Stadtentwicklung Wie ein Architekt die Spree für Schwimmer öffnen will

Ob Thurn, Basel oder Zürich: In Schweizer Großstädten gehört das Baden im Fluss zum Alltag vieler Bürger. In Deutschland sind Flüsse dagegen Schiffen vorbehalten. Doch ein Architekt kämpft dafür, dass sich das ändert.

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Soll bald für alle möglich sein: Das Baden in der Spree an der Museumsinsel.

Düsseldorf Die Aare ist kein sanfter Fluss. Wer in Thun in der Schweiz auf einer der Brücken in der Altstadt steht oder auch im Flussbad, der kann es sehen: Die Strömung lässt das Wasser aufschäumen. Das Wasser wirkt türkisgrün und ist so kalt, dass die Haut prickelt, wenn es sie berührt. Wer sich doch überwindet und hier ins Wasser springt, der wird vom Strom davongetragen, umgeben von pittoresken Altbauten und majestätischen Bergen. Wer den Fluss lässt, der kann es erleben: Dieses unbändige Gefühl der Freiheit.

In der Schweiz gehört Baden in den Flüssen der Städte zur Kultur. Nicht nur in Thun wird das zelebriert, auch in Bern, Zürich oder Basel ist das Baden im Fluss bei Bürgern äußerst beliebt. Was die Schweiz vormacht, soll auch in Deutschland möglich werden. Dafür kämpft der Architekt Jan Eider gemeinsam mit seinem Bruder und einem Team.

Dabei ist Jan Eider gar nicht besonders schwimmbegeistert. Trotzdem findet er, dass die Kultur des Badens wichtig ist. Wichtig für seine Stadt Berlin, wichtig für alle Metropolen. Deshalb kämpft er für ein Flussbad in der Spree, direkt an der Museumsinsel. Denn als Architekt betrachtet er das Baden im Fluss auch unter dem Aspekt der Stadtentwicklung.

„Berlin in der Innenstadt rund um die Museumsinsel wird heute durch ein weitgehend homogenes Nutzungsgefüge geprägt“, sagt er. Die Stadt sei hier hübsch und gepflegt, aber es gäbe kaum noch Anziehungspunkte für Berliner. Dass Zentren verwaisen, könne man in vielen Innenstädten beobachten. „Doch Städte leben von ihrer Diversität“, sagt Edler. Von einem Flussbad in der Spree verspricht er sich, Berlins Innenstadt wieder neu zu beleben. „Eine Kontaktfläche für Touristen und Einheimische zu schaffen“, und so die Innenstadt durch eine neue authentische Nutzung anzureichern.

„Schifffahrt, Transport, Fischfang: Heute sind Flüsse in Deutschland unter Verwaltung der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dem Transport und der Schifffahrt vorbehalten“, sagt Edler. Auch das hält er in Zeiten, in denen auf Flüssen wie der Spree der Warentransport keine wesentliche Rolle mehr spielt und in denen große Städte in Deutschland immer weiterwachsen, für überholt. Das Flussbad würde auch einen Beitrag dazu leisten, die Wasserqualität und den ökologischen Zustand der Spree zu verbessern – wozu das Land Berlin nach EU-Vorgaben sowieso verpflichtet sei.


Die Idee gibt es schon seit 1997

Die Idee zu einem Flussbad in der Spree kam seinem Bruder Tim, ebenfalls Künstler und Architekt, und ihm schon 1997. Doch erst 2011, als die Brüder den Holcim-Preis für nachhaltige Stadtentwicklung gewannen, begann die Politik verstärktes Interesse zu zeigen. Die Begründung der Jury: Das Projekt stelle die einseitige Nutzung des Kanals zur Abwasser- und Hochwasserabfuhr infrage und schlage eine neue Verwendung vor. Das Flussbad würde nicht nur einen über 800 Meter langen Abschnitt der insgesamt circa 1,8 Kilometer langen Funktionsbrache als natürliches Schwimmgewässer erschließen, sondern den Kanal auf der gesamten Länge als Naherholungsraum für Bewohner und Besucher. „Das war der Wendepunkt“, sagt Edler.

2014 gründeten die Brüder zusammen mit 13 anderen Flussbad-Enthusiasten den gemeinnützigen Verein Flussbad Berlin, um das Projekt für Berlin auch zu einem Projekt der Bürger zu machen. Seitdem nimmt das Projekt immer weiter an Fahrt auf. „Mittlerweile ist es im Koalitionsvertrag der Stadt Berlin verankert, alle politischen Parteien im Abgeordnetenhaus unterstützen es“, sagt Jan Edler.

Flussbäder als Stadtentwicklung sind international ein Thema. Zum Beispiel in Chicago, New York oder Kopenhagen, wo es bereits ein Flussschwimmbad gibt. Auch in Deutschland interessieren sich vor allem Architekten und Stadtentwickler in Großstädten für das Thema, zum Beispiel in München. Dort soll die Isar wieder schwimmbar werden. Doch bisher gibt es in keiner deutschen Großstadt ein Flussbad.

Sabine Rabe ist Schwimmerin. Für sie bedeutet das Bad in der Elbe in Hamburg Freiheit und Gesundheit. Das Schwimmen in der Elbe ist nicht verboten, aber erlaubt ist es auch nicht. Wer wie sie in der Elbe schwimmt, verstößt gegen kein Gesetz. Doch die Stadt verweist darauf, dass es zu gefährlich ist, weil die Elbe eine internationale Binnenschifffahrtsstraße ist – so wie die meisten Flüsse in Deutschland. Sie gelten nicht der Naherholung oder Biotop, sondern der wirtschaftlichen Nutzung.

Rabe ist Landschaftsarchitektin und so sieht sie das Baden im Fluss wie Eider auch unter dem Aspekt der Stadtentwicklung. Zu Hamburg gehöre das Wasser ins Stadtbild, es sei doch natürlich, dass die Bürger einen Teil als Schwimmbad nutzen wollten. Sie hat noch eine andere Idee: „Warum machen wir nicht unsere Alster-Kanäle beschwimmbar?“, fragt sie.

Hamburg ist allerdings noch nicht so weit. Es gibt eine Machbarkeitsstudie der Stadt. Doch konkreter ist die Planung bisher nicht. Rabe hofft, dass der Effekt aus Berlin nach Hamburg überschwappt. Schwimmen im Alsterkanal, glaubt sie, würde auch einen Teil zur Bildung beitragen und die fast ausgestorbene Badekultur wiederbeleben.

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