Statistik über Behandlungsfehler Patienten wehren sich gegen Ärzte-Pfusch

In 14.600 Gutachten haben die Krankenkassen im vergangenen Jahr Pfusch-Vorwürfe gegen Ärzte untersucht. Nun wird deutlich: Die Patienten wehren sich häufiger gegen vermeintliche Behandlungsfehler - doch die Zahl der bestätigten Falschbehandlungen sank.

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Was tun im Streitfall?
Eine OP-Schwester greift nach dem OP-Besteck Quelle: dpa
Ein Röntgenbild einer Frau, bei der während der OP eine Schere in der Wunde vergessen wurde Quelle: AP
Viele Patienten sitzen in einem Wartezimmer Quelle: dpa
Die Versichertenkarten der deutschen Krankenkassen DAK, AOK, Barmer und Techniker Krankenkasse TK Quelle: dpa
Ein Mann beim Anwalt Quelle: gms
Die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts Quelle: dapd
Kalenderblätter Quelle: dpa

Das Dokument enthält Sprengstoff: Jedes Jahr veröffentlicht der Medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) seine Begutachtungsstatistik. Was nach Bürokratie und Verwaltung klingt, kann Aufschluss über die Sorgfalt von Deutschlands Ärzten geben.

Denn an den MDK wenden sich gesetzlich Krankenversicherte, wenn sie bei sich oder einem verstorbenen Angehörigen einen Behandlungsfehler im Krankenhaus oder bei einem niedergelassenen Arzt befürchten. Die Gutachter des MDK sollen dann klären, ob es tatsächlich zu einem echten Fehler kam oder ob ein schwieriger Behandlungsverlauf oder gar schicksalhafte Verstrickungen zu dem verschlechterten Zustand führten. Das kann sich über Jahre hinziehen.

Auch die Krankenkassen selbst haben ein Interesse daran, solche Fälle zu klären. Liegt ein Fehler vor, versuchen sie die Kosten der Behandlung ihres Patienten beim Arzt beziehungsweise seiner Haftpflichtversicherung einzuklagen.

2013 erstellte der MDK rund 14.600 solcher Gutachten - 17 Prozent mehr als noch 2012. Diese Versicherten konnten ihrer Krankenkasse zumindest schon plausibel darlegen, dass ihr Vorwurf an den Mediziner oder das Pflegepersonal berechtigt sein könnte.

Grund für den Anstieg bei den beantragten Gutachten müssen nicht mehr Behandlungsfehler sein, so Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes. "Das führen wir auf die Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre und die gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit, aber auch auf das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz zurück", so der Mediziner.

Die Zahl der bestätigten Fehler ist zugleich leicht zurückgegangen: Knapp 3700 Mal kamen die Gutachter des MDK zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler vorliegt. 2012 waren es noch 3900. Ob dies ein Trend oder eine zufällige Schwankung sei, bleibe abzuwarten, so Gronemeyer.

Tausende Tote durch Behandlungsfehler

Die am häufigsten falsch behandelten Krankheiten
Platz 10: Uterus myomatosusKnapp zwei Drittel aller Fehler, die von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer 2011 anerkannt wurden, ereigneten sich in Krankenhäusern. Auf Platz 10 der dort am häufigsten fehlbehandelten Krankheiten ist Uterus mymatosus. Dahinter verbergen sich Myome der Gebärmutter, die am häufigsten gutartigen Tumore bei Frauen. 21 Mal behandelten Krankenhaus-Ärzte diese Krankheit vergangenes Jahr falsch.Woran die zahlreichen Fehler in Krankenhäusern liegen, hat die WirtschaftsWoche bereits im April analysiert. Quelle: Fotolia
Platz 9: Gallenstein23 Mal wurden in Krankenhäusern vergangenes Jahr Gallensteine, also Cholelithiasis, falsch behandelt. Quelle: Fotolia
Platz 8: Oberflächliche VerletzungenWunden und Schrammen wurden 2011 in deutschen Krankenhäusern 26 mal falsch behandelt – womit sie auf Platz 8 landen. Bei Fehlbehandlungen in Arztpraxen erreichen oberflächliche Verletzungen Platz 10. Niedergelassene Ärzte behandelten sie nur zehn Mal falsch. Quelle: REUTERS
Platz 7: HandfrakturKnochenbrüche an der Hand behandelten Krankenhausärzte vergangenes Jahr 30 Mal falsch. Damit erreichen Handfrakturen Platz 7. Bei Fehlbehandlungen durch niedergelassene Ärzte erreichen Handfrakturen Platz 8. Sie behandelten diese Knochenbrüche 12 Mal falsch. Quelle: dapd
Platz 6: Schulter- und OberarmfrakturNur einmal mehr pfuschten Krankenhaus-Ärzte bei Brüchen an Schulter und Oberarm: Hier gab es 31 Fehlbehandlungen im Jahr 2011. Bei niedergelassenen Ärzten kommen Pfuschereien in diesem Bereich gar nicht in den Top 10 vor. Quelle: Fotolia
Platz 5: Unterschenkel- und SprunggelenkfrakturGanze 21 Mal häufiger wurden Brüche an Unterschenkel- und Sprunggelenken falsch therapiert. Hier gab es 2011 in deutschen Krankenhäusern 52 Fehlbehandlungen. In Praxen gab es bei Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen sogar mit 15 Fällen die zweithäufigsten Fehlbehandlungen. Quelle: dpa-tmn
Platz 4: OberschenkelfrakturMit 63 Pfuschereien in Krankenhäusern landen Oberschenkelfrakturen auf Platz 4. In niedergelassenen Praxen kommen Oberschenkelfrakturen nicht in den Top 10 der Fehlbehandlungen vor. Quelle: dpa

Auf jeden Fall aber verweist diese Zahl nur auf einen Bruchteil der echten Behandlungsfehler. So schätzte das Wissenschaftliche Institut der AOK eben erst, dass alleine rund 19.000 Klinikpatienten jährlich durch vermeidbare Behandlungsfehler sterben. Schon bessere Hygiene und die größere Spezialisierung von Kliniken könnten lebensrettende Abhilfe schaffen.

Aussagefähiger als die Zahl der Falschbehandlungen an der MDK-Veröffentlichung ist deshalb die Frage, bei welchen Fachrichtungen sich die Falschbehandlungen durch Ärzte häufen.

Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen Klinik und Praxis.

Knapp 70 Prozent, nämlich 10.183 der 14.585 Behandlungsfehlervorwürfe, richteten sich gegen Krankenhäuser, gut 30 Prozent gegen niedergelassene Ärzte. Wie in jedem Jahr häufen sich die Klagen rund um die chirurgischen Fächer Orthopädie/Unfallchirurgie und die Allgemeinchirurgie. Danach folgen Zahnmedizin und Gynäkologie.

Im Verhältnis zur Zahl der Vorwürfe werden die meisten Behandlungsfehler aber in der Pflege und in der Zahnmedizin bestätigt. Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität insgesamt oder auf besonders fehlerträchtige Facharztgruppen oder Behandlungen seien nicht möglich, so der MDK. Manche Experten bestreiten das.

Viele Behandlungsfehler wären vermeidbar, ist Gronemeyer überzeugt. "Wir müssen endlich dahin kommen, dass auch in Deutschland die längst bekannten Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit flächendeckend und konsequent umgesetzt werden."

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