Siemens-Chef Joe Kaeser "Ab 2016 wachsen wir"

Seite 4/4

Zwischen China und Amerika

Ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, der EZB, gefährlich oder in der gegenwärtigen Situation sinnvoll?
Ich denke, dass die EZB nach dem Vorbild der USA durch eine gezielt lockere Geldpolitik für Nachfrage sorgen kann. Allerdings darf das nicht zu einer verdeckten Sanierung europäischer Banken führen, indem man ihnen beispielsweise fragwürdige Wertpapiere abkauft.

Wo ist die wirtschaftliche Aufbruchstimmung größer? In den USA oder Asien?
Amerika profitiert von einer nahezu einmaligen Konstellation. Das Land ist die größte Volkswirtschaft der Welt und geopolitisch betrachtet sehr sicher. Auch deshalb investieren wir dort strategisch. Dazu kommt, dass die USA durch die richtigen politischen Weichenstellungen bei der Energieversorgung nahezu autark sind und außerdem über fast beispiellose Kompetenzen bei Software und Mikroelektronik verfügen. Reiche Volkswirtschaften zeichnen sich aus durch Rohstoffe, starke private Nachfrage und Technologie.

Die neue Struktur von Siemens
Division Power and GasDiese Einheit umfasst das Siemens-Portfolio an großen Gas- und Dampfturbinen, Kompressoren sowie künftig die Gasturbinen zur dezentralen Energieversorgung. Umsatz 2013: rund 14 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: elf - 15 ProzentGeführt werden soll die Division von Roland Fischer, der derzeit die Division Power Generation leitet. Quelle: dpa
Division Wind Power & RenewablesDie Sparte baut Windkraftanlagen zur Stromerzeugung an Land und auf See. Siemens ist weltweit Marktführer bei Offshore-Windkraftanlagen. Nach Umsatz ist die Division eine der kleineren. Da mit einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien weltweit zu rechnen ist, aber auch eine der zukunftsträchtigsten. Umsatz 2013: 5 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: 5 - 8 %Chef: Markus Tacke. Tacke ist derzeit Chef des Bereichs Wind Power. Quelle: dpa
Division Power Generation ServicesHier wird das Service-Geschäft für die große installierte Basis von Siemens-Anlagen in der Energieerzeugung abgewickelt. Umsatz: Die Geschäftszahlen werden in den Divisionen Power& Gas und Windkraft und erneuerbare Energie aufgeführt. Chef der Division ist Randy Zwirn. Er leitet bisher die so genannte Division Energy Service, die damit umbenannt und ausgeweitet wurde. Quelle: REUTERS
Division Energy ManagementIn dieser Division gehen die bisherigen Divisionen Low and Medium Voltage und Smart Grid auf. Das Geschäft dreht sich rund um Lösungen und Produkte für die Stromübertragung und -verteilung sowie Technologien für intelligente Stromnetze.Umsatz 2013: zwölf Milliarden EuroDefiniert Zielmarge: sieben - zehn Prozent Die Führung übernehmen Ralf Christian und Jan Mrosik, die Leiter der aufgelösten Divisionen Low&Medium Voltage und Smart Grid. Quelle: dpa
Division Power TransmissionStromtransport, Schalttechnik und Transformatoren sowie Energieübertragungssysteme sind Kern der Einheit Power Transmission. Siemens ist unter anderem führend bei der Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ). Dieser Technologie kommt beim Netzumbau und der Integration von erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle zu. Umsatz: wird in der Division Energy Management ausgewiesen Die Leitung der Division übernimmt ebenfalls Jan Morsik. Der bisherige Chef der Division Karlheinz Springer muss seinen Sessel räumen. Er hatte den Posten im April 2012 übernommen. Morsik fielen wahrscheinlich die Probleme mit zwei Hochspannungsleitungen in Kanada auf die Füße. Neben höheren Baukosten vielen dort Vertragsstrafen wegen Verzögerungen an. Quelle: REUTERS
Division Building TechnologiesIn diesem Bereich bündelt Siemens integrierte Automatisierungslösungen und intelligente Technik für Gebäude.Umsatz 2013: 6 Milliarden EuroDefinierte Zielmarge: acht - elf Prozent Chef der Division ist und bleibt Johannes Milde. Quelle: dpa
Division MobilityHier bündelt Siemens die Zugtechnik und die Bahnautomatisierung. Sollte der Zusammenschluss mit Alstom zustande kommen, würde diese Sparte wohl an die Franzosen abgetreten werden. Umsatz 2013: 7 Milliarden Euro Definierte Ziel-Marge: sechs - neun ProzentChef der Division wird Jochen Eickholt, der heute die Division Rail Systems führt. Quelle: dpa

Was Sie für Amerika beschreiben, gilt mit Abstrichen auch für Asien. Besteht die Gefahr, dass Europa irgendwann bestenfalls noch ein Touristenziel und Museum für reiche Asiaten und Amerikaner ist?
Wenn wir nicht aufpassen, besteht die Gefahr in der Tat, dass wir zwischen den zwei wirtschaftlichen Machtblöcken China und Amerika am Ende ein nicht existierendes wirtschaftspolitisches Europa haben. Darüber müssen wir uns in Europa klar sein und handeln.

Wie?
Die Regierungen in Europa müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so setzen, dass Unternehmen sich ausreichend bewegen können, um innovativ und global wettbewerbsfähig zu sein. Das fängt bei einer sinnvollen Versorgung für eine alternde Bevölkerung an, geht bei Investitionen in die Infrastruktur weiter und hört bei einer vernünftigen Energiepolitik sicher noch nicht auf.

Nun gibt es ja auch in Asien nicht nur Licht, sondern auch Schatten. In China lässt die wirtschaftliche Dynamik nach. Steht das Land wirtschaftlich auf der Kippe?
Nein. China ist dabei, mithilfe von Reformen die Volkswirtschaft zu stärken. Das braucht aber Zeit, weil diese Reformen Restrukturierungen mit sich bringen, und die sind zum Teil schmerzhaft. Chinas Regierung hat das Land in den vergangenen Jahrzehnten mit gewaltigen öffentlichen Investitionen industrialisiert. Das ging lange gut. Inzwischen sind aber in traditionellen Industrien, die vor allem auf dem Land für Jobs gesorgt haben, große Überkapazitäten entstanden. Dazu gehören die Stahlindustrie, die Rohstoffförderung und auch die Zementindustrie. Die müssen jetzt modernisiert werden, was deutliche Auswirkungen auf Arbeitsplätze haben kann.

Sie sind jetzt seit mehr als 30 Jahren bei Siemens. Können Sie immer noch für Aufbruch stehen?
Ja, das kann ich. Denn mich treibt an, dieses Unternehmen der nächsten Generation in einem besseren Zustand zu übergeben. Dafür stehe ich gerne jeden Morgen auf.

Wie tankt ein Top-Vorstandschef auf? Wie werden Sie die Weihnachtstage verbringen?
Eigentlich bin ich immer vollgetankt. Ich freue mich aber jetzt darauf, den Gedanken mal wieder freien Lauf lassen zu können. Dazu ist sonst kaum Zeit. Sich einfach mal hinzusetzen, ein Buch zu lesen, etwas aufzuschreiben, so kommen Kreativität und Emotionalität zurück. Es macht Spaß, nicht so diszipliniert sein zu müssen und sich mal einfach treiben lassen zu dürfen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%