Schnäppchenportal Groupon stürzt Partner ins Rabattchaos

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Gefahr für das Image

Wer ist der unbeliebteste Händler Deutschlands?
Nachdem wir Ende April Deutschlands sympathischste Händler gezeigt haben, werfen wir heute einen Blick auf die "unbeliebtesten" Händler der Republik. Dass sind diejenigen Händlermarken, die in der aktuellen Marktwertstudie der Beratungsfirma Batten & Company die Plätze 16-30 belegen. Quelle: ZB
Platz 16: Den Anfang macht Europas größter Schuhhändler Deichmann: Mehr als 3.000 Filialen, mehr als 20 Länder und mehr als 150 Millionen Paar Schuhe. Erst im Februar hat der Konzern ein Rekord-Ergebnis vorgelegt; so unbeliebt kann das Unternehmen also gar nicht bei der Kundschaft sein. Vor allem im Vergleich zur Vorgängerstudie (2009) konnte Deichmann um sechs Plätze zulegen und kommt aktuell auf einen Markenstärke-Wert von 7,13 bei zehn möglichen Punkten. Quelle: Deichmann
Platz 17: Zugelegt hat auch der katholische Weltbild-Verlag, der nach dem Wirbel um Erotik-Titel gerade die Weichen für einen Neuanfang im Sinne der Kirche stellt. Der Verlag zählt zu den größten Buchhändlern Deutschlands und ist unter anderem an Internetfirmen und den Filialen der Buchkette Hugendubel beteiligt. Im Ranking verbesserte sich der Konzern mit einem Markenstärke-Wert von 7,1 um sieben Plätze auf Rang 17. Quelle: obs
Platz 18: Der Hamburger Versandhauskonzern Otto verbesserte sich bei der Markenstärke um 13 Plätze auf Rang sechs (7,09). Derzeit zwingt die wachsende Konkurrenz aus dem Internet den Händler zu Umstrukturierungen. Weil die Erlöse stagnieren, die drei Vertriebsmarken Otto, Schwab und Baur enger verzahnt werden. Hintergrund für das Sparprogramm ist der preisaggressive Wettbewerb durch den Schuhspezialisten Zalando und neue Konkurrenten im Online-Geschäft wie Media-Markt und Saturn. Weltweit beschäftigt die Gruppe, zu der auch die Marken wie Trois Suisse, Bonprix und Crate & Barrel gehören, 54.000 Menschen. Quelle: dapd
Platz 19: Die schwedische Modekette Hennes & Mauritz (H&M) muss für ihre Kampfpreis-Strategie gleich doppelt büßen. So hat die Rabattschlacht nicht nur deutliche Spuren in der letzten Quartalsbilanz hinterlassen, sondern auch an den Sympathiewerten bei der Kundschaft gekratzt. Die Schweden verlieren fünf Plätze im Ranking und fallen mit einem Markenstärke-Wert von 7,01 auf Rang 19 ab. Quelle: dpa
Platz 20: Einer der größten Verlierer ist die Metro-Tochter Saturn (7,01). Vor allem wegen dramatischer Sympathie- und Vertrauensverluste muss der Elektronikhändler mächtig Federn und stürzt um 14 Plätze ab. Mit dem Boom des E-Commerce kämpft die Media-Saturn-Holding damit, dass die Kunden über das Internet mittlerweile sehr schnell die Preise vergleichen können. Quelle: dpa
Platz 21: Auch die Supermarktkette der Metro, Real, verliert 9 Plätze im Vergleich zur Vorgängerstudie und kommt beim Markenstärke-Wert nur noch auf 7 von zehn möglichen Punkten. Schon lange sorgt die Tochter im Konzern für Unruhe. Sogar über einen Verkauf der Kette wurde schon nachgedacht. Metro-Chef Olaf Koch betonte zwar vor kurzem bei der Präsentation der Bilanz für 2011, dass das Thema erstmal vom Tisch sei - eine Baustelle bleibt Real aber trotzdem. Quelle: dpa

Doch das Kalkül geht längst nicht immer auf. Allein die Hoffnung der Unternehmen, sich mithilfe der Gutschein-Aktion einen guten Ruf zuzulegen, trügt. Denn Kunden, die mit einem Gutschein eine Ware oder eine Dienstleistung kaufen, verteilen offenbar schlechtere Noten als andere Kunden. Forscher der US-Universitäten Boston und Harvard haben 16.000 Gutschein-Aktionen und gleichzeitig die 56.000 Bewertungen eines Verbraucher-Portals ausgewertet. Dabei kam heraus, dass nach einer Gutschein-Aktion die Zahl der Bewertungen für ein Unternehmen zwar drastisch ansteigt, sie aber um 10 bis 20 Prozent negativer ausfallen als zuvor. Ebenso trügerisch ist der Glaube, Gutschein-Kunden kommen später wieder und zahlen dann voll. Überrennen reine Schnäppchenjäger ein Unternehmen, bleibt dieses auf den Kosten der Rabattaktion sitzen.

Schuldzuweisungen

Dass es zu solchen Dramen kommt, werfen sich die Betroffenen gegenseitig vor. Die Unternehmer klagen vor allem über Groupon. Vertriebsmitarbeiter des Gutscheine-Portals würden kleine Unternehmen nicht darauf aufmerksam machen, dass sie die Anzahl der angebotenen Gutscheine begrenzen könnten. Sie würden Kleingewerbetreibende zu horrenden Rabatten drängen, um Kunden anzulocken. Gebe es Probleme, würde Groupon nicht reagieren, heißt es bei vielen Händlern.

Groupon hält auf Anfrage der WirtschaftsWoche dagegen, die Außendienstmitarbeiter bekämen vor dem ersten Kundenkontakt eine einwöchige Schulung. Dabei werde ihnen erklärt, wie wichtig es sei, die Partner darüber zu informieren, dass sie die Zahl der zu verkaufenden Gutscheine begrenzen können. Dass Mitarbeiter die Unternehmen zu Rabatten von 70 Prozent drängen, streitet Groupon ab. Vielmehr könne der Rabattvorteil beliebig gewählt werden und liege meist um die 50 Prozent.

Riskante Wetten und solide Internet-Investments

Kenner von Groupon sehen als Grund für den Streit mit den Unternehmen die Vertriebsstruktur des Gutschein-Portals und die internen Vorgaben für die Mitarbeiter. „Früher haben Groupon-Mitarbeiter sich vergewissert, dass die Unternehmen dem Kundenansturm Herr werden können und ihnen empfohlen, die Zahl der angebotenen Gutscheine zu begrenzen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. „Mit dem Börsengang ging es nur noch um Umsatz. Hauptsache die Vertriebsmitarbeiter holen viele Deals heran. Jeder Vertragspartner wurde genommen, alle Qualitätsmaßstäbe wurden über Bord geworfen.“

Kompromisslose Firmenpolitik

Groupon streitet zwar ab, dass sich seit dem Börsengang etwas an der Vertriebskultur geändert habe. Doch was aus dem Unternehmen nach draußen dringt, klingt anders. „Wer nach drei Wochen keinen Deal abgeschlossen hat, ist eigentlich weg“, sagt ein anderer Ex-Mitarbeiter. Andere ebenfalls ausgeschiedene Kollegen berichten, ihre Vorgesetzten bei Groupon hätten ihnen gerne mal freitags eine Kündigung in die Hand gedrückt und versprochen: „Wenn du in der kommenden Woche fünf Deals reinholst, nehmen wir sie zurück.“ Groupon-Geschäftsführer Jens Hutzschenreuter erklärte dazu gegenüber der WirtschaftsWoche: Erst wenn ein Mitarbeiter seine Zielvorgaben über mehrere Monate „nicht erreicht und auch weitere Schulungen nichts bewirken, trennen sich die Wege in beiderseitigem Interesse“.

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