Sicherheitsbranche Wanted – Wachmänner dringend gesucht

Deutsche Sicherheitsunternehmen suchen Tausende Wachleute. Doch Ausbildung und Entlohnung sind häufig mangelhaft. Viele Auftraggeber wollen günstige Mitarbeiter – und rücken so die gesamte Branche in schlechtes Licht.

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In der deutschen Sicherheitsbranche großer Bedarf – erst recht nach den Entwicklungen der vergangenen Monate. Doch die Gefahr ist groß, dass unqualifizierte Mitarbeiter eingestellt werden und auch noch unzureichend entlohnt werden. Quelle: dpa

Essen Die Sicherheitsbranche in Deutschland boomt – nicht erst seit den Gewalttaten der vergangenen Wochen und Monate. „Wir haben bundesweit 13.000 offene Stellen“, berichtet Silke Wollmann, Sprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Allein im vergangenen Jahr war die Beschäftigtenzahl der Branche um 15 Prozent auf 247.000 Mitarbeiter angewachsen.

Für das laufende Jahr hatte der Branchenverband ursprünglich mit einem weiteren Plus um etwa sechs bis sieben Prozent gerechnet. „Es kann sein, dass das nun massiv in die Höhe geht“, erklärt Wollmann. Bei der Ende September anstehenden Essener Sicherheitsmesse Security will die Branche ebenfalls verstärkt um Nachwuchs werben.

Doch im Boomsektor herrscht nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi ein Preiskampf, der auch die Löhne unter Druck setzt. So werde etwa bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften nach Informationen der Gewerkschaft statt des Tariflohns vielfach nur der gesetzliche Mindestlohn gezahlt, berichtet der zuständige Gewerkschaftssekretär Volker Nüsse. Während in der Branche meist einfachste Bewachungstätigkeiten ausgeschrieben seien, müssten die Beschäftigten dann häufig zusätzlich Aufgaben etwa von Psychologen oder Sozialarbeitern übernehmen.

Diese Entwicklung beobachtet auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) durchaus kritisch. „Wenn ein hoher Bedarf da ist, ist die Gefahr groß, dass Billigangebote den Zuschlag bekommen“, sagt der NRW-Landesvorsitzende Arnold Plickert. In einigen Fällen seien Leute nach Vorlage des Führungszeugnisses bereits binnen 48 Stunden eingesetzt worden. Bisweilen habe die Polizei in der Vergangenheit zudem festgestellt, dass etwa an den Kontrollpunkten bei Großveranstaltungen auch „schwarze Schafe“ zu finden seien.

Eine bessere Ausbildung des Personals wünscht sich auch der Verband BDSW. Ein Problem für viele Auftraggeber seien jedoch die deutlich höheren Kosten für das qualifizierte Personal. Wer eine dreijährige Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit absolviert habe, sei mit einem Stundenlohn von 15,43 Euro für den Auftraggeber deutlich teurer als etwa ein Wachmann, der lediglich an einer Unterweisung durch die Industrie- und Handelskammer teilgenommen habe. Letztendlich sei jedoch meist der niedrigste Preis ausschlaggebend, hieß es.


Schweden sind der Marktführer

Bereits in den vergangenen Jahren waren die Beschäftigtenzahlen in der deutschen Sicherheitsbranche kräftig gewachsen – zwischen 2012 und 2015 wurden mehr als 60.000 neue Jobs geschaffen. Bundesweite Hochburg der Sicherheitsbranche ist dabei Nordrhein-Westfalen mit 50.937 Beschäftigten im vergangenen Jahr, gefolgt von Bayern (34.138), Hessen (26.766), Baden-Württemberg (25.835) und Berlin (18.754).

Auch die Umsätze im Geschäft mit der Sicherheit sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Allein im vergangenen Jahr konnten die Unternehmen der Branche ein Umsatzplus um 900 Millionen Euro auf 6,91 Milliarden Euro verbuchen. Einschließlich des Geschäfts mit Sicherheitstechnik wird der Gesamtumsatz der Branche für 2015 auf rund 14,5 Milliarden Euro geschätzt.

Zu den Schwergewichten dieses Sektors zählen dabei das zu einem schwedischen Mutterkonzern gehörende Unternehmen Securitas und die Essener Familienfirma Kötter. Während Securitas im vergangenen Jahr als Branchenprimus mit 19.500 Beschäftigten einen Umsatz von rund 720 Millionen Euro erwirtschaftete, lag der Umsatz bei Kötter (18.100 Mitarbeiter) bei rund 502 Millionen Euro. Bundesweit gibt es nach Schätzungen zwischen 4000 und 5000 Sicherheitsunternehmen.

Deutlich verstärkt habe sich etwa die Nachfrage nach allem, was mit der Sicherheit bei Großveranstaltungen in Zusammenhang stehe, sagt Verbandssprecherin Wollmann. Auch nach dem Attentat auf ein Münchener Einkaufszentrum hatte etwa ein Betreiber angekündigt, an einzelnen Standorten das Sicherheitspersonal deutlich aufstocken zu wollen.

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