Schienenverkehr Die Deutsche Bahn bremst ihre Konkurrenten aus

Die Deutsche Bahn hat ein Monopol im Fernverkehr. Und sie tut einiges, damit das so bleibt. Fünf Gründe, weshalb der Wettbewerb im Fernverkehr immer noch nicht funktioniert.

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Mehr Wettbewerb auf der Schiene in Europa
GroßbritannienTrotz aller Qualitätsmängel: Großbritannien gilt in Sachen Wettbewerb inzwischen als Vorbild für Europa. Kaum ein Eisenbahnland ist so liberalisiert. Allerdings wird der Fernverkehr auf der Insel meist über so genannte Franchises ausgeschrieben. Unternehmen können sich für den Betrieb der insgesamt 19 Konzessionen bewerben. Wer den Zuschlag erhält, bekommt staatliche Subventionen. So betreibt DB Arriva, eine Tochter der Deutschen Bahn, beispielsweise die Linie CrossCountry von Aberdeen im Norden nach Birmingham. Das System ähnelt dem deutschen Nahverkehrsmodell. Parallel dazu ist auch eine Trassenvergabe möglich, die die Bahnen dann eigenwirtschaftlich betreiben. Allerdings wird dies bislang nur auf zwei Strecken genutzt: von London nach Hull im Nordosten und von London nach Bradford/Sunderland im Norden. Bislang gibt es in Großbritannien nur eine einzige Hochgeschwindigkeitsstrecke. Die „Highspeed 1“ führt von dem Eurotunnel nach London und erlaubt Geschwindigkeiten bis 300 km/h. Quelle: Christian Schröder
ItalienIn keinem anderen Land ist der Wettbewerb auf der Schiene im Fernverkehr so intensiv wie in Italien. Vor einem Jahr machte sich eine Gruppe von Unternehmern auf, die Staatsbahn Trenitalia auf der Rennstrecke von der Industriezone um die Stadt Mailand bis ins politische Zentrum Rom zu attackieren. Die bis zu 300 km/h schnellen "Italo"-Züge des Unternehmens NTV verbinden die Städte in unter drei Stunden - weiter geht es im Norden nach Turin und im Süden nach Neapel. NTV beförderte in den ersten rund acht Monaten seit Betriebsaufnahme mehr als zwei Millionen Passagiere. Der Marktstart gilt als Erfolg. Die Tickets sind für Frühbucher auf unter 30 Euro gefallen. Quelle: dapd
TschechienSeit September 2011 bietet das tschechische Verkehrsunternehmen Student Agency unter der Marke RegioJet Konkurrenzzüge zur tschechischen Staatsbahn CZ. Die Züge des Herstellers Bombardier pendeln zwischen Prag und Ostreva. Teilweise setzt Regiojet modernisierte Gebrauchtzüge der SBB aus der Schweiz ein. RegioJet hat sich zum Ziel gesetzt, Züge nicht nur in Tschechien, sondern auf mitteleuropäischen Strecken anzubieten. Im März 2012 startete RegioJet etwa in der südlichen Slowakei mit dem Betrieb von Zügen auf der 100 km langen Eisenbahnstrecke von der regionalen slowakisch-ungarischen Grenze zur Hauptstadt Bratislava. Student Agency ist seit zwei Jahren auch Kooperationspartner der Deutschen Bahn bei der Busverbindung zwischen Nürnberg und Prag. Quelle: Harold
FrankreichDie französische Staatsbahn SNCF ist Monopolist – und hat sich quasi selbst Konkurrenz geschaffen. Im April dieses Jahres hat das Unternehmen den Billig-TGV („iDTGV “) eingeführt. Insgesamt 62 Hochgeschwindigkeitszüge mit einfachem Komfort und hoher Passagierdichte fahren zwischen den Bahnhöfen Marne-la-Vallée (beim Vergnügungspark Euro Disney nahe Paris) sowie Marseille, Lyon und Montpellier. Die Preise für die rund dreieinhalb Stunden lange Fahrt ans Mittelmeer beginnen für Erwachsene bei 19 Euro je Einfachticket. SNCF will damit vor allem preissensible Studenten und junge Familien überzeugen. Die Bahn verhindert somit auch, dass potenzielle Wettbewerber mit Billigangeboten die TGV-Züge der SNCF angreifen. Quelle: Reuters
ÖsterreichSeit Dezember 2011 gibt es eine Alternative zu den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB): Die Westbahn verbindet die Städte Wien und Salzburg zwölf Mal am Tag. Die Züge benötigen für die 317 Kilometer lange Strecke 2:32 Stunden - nur zehn Minuten länger als Züge der ÖBB. Dafür bietet die Westbahn kostenloses Wlan und Gratiszeitungen in der Businessclass. Die Preise liegen mit 25 Euro um rund die Hälfte niedriger als bei der ÖBB ohne Ermäßigung. Der Einstieg der Westbahn hat teilweise zu einem harten und ruinösen Preiswettbewerb geführt. An der Westbahn ist die französische Staatsbahn SNCF mit 26 Prozent beteiligt.  

Jedes Jahr aufs Neue versucht die Deutsche Bahn zu beweisen, dass der Wettbewerb auf der Schiene lebt. Im Nahverkehr liegen bereits 25 Prozent der Marktanteile bei der Konkurrenz, im Güterverkehr sind es gar 29 Prozent - nachzulesen im "Wettbewerbsbericht 2013". So unangreifbar die Zahlen sind, so bedauerlich ist es, dass im Fernverkehr neben dem Hamburg-Köln-Express und dem Interconnex nur zwei nennenswerte Alternativen zum Intercity und ICE der Deutschen Bahn existieren. Der Marktanteil des Staatskonzerns im Fernverkehr liegt bei 99 Prozent - ein astreines Monopol. Und aus fünf Gründen wird sich daran so schnell nichts ändern.

Grund 1: Die Deutsche Bahn ist besser als ihr Ruf

Beginnen wir mit dem für die Bahn positiven Argument. Die Deutsche Bahn bietet mit dem ICE ein gutes Produkt an. Meist im Stundentakt verbinden die Züge die Metropolen in Deutschland. Kölner erreichen das mehr als 200 Kilometer entfernte Frankfurt in weniger als einer Stunde. Die Qualität in den Zügen ist komfortabel, Manager können gut arbeiten. Es ist nicht so leicht, eine Alternative anzubieten, die dem ICE in Sachen Komfort ein Schnippchen schlägt.

Möglich wäre das: das WLAN in den Zügen ist Murks, die Logistik in den Bordrestaurants oft eine Katastrophe und die Preise hoch. Doch so wie im Ausland, wo Staatsbahnen durch minderwertigste Qualität auffallen, ist die Situation in Deutschland nicht. International gilt die Deutsche Bahn gar oft als Vorbild. Es gibt zwar genügend Gründe, die Deutsche Bahn für ihre Unzuverlässigkeit zu schmähen. Wenn es aber läuft, ist der Zug im Vergleich zum Flieger und Auto eine hervorragende Alternative. Das müssen Konkurrenten erst einmal nachmachen.

Die Jungfernfahrt des HKX
Hochmodern ist anders, aber dennoch will der Bahn-Konkurrent „Hamburg-Köln-Express“ (HKX) besten Service bieten. Die Deutsche Bahn hat seit Juli 2012 einen neuen Konkurrenten im Fernverkehr ... Quelle: dpa
Auch für die Zugbegleiterinnen war es eine Premiere. Der Zug des Bahn-Konkurrenten HKX fährt unter anderem über Münster, Gelsenkirchen und Essen, hält aber nicht in Bremen. Quelle: dpa
Die Jungfernfahrt: Zugbegleiter Jean Pierre Knopp pfeift zur Abfahrt des ersten Zugs ... Quelle: dpa
Der „Hamburg-Köln-Express“ (HKX) startete um 6.35 Uhr von Hamburg-Altona nach Köln. Zurück ging es von Köln um 12.01 Uhr. Quelle: dpa
Große Hektik gab es nicht für die Passagiere - und auch keine „Jagd“ auf freie Plätze: Jeder Fahrgast hat eine Sitzplatzreservierung. Quelle: dpa
Der Charme früherer Tage: Der HKX fährt mit Intercity-Wagen der Ersten Klasse aus den 70er-Jahren täglich mindestens einmal zwischen beiden Großstädten hin und her. Quelle: dpa
Die HKX-Betreiber werben mit „Fahrzeiten so schnell wie der IC“ und günstigen Preisen. Die Fahrkarten werden über das Internet verkauft. Zum Start kostet die einfache Fahrt inklusive Reservierung zwischen 20 und 60 Euro. Quelle: dpa

Grund 2: Teurer Bahnstrom

Damit genug des Lobes. Jetzt wird es ernst. Wettbewerb funktioniert dann, wenn die Chancen gleichverteilt sind. Doch das sind sie im Fernverkehr nicht annähernd. Beispiel Bahnstrom: Noch immer gönnt sich die Deutsche Bahn einen deutlich höheren Rabatt als ihre Wettbewerber. Die Bahn ist größter Stromabnehmer Deutschlands und erhält dafür bei ihrer eigenen Tochter einen Rabatt in Höhe von fünf Prozent. Wettbewerber zahlen mindestens ein Prozent mehr. Das ist doch fair, könnte man argumentieren, wer viel einkauft, darf auch Rabatte aushandeln.

Bei einem Monopol darf dieses Argument nicht zählen. Die Monopolkommission schreibt in einem aktuellen Sondergutachten dazu: Bei der Bahnstrom-Vollversorgung "sieht die DB Energie GmbH allerdings Mengenrabatte vor, die aufgrund ihrer Marktstellung nur die eigenen Transportschwesterunternehmen der Deutschen Bahn AG ausschöpfen können".

Schienengüterverkehr - Planzahlen und Kennziffern

Grund 3: Marktmacht im Vertrieb

Wer eine Trasse beantragt, erhält sie in der Regel. Die Zeiten der harten Diskriminierung beim Netzzugang sind passé. Teilweise gelten bei der Netztochter DB Netz sogar strengere Regeln als bei den DB-Zügen, um ja nicht den Verdacht zu erwecken, die Bahn würde diskriminieren, heißt es bei der Bahn. Doch ein kleiner Bereich ist davon ausgenommen - leider einer, der über das Überleben der Wettbewerber entscheidet: der Vertrieb. Die Deutsche Bahn verkauft in ihren Reisezentren keine Tickets der Konkurrenten im Fernverkehr. Dazu ist sie nicht verpflichtet. Aus Sicht der Bahn ist der Schritt nachvollziehbar. Für HKX ist das ein Problem.

Eigene Schalter, die ihr in den Bahnhöfen zustünden, kann sich ein junges Start-up-Unternehmen auf der Schiene nicht leisten. Ebenso wenig Automaten, die hohe Wartungsgebühren nach sich ziehen. Hinzu kommt: Die Bahn würde - wenn sie jemals auf die Idee käme - für den Verkauf von HKX-Tickets eine höhere Provision kassieren als umgekehrt - aufgrund ihrer Marktmacht. So ist das etwa im Nahverkehr. Die Monopolkommission schlussfolgerte im Sondergutachten: "Die bestehenden Tarif- und Vertriebsstrukturen erlauben Wettbewerbern der Deutschen Bahn AG im Schienenpersonenfernverkehr kaum eine Teilnahme am bundesweit einheitlichen System." Den Unternehmen sei es daher "nur sehr schwer möglich", andere als die eigenen Fahrtziele anzubieten. "Dadurch sind erhebliche Erlöseinbußen zu erwarten."

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