Sicherheitstechnik Das Geschäft mit der Angst boomt

Die Zahl der Einbrüche ist 2012 stark gestiegen. Ob bewachte Wohnquartiere, Video-Analysesysteme oder Superverriegelung: Das Geschäft mit der Furcht vor Brand und Diebstahl blüht.

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Auf frischer Tat - Die Zahl der Einbrüche ist 2012 um neun Prozent gestiegen. Quelle: dpa

Eigentlich ist Babette Vogler, 31 Jahre, anthrazitfarbener Hosenanzug und freundliches Lächeln, nur Betriebswirtin. Doch was sie in den Heinrich Heine Gärten in Düsseldorf vollbringt, geht weit über ihr Wissen aus dem Studium hinaus.

Als "Concierge", heißt es in dem Prospekt der Nobelwohnanlage im Westen der Stadt, wacht die Anfangdreißigerin "mithilfe modernster Technik über die Sicherheit und schützt die Privatsphäre der Bewohner". Sie "organisiert und überwacht" zusammen mit Kollegen vielfältige Dienstleistungen - "vom Shuttle-Service zum Flughafen über Handwerker oder Reinigungspersonal bis hin zum Wäscheservice und zur Versorgung von Haustieren oder Pflanzen". Und von der Lobby aus hat die Dame für alles per Videoüberwachung stets jeden wichtigen Winkel inklusive Aus- und Einfahrt zur Tiefgarage im Blick.

Das sind Deutschlands Einbruchshochburgen
Großstädte sind begehrte Tatorte für Einbrüche: Über die Hälfte der in Deutschland angezeigten Einbrüche werden in den 122 größten Städten verübt. Die Einbruchshochburgen hat das Versicherungsportal Geld.de zusammengetragen. Dabei kommt es nicht auf die absolute Einbruchszahl an, sondern auf die Einbrüche im Verhältnis zur jeweiligen Einwohnerzahl. Da nicht für alle Großstädte aktuelle Zahlen vorliegen, bezieht sich die Untersuchung auf 2011. In diesem Jahr stieg die Einbruchszahl in Großstädten um 9,3 Prozent.Platz 10: Neumünster Einbrüche je 100.000 Einwohner: 370 Quelle: Adacta, Wikimedia Commons
Platz 9: DortmundEinbrüche je 100.000 Einwohner: 403 Quelle: Dortmunder Westfront, Wikimedia Commons
Platz 8: OberhausenEinbrüche je 100.000 Einwohner: 404 Quelle: Raimond Spekking, CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
Platz 7: KrefeldEinbrüche je 100.000 Einwohner: 411 Quelle: gemeinfrei
Platz 5: BonnEinbrüche je 100.000 Einwohner: 428 Quelle: dpa
Platz 5: KölnEinbrüche je 100.000 Einwohner: 500 Quelle: dpa
Platz 4: BremenEinbrüche je 100.000 Einwohner: 506 Quelle: dpa

Die 180 Millionen Euro teure Anlage, in der bis Ende 2014 rund 378 Wohnungen entstehen sollen, zählt zu den noch seltenen Quartieren in Deutschland, in denen es sich nicht nur luxuriös, sondern auch sicher logieren lässt. Im Carloft in Berlin-Kreuzberg etwa können die Bewohner ihr Auto mit dem Aufzug zum Parken auf die eigene Terrasse befördern – immerhin stecken Raudis gern schon mal Oberklasselimousinen in Brand. Um die Heinrich Heine Gärten in Düsseldorf steht rund um das Gelände - künftig verborgen in einer 1,50 Meter hohen Hecke - ein Stahlgitterzaun. Video-Gegensprechanlagen an allen Zugängen sorgen für Kontrolle, ein ständiger Wachdienst ist eine Option für die Zukunft. "Für uns ist das ein kleines Segment im Immobiliengeschäft, aber ein feines", sagt Benno Maubach, Niederlassungsleiter der Immobiliengesellschaft Frankonia Eurobau, die Bauherr, Makler und Manager der Anlage in einem ist.

Bunker in der Wohnung

Seit Jahren nehmen die Wohnungseinbrüche in Deutschland stark zu. Nach Angaben der Versicherungswirtschaft belaufen sich die Schäden auf rund 600 Millionen Euro jährlich, die Aufklärungsquote liegt bei bescheidenen 16 Prozent. Zudem ziehen ältere Menschen, die mit den Jahren ängstlicher werden, vermehrt wieder in die Stadt. Das nährt die Nachfrage nach mehr Sicherheit in jedweder Form. "Wir beobachten zunehmend eine Verschiebung von Firmenkunden hin zu privaten Kunden", sagt Andreas Falke, Geschäftsleitung Vertrieb und Marketing beim Sicherheitsspezialisten Haverkamp. Der Mittelständler in Münster hat alles im Programm, was Einbrecher abschreckt, vom alarmgesicherten Zaun über die sprengwirkungshemmende Fensterfolie bis zum "Panik-Raum", eine Art Bunker in der eigenen Wohnung.

Mehr Verbrechen - mehr Umsatz?

Das sind Deutschlands gefährlichste Städte
Villa Hammerschmidt in Bonn Quelle: dpa
Halle an der Saale Quelle: dpa
Heißluftballon über Dresden Quelle: dpa
Festwiese in Lübeck Quelle: dpa
Flughafen Dortmund Quelle: dpa/dpaweb
Hannover Quelle: dpa
Düsseldorf Quelle: dpa

"Die Sicherheitsbranche kann aus Anleger- und Investorensicht ganz eindeutig als Zukunftsbranche identifiziert werden", meint Wolfgang Pflüger, Chefvolkswirt der Hamburger Berenberg Bank und Mitautor einer entsprechenden Studie. Bereits heute sei Deutschland bei einer Reihe von Basistechnologien gut positioniert. Technologiekonzerne wie Bosch beispielsweise bieten heute über Computer und Smartphone-Apps steuerbare Schlösser, Rollläden und Kameras für das Eigenheim inklusive automatischer Verbindung zu Wachdiensten oder Feuerwehr an.

Zu den großen Trends zählt der effiziente Blick auf die Gefahrenstellen. "Videotechnik ist in der Sicherheitsindustrie immer mehr auf dem Vormarsch", sagt Peter Krapp, Geschäftsführer des Fachverbands Sicherheit im Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Dabei geht es vor allem um Techniken der Videoanalyse, die Bedrohungen erkennen und das ständige Starren etwa des Portiers auf den Monitor überflüssig machen. Inzwischen reagieren solche Systeme erst, wenn jemand bestimmte Gegenstände entfernt oder verbotene Bereiche betritt.

Experten schätzen den Markt für sicherheitstechnische Produkte und Dienstleistungen in Deutschland auf über elf Milliarden Euro pro Jahr. Der Löwenanteil entfällt laut ZVEI auf die rund 4.000 Sicherheitsdienstleiter mit circa 4,8 Milliarden Euro und 175.000 Beschäftigten. 2007 lag der Umsatz noch bei 4,3 Milliarden Euro.

Deutlich aufwärts geht es im Geschäft mit elektronischer Sicherheitstechnik. Im Jahr 2012 lag der Umsatz nach Schätzungen des Bundesverbands der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen (BHE) bei rund 2,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von knapp drei Prozent. Getragen werde der Zuwachs von der Nachfrage nach Brandmeldetechnik und Videoüberwachung, sagt BHE-Geschäftsführer Urban Brauer. Für Alarmanlagen gegen Feuer blätterten die Deutschen 2012 schätzungsweise 3,5 Prozent mehr hin als im Vorjahr, insgesamt 1,24 Milliarden Euro, für Videotechnik gaben sie drei Prozent mehr aus, insgesamt knapp 407 Millionen Euro. Das Plus bei Brandmeldern liegt vor allem an der jüngst eingeführten Pflicht von Rauchmeldern in den Bauordnungen fast aller Bundesländern.

Grenzenlos in den Himmel wachsen die Umsätze der Sicherheitsbranche allerdings nicht. So steigt seit 2011 zwar der Umsatz mit Einbruchmeldetechnik. "Wir erwarten weiteres Wachstum bei den Alarmanlagen, da die Wohnungseinbrüche zunehmen", sagt BHE-Chef Brauer. Doch die simple Gleichung "mehr Verbrechen - mehr Umsatz" geht nicht auf. Laut BHE-Schätzung liegt das Umsatzplus im Jahr 2012 bei knapp zwei Prozent. Die Zahl der Wohnungseinbrüche dagegen ist um knapp neun Prozent auf 144 000 Fälle im Jahr 2012 gestiegen und war im Vorjahr sogar um 9,3 Prozent in die Höhe geschnellt.

Sonderkonjunktur für die Branche

Die wichtigsten Antworten zur Hausratversicherung
hochwasser Quelle: dpa
Was ist ebenfalls abgedeckt?Die Hausratversicherung schließt auch Bargeld, Schmuck, Münzen, Gold und Kunstwerke mit ein. Aber: Die Entschädigung für Wertsachen ist meist auf 20 Prozent der Versicherungssumme begrenzt, sofern nicht mehr vereinbart wurde. Wird Geld nicht im Tresor aufbewahrt, ist eine Entschädigung in der Regel auf 1500 Euro beschränkt. Das Limit für Sparbücher, Urkunden oder sonstige Wertpapiere liegt meist bei 2500 Euro. Teure Fahrräder oder E-Bikes sind nicht automatisch mitversichert. Der Schutz muss ausdrücklich vereinbart werden. Gleiches gilt für Überspannungsschäden an Fernsehern oder Computern nach Gewittern. Quelle: dapd
Wie hoch muss die Versicherungssumme sein?Sie sollte im Idealfall genau dem Betrag entsprechen, der nötig ist, um nach Totalverlust den Wohnstandard ohne finanzielle Einbußen wiederherzustellen. Bei vielen Verträgen geht die Summe wegen dynamischer Anpassungsklauseln zwar automatisch über die Jahre etwas nach oben, deckt aber trotzdem lange nicht den wahren Wert des Hausrats ab. Wer Lücken schließen und im Ernstfall nicht den Großteil des Schadens aus eigener Tasche zahlen will, kann seinen Versicherungsbedarf mit Hilfe der kostenlosen Liste der Stiftung Warentest aktualisieren. Quelle: dpa
Was passiert bei Unterversicherung?Verbraucher versuchen immer wieder, die Versicherungssumme bewusst zu niedrig anzusetzen, um am Beitrag zu sparen. Das kann sie teuer zu stehen kommen: Ist der Hausrat wertvoller als die versicherte Summe, zahlt der Versicherer auch nach kleinen Schäden nur einen Teil des Verlusts. Beispiel: Die Wohnungseinrichtung hat einen Wert von 60.000 Euro. Die Police lautet aber nur auf 30.000 Euro. Muss der Teppich nach einem Wasserschaden herausgerissen und für 2000 Euro ersetzt werden, übernimmt der Versicherer wegen Unterversicherung nur die Hälfte, also 1000 Euro. Quelle: dpa
Was, wenn der Versicherer pauschal rechnet?Häufig ist die Versicherungssumme von der Assekuranz vorgegeben, in der Regel mit 650 Euro pauschal je Quadratmeter Wohnfläche. Bei 80 Quadratmetern wäre der Bewohner damit bis 52.000 Euro abgesichert. Ist seine Einrichtung hochwertig, sei er mit der Pauschalmethode allerdings unterversichert, gibt Köster zu bedenken. Zugleich gilt: Ist der Hausrat zum vorgeschlagenen Mindestbetrag versichert, prüft der Versicherer im Schadensfall nicht, ob der Kunde unterversichert war. Aber Vorsicht: Schummeln und die Quadratmeterzahl niedriger ansetzen, kann zum Bumerang werden. Bei arglistiger Täuschung zahlt die Hausratversicherung gar nicht. Quelle: Fotolia
Was tun bei Rädern?Wer wertvolle Fahrräder oder E-Bikes angeschafft hat, sollte über eine Erweiterung seiner Police nachdenken. Der Mehrbeitrag liegt zwischen 15 und 30 Euro im Jahr (pro 1000 Euro Versicherungssumme). Hat der Tarif einen Nachtschutz, ist das Rad rund um die Uhr, also auch nachts und außerhalb der Wohnung gegen Diebstahl versichert. Fehlt der Passus und müssen die Räder nachts in den Keller oder Abstellraum, macht die Erweiterung oft keinen Sinn. Einen Rundum-Schutz bieten separate Policen von Fahrradclubs. Sie kosten zwischen 80 und 120 Euro im Jahr (pro 1000 Euro Versicherungssumme). Quelle: dpa
Bringt ein Wechseln eine Ersparnis?Häufig ja. Wer seinen Vertrag aktualisieren will, findet meist preiswerte Alternativen. Verträge können drei Monate vor Ablauf des Versicherungsjahres gekündigt werden. Die Preisunterschiede sind riesig. Junge Leute, Familien oder Senioren können oft 200 bis 400 Euro im Jahr sparen, wenn sie auf ein günstigeres Angebot umsteigen, im Extremfall sogar 1000 Euro. Wechselwillige können sich bei Verbraucherzentralen kostenpflichtig beraten lassen oder online von der Stiftung Warentest gegen zwölf Euro Gebühr. Quelle: Fotolia

Sicherheitstechnik sei zwar ein wachsender Markt, sagt Haverkamp-Manager Falke, aber bei den Kunden gelte Sicherheit als unproduktiver Kostenblock – jedenfalls so lange, bis das "Kind in den Brunnen gefallen ist", sprich: der Schaden eingetreten sei. "Nur wenn Versicherungen oder Behörden Druck machen und auf den Einbau von Sicherheitsanlagen bestehen, wird investiert", glaubt Verbandsmann Brauer.

Wenig Aufwand, viel Schutz

In diese Richtung zielen - pünktlich zur Bundestagswahl - Vorstöße von CDU und SPD. Während die CDU "für verbesserte steuerliche Anreize zugunsten von Eigenheimbesitzern bei Investitionen in die Sicherheit ihrer Häuser" plädiert, will Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD), dass die Bundesländer künftig Mindeststandards für den Einbruchschutz bei Neubauten vorschreiben. Pistorius ist Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK) und denkt über einen besseren Aufhebelschutz für Fenster und Türen, abschließbare Griffe und Dreifachverriegelungen für Haustüren nach.

Das könnte der Branche eine Sonderkonjunktur verschaffen. Denn im rund eine Milliarde Euro schweren Markt für Schlösser und Beschläge resultieren die Umsatzzuwächse schon jetzt laut Branchenverband hauptsächlich aus staatlichen Eingriffen: zum Beispiel den Förderprogrammen zur energetischen Sanierung von Gebäuden. Dabei erhöhen viele Hausbesitzer die Sicherheit mit vergleichsweise wenig Aufwand offenbar gern gleich mit.

Die einfachen Maßnahmen zahlen sich aus. Fast 40 Prozent der versuchten Einbrüche werden abgebrochen, weil Türen und Fenster gut gesichert sind. Oft sind Täter nur mit einem Schraubenzieher unterwegs. Wenn sich damit die Tür nicht innerhalb von fünf Minuten öffnen lässt, zieht der Strolch nach Erfahrungen der Polizei unverrichteter Dinge weiter.

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