Stellplatzmangel für Lkw "Die Parkplatzsituation ist eine Katastrophe"

In Deutschland gibt es zu wenige Lkw-Parkplätze. Das führt zu schlechten Arbeitsbedingungen für die Fahrer und zu günstigen Gelegenheiten für Diebesbanden. Frank Huster vom Verband DSLV erklärt, warum wir uns ein Beispiel an den Niederländen nehmen sollten.

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Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV), warnt: Wenn es nicht genügend Rastplätze gibt, können Lkw-Fahrer auch ihre Ruhepausen nur schwer einhalten.

Herr Huster, in Deutschland herrscht Parkplatzmangel für Lastwagen. Wozu führt das?

Die Parkplatzsituation ist eine Katastrophe. Es gibt viel zu wenige Parkplätze für Lkw, was auch daran liegt, dass der Straßengüterverkehr kontinuierlich wächst um bis zu 20 Prozent jährlich. Deutschland ist zudem ein Transitland mit einem wachsenden Anteil ausländischer Lkw  Alle  Fahrer müssen ihre gesetzlich vorgeschriebene Lenk- und Ruhezeiten einhalten  dafür müssen sie anhalten und parken. Und das können sie teilweise nicht, weil einfach keine Parkplätze da sind.

Und was machen die Fahrer dann?

Vorausschauend fahren. Wenn ein Fahrer weiß, dass er in den nächsten zwei Stunden eine Pause einzulegen hat, muss er sich schon Gedanken machen, wo die nächsten Parkplätze sind. Aber er steht natürlich auch unter Druck, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Maximum an Strecke zurückzulegen.

Und wenn alle Parkplätze an der Strecke überfüllt sind?

Dann muss er notgedrungen die Autobahn verlassen. Es ist ja nicht so, dass abseits der Autobahn nicht geparkt werden darf, es ist nur mit Umwegen verbunden und möglicherweise mit zusätzlichen Belastungen für Kommunen Das größte Problem entsteht aber für den Fahrer, denn abseits der Autohöfe und Raststätten an Autobahnen fehlt die Versorgungsinfrastruktur mit Waschräumen oder sanitären Anlagen.

Gibt es diese Infrastruktur denn überhaupt auf den Autobahn-Parkplätzen genügend? Wie gut und sicher sind deutsche Parkplätze?

Da muss man unterscheiden zwischen den Raststätten und Autohöfen mit Gastronomie Und  Parkplätzen, wo auch nur mit Glück eine Toilette vorhanden ist. Auf solchen Parkplätzen ist man natürlich leichter kriminellen Übergriffen ausgesetzt als auf Raststätten, die ausgeleuchtet sind und wo viel Bewegung ist. Je schlechter die Ausstattung ist, umso mehr sind die Fahrer auf sich alleine gestellt.

Kriminelle Übergriffe? Kommt das so häufig vor?

Leider ist das nicht so selten. Das vordringlichste Sicherheitsproblem, unter dem die Logistik und ihre Mitarbeiter leidet, ist Frachtdiebstahl durch  organisierte Banden, die gezielt nach hochwertiger Ladung suchen und diese auch finden. Oft verfügen diese Banden bereits über Insider-Informationen über die Ladung und können den Lkw dann gezielt verfolgen, ihm auflauern, und im schwächsten Moment – auf dem Parkplatz – zuschlagen, um  das Fahrzeug auszurauben.

"Wir brauchen mehr Polizeipräsenz"

Und wie kann dieser Frachtdiebstahl verhindert werden? Was muss geschehen, um die Fahrer zu schützen?

Gelegenheit macht natürlich auch hier Diebe, Leichtsinn und Fahrlässigkeit kann durch gezieltes Awarenesstraining ausgeschlossen werden. Fahrzeugführer müssen auch bei sehr kurzen Stopps die technischen Sicherheitsvorkehrungen ihrer Fahrzeuge aktivieren. Am besten steht der Lkw  an einer ausgeleuchteten Stelle stehen. Aber wenn Fahrer im Lkw übernachten, ist das womöglich nicht angenehm. Gegen entschlossene organisierte und bewaffnete Banden hat der Fahrer wenig entgegenzusetzen. Es gilt immer das Prinzip des Eigenschutzes. Die Gesetzgebung hat jetzt aber die  Möglichkeiten für eine gezielte Videoüberwachung öffentlichen Parkraums eröffnet.

Und mit Videoüberwachung lassen sich die Banden aufhalten?

In Holland gibt es ein Projekt, bei dem eine zentrale Leitstelle die Parkplätze an zwei Autobahnen überwacht. Und wenn dort ein Auto ein Parkplatz nach dem anderen anfährt, erscheint das natürlich schon verdächtig. Die zentrale Stelle kann dann ein polizeiliches Interventionsteam losschicken.

Tut die Politik genug, um Frachtdiebstähle zu verhindern?

Es geht um Polizeipräsenz, sowohl auf der präventiven wie auf der repressiven Ebene. Der Politik  fehlt hierfür das Bewusstsein. Frachtdiebstahl existiert  in den Statistiken nicht als eigenständiges  Kriminalitätsphänomen. Die Fälle verschwinden in der allgemeinen Diebstahl- oder Einbruchstatistik. Verschwindet der ganze Lkw, ist es Fahrzeugdiebstahl. Aber es gibt keine Statistiken, die das Problem spezifizieren, um hieraus Handlungen abzuleiten. Das muss sich ändern.

Auch Terroristen haben es mittlerweile auf Lkw-Fahrer abgesehen. Anis Amri, der Attentäter aus Berlin, hat an einer Straße, wo der Lkw parken musste, den Fahrer überwältigt und das Fahrzeug gestohlen. Müssen wir mit solchen Vorfällen öfter rechnen? Helfen dagegen mehr Parkplätze und Polizisten?

Diese Form des Terrorismus will mit Alltagsgegenstände wie einem Lkw die Zivilbevölkerung treffen. Ich fürchte, das wird sich nicht völlig verhindern lassen. Selbst wenn Lkws wie auch immer mehr überwachen würden,  könnten Anschläge wie diese mit alternativ mit Bussen oder selbst mit Pkw durchgeführt werden Es spricht alles dafür, dass man möglichst die Gelegenheit verhindert. Aber völlige Sicherheit gibt es nicht. Sie können theoretisch an jeder roten Ampel einen Lkw mit Waffengewalt entführen.  Das ist so wahrscheinlich wie ein Anschlag in einer U-Bahn. Ich fahre weiter U-Bahn.

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