2 Milliarden Tonnenkilometer (- 4 Prozent) gegenüber dem Plan)
2012
Plan 2012: 5,29 Milliarden Euro
Ist 2012: 4,93 Milliarden Euro (-7 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 1,76 Milliarden Euro
Ist Januar - April 2013: 1,61 Milliarden Euro (-9 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 161 Millionen Euro (Ebit)
Ist 2012: 87 Millionen Euro (Ebit) (-46 Prozent gegenüber dem Plan)
...davon in Osteuropa:
2012
Plan 2012: 21 Millionen Euro (Ebit)
Ist 2012: 8 Millionen Euro (Ebit) (-62 Prozent gegenüber dem Plan)
2013
Plan Januar - April 2013: 45 Millionen Euro (Ebit)
Ist Januar - April 2013: -30 Millionen Euro (Ebit) (-166 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 58 Millionen Euro
Ist 2012: 1 Millionen Euro (-98 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 288 Millionen Euro
Ist 2012: 371 Millionen Euro (+29 Prozent gegenüber dem Plan)
Operativer freier Cash-Flow
Plan 2012: 200 Millionen Euro
Ist 2012: 31 Millionen Euro (-85 Prozent gegenüber dem Plan)
Plan 2012: 1,04 Milliarden Euro
Ist 2012: 1,83 Milliarden Euro (+76 Prozent gegenüber dem Plan)
Grund 3: Marktmacht im Vertrieb
Wer eine Trasse beantragt, erhält sie in der Regel. Die Zeiten der harten Diskriminierung beim Netzzugang sind passé. Teilweise gelten bei der Netztochter DB Netz sogar strengere Regeln als bei den DB-Zügen, um ja nicht den Verdacht zu erwecken, die Bahn würde diskriminieren, heißt es bei der Bahn. Doch ein kleiner Bereich ist davon ausgenommen - leider einer, der über das Überleben der Wettbewerber entscheidet: der Vertrieb. Die Deutsche Bahn verkauft in ihren Reisezentren keine Tickets der Konkurrenten im Fernverkehr. Dazu ist sie nicht verpflichtet. Aus Sicht der Bahn ist der Schritt nachvollziehbar. Für HKX ist das ein Problem.
Eigene Schalter, die ihr in den Bahnhöfen zustünden, kann sich ein junges Start-up-Unternehmen auf der Schiene nicht leisten. Ebenso wenig Automaten, die hohe Wartungsgebühren nach sich ziehen. Hinzu kommt: Die Bahn würde - wenn sie jemals auf die Idee käme - für den Verkauf von HKX-Tickets eine höhere Provision kassieren als umgekehrt - aufgrund ihrer Marktmacht. So ist das etwa im Nahverkehr. Die Monopolkommission schlussfolgerte im Sondergutachten: "Die bestehenden Tarif- und Vertriebsstrukturen erlauben Wettbewerbern der Deutschen Bahn AG im Schienenpersonenfernverkehr kaum eine Teilnahme am bundesweit einheitlichen System." Den Unternehmen sei es daher "nur sehr schwer möglich", andere als die eigenen Fahrtziele anzubieten. "Dadurch sind erhebliche Erlöseinbußen zu erwarten."
Die Konkurrenz braucht einen langen Atem
Grund 4: Trassenpreise
Wer mit Fernverkehrszügen durch Deutschland fährt, braucht einen langen Atem. Denn die Angebote wie die des Hamburg-Köln-Express müssen sich erst herumsprechen. Mit Gewinnen rechnen die Unternehmen daher meist erst nach mehreren Jahren. So benötigte etwa auch die Veolia-Tochter Interconnex viele Jahre, um ihre größten Verluste zu minimieren. Umso wichtiger ist, dass die Bahnen wissen, dass sie in den kommenden Jahren dieselben Trassen zugeteilt bekommen. Dazu dienen Rahmenverträge mit der Bahn-Tochter DB Netz, die alle fünf Jahre für mindestens eine Fünf-Jahres-Periode abgeschlossen werden. So weit so gut.
Problematisch ist allerdings, dass der Zuschlag für die konkreten Trassen erst wenige Monate vor dem neuen Fahrplan bekannt gemacht werden. Für die Unternehmen ist die Zeit zu kurz, um neue Züge zu beschaffen. Das dauert oft viele Jahre. Gebrauchtfahrzeuge sind ohnehin Mangelware. Die Chancen eines Markteinstiegs reduzieren sich dadurch immens. Zudem hat die Deutsche Bahn die Hoheit über die Preise für die Nutzung der Gleise und Bahnhöfe.
Wie nachteilig sich so etwas auswirken kann, zeigt das Beispiel HKX: Die 170 Meter langen Züge wurden plötzlich in die höchste Kategorie eingestuft, nachdem DB Netz den Längenfaktor reduzierte. Statt Züge ab einer Länge von 180 Metern sollten plötzlich schon 170 Meter lange Züge die höchsten Preise bezahlen. Erst durch Intervenieren der Bundesnetzagentur ließ die Deutsche Bahn von ihren Plänen ab.
Grund 5: Fehlende Trennung
Wer in den Schienenmarkt einsteigt, braucht Geld. In Italien etwa investiert das private Konsortium NTV rund eine Milliarde Euro, um der Staatsbahn Trenitalia vor allem auf der Strecke zwischen Rom und Mailand Konkurrenz zu machen. NTV hat gerade neue Hochgeschwindigkeitszüge bei Bombardier bestellt, die bis zu 360 Kilometer pro Stunde fahren können. Solche Investitionen tätigen Unternehmer nur, wenn sie von der absoluten Wettbewerbsgleichheit überzeugt sind. Aber wie verhält es sich in Deutschland? Der Deutschen Bahn gehören nicht nur die Züge, sondern auch die Bahnhöfe und Gleise.
Zwar wacht die Bundesnetzagentur über Fairness im Markt und darauf, dass kein Wettbewerber diskriminiert wird. Aber allein die Tatsache, dass eine scharfe Trennung zwischen Netz und Betrieb nicht existiert, kann potenzielle Eisenbahn-Unternehmen daran hindern, in den Markt einzusteigen. Der HKX wird von der Bahn nicht diskriminiert, das mag so sein. Aber HKX ist für die Deutsche Bahn fast irrelevant. Ein deutsches NTV wäre eine andere Hausnummer. Gespräche zwischen Bahnchef Grube und Managern der Netz-Tochter könnten neue Formen der Diskriminierung zur Folge haben. Wie übrigens auch in Italien. Dort ermittelt bereits das italienische Kartellamt gegen die Staatsbahn FS - ebenfalls ein integrierter Konzern. Der Verdacht: Die Bahnmanager haben NTV beim Zugang zu Trassen in der Hauptverkehrszeit und zu Werkstätten diskriminiert.