Doch das Kalkül geht längst nicht immer auf. Allein die Hoffnung der Unternehmen, sich mithilfe der Gutschein-Aktion einen guten Ruf zuzulegen, trügt. Denn Kunden, die mit einem Gutschein eine Ware oder eine Dienstleistung kaufen, verteilen offenbar schlechtere Noten als andere Kunden. Forscher der US-Universitäten Boston und Harvard haben 16.000 Gutschein-Aktionen und gleichzeitig die 56.000 Bewertungen eines Verbraucher-Portals ausgewertet. Dabei kam heraus, dass nach einer Gutschein-Aktion die Zahl der Bewertungen für ein Unternehmen zwar drastisch ansteigt, sie aber um 10 bis 20 Prozent negativer ausfallen als zuvor. Ebenso trügerisch ist der Glaube, Gutschein-Kunden kommen später wieder und zahlen dann voll. Überrennen reine Schnäppchenjäger ein Unternehmen, bleibt dieses auf den Kosten der Rabattaktion sitzen.
Schuldzuweisungen
Dass es zu solchen Dramen kommt, werfen sich die Betroffenen gegenseitig vor. Die Unternehmer klagen vor allem über Groupon. Vertriebsmitarbeiter des Gutscheine-Portals würden kleine Unternehmen nicht darauf aufmerksam machen, dass sie die Anzahl der angebotenen Gutscheine begrenzen könnten. Sie würden Kleingewerbetreibende zu horrenden Rabatten drängen, um Kunden anzulocken. Gebe es Probleme, würde Groupon nicht reagieren, heißt es bei vielen Händlern.
Groupon hält auf Anfrage der WirtschaftsWoche dagegen, die Außendienstmitarbeiter bekämen vor dem ersten Kundenkontakt eine einwöchige Schulung. Dabei werde ihnen erklärt, wie wichtig es sei, die Partner darüber zu informieren, dass sie die Zahl der zu verkaufenden Gutscheine begrenzen können. Dass Mitarbeiter die Unternehmen zu Rabatten von 70 Prozent drängen, streitet Groupon ab. Vielmehr könne der Rabattvorteil beliebig gewählt werden und liege meist um die 50 Prozent.
Kenner von Groupon sehen als Grund für den Streit mit den Unternehmen die Vertriebsstruktur des Gutschein-Portals und die internen Vorgaben für die Mitarbeiter. „Früher haben Groupon-Mitarbeiter sich vergewissert, dass die Unternehmen dem Kundenansturm Herr werden können und ihnen empfohlen, die Zahl der angebotenen Gutscheine zu begrenzen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. „Mit dem Börsengang ging es nur noch um Umsatz. Hauptsache die Vertriebsmitarbeiter holen viele Deals heran. Jeder Vertragspartner wurde genommen, alle Qualitätsmaßstäbe wurden über Bord geworfen.“
Kompromisslose Firmenpolitik
Groupon streitet zwar ab, dass sich seit dem Börsengang etwas an der Vertriebskultur geändert habe. Doch was aus dem Unternehmen nach draußen dringt, klingt anders. „Wer nach drei Wochen keinen Deal abgeschlossen hat, ist eigentlich weg“, sagt ein anderer Ex-Mitarbeiter. Andere ebenfalls ausgeschiedene Kollegen berichten, ihre Vorgesetzten bei Groupon hätten ihnen gerne mal freitags eine Kündigung in die Hand gedrückt und versprochen: „Wenn du in der kommenden Woche fünf Deals reinholst, nehmen wir sie zurück.“ Groupon-Geschäftsführer Jens Hutzschenreuter erklärte dazu gegenüber der WirtschaftsWoche: Erst wenn ein Mitarbeiter seine Zielvorgaben über mehrere Monate „nicht erreicht und auch weitere Schulungen nichts bewirken, trennen sich die Wege in beiderseitigem Interesse“.