Dass nicht alles, was aus der Perspektive der Küchenkritiker Lob findet, bei den Gästen ganz vorne liegt, weiß auch Markus Oberhäußer, Chef des Gourmetführers Gusto. Dessen besonderer Service: Interessierte Restaurants können sich für 199 Euro plus Mehrwertsteuer einen Test bestellen. Ausgang ungewiss, wie Oberhäußer versichert. Dieses Jahr überrascht der Führer damit, in die allerhöchste Wertung 10+ neben bekannten Küchenchefs wie Joachim Wissler vom Vendôme in Bensberg und Christian Bau in Perl auch den Leipziger Koch Peter Maria Schnurr vom Restaurant Falco und Dirk Luther von der Meierei in Glücksburg aufzunehmen. Diese vier stehen in den Augen des Gusto damit noch über den seit Jahren in allen Führern vorne liegenden Köchen wie Harald Wohlfahrt oder Klaus Erfort. „Die Spitze eint die Weiterentwicklung“, sagt Oberhäußer, der sich nicht nur auf den Geschmack verlässt, sondern glaubt, Küchenleistungen mit objektiven Kriterien bewerten zu können. „Die Kontraste der Aromen sind noch intensiver bei den allerbesten Küchen“, findet der Gusto-Chef. Aber „ob das nach unseren Kriterien und Vergleichswerten höher zu Bewertende auch in den Augen unserer Leserinnen und Leser immer das Bessere und Richtige ist, steht freilich auf einem ganz anderen Blatt“, schreibt Oberhäußer in seinem Vorwort.
Trends auch mal ignorieren
In den Betrieben der A-Rosa-Gruppe haben die Gäste schon entschieden. Allzu große Förmlichkeit und stille Andacht vor den Tellern ist nichts, was Urlaubsgäste in die Hotels locken würde. Statt Haute Cuisine mit gestärktem Tischtuch soll die Unterhaltung zwischen den Gästen im Mittelpunkt steht. Wie zum Beispiel im Buddenbrooks im A-Rosa Travemünde, das mit „Seiger’s Esszimmer“ eine Besonderheit bietet: Hier können Gäste mit Halbpension an einer langen Tafel gemeinsam ein Drei-Gang-Menü ordern. Dass das Restaurant in der Ausgabe 2015 des Guide Michelin nach dem Weggang von Küchenchef Christian Scharrer statt zwei nur noch einen Michelinstern hat, stört Rahe nicht.
Deutsche Restaurants mit drei Michelin-Sternen
Bareiss im Hotel Bareiss in Baiersbronn / Claus-Peter Lumpp
Schwarzwaldstube in der Traube-Tonbach, Baiersbronn / Harald Wohlfahrt
Vendôme in Bergisch-Gladbach/ Joachim Wissler
La Belle Epoque in Lübeck / Kevin Fehling
Amador in Mannheim /Juan Amador
La Vie in Osnabrück / Thomas Bühner
Victor’s Gourmet Restaurant Schloss Berg in Perl / Christian Bau
Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern / Christian Jürgens
Gästehaus Klaus Erfort in Saarbrücken
Waldhotel Sonnora in Wittlich/Dreis / Helmut Thieltges
Aqua in Wolfsburg / Sven Elverfeld
„Es gibt Konzepte und Standorte, da funktioniert Gourmetküche einfach nicht“, räumt Ralf Flinkenflügel, Chefredakteur des Guide Michelin, ein. Dass dies mit übertriebenem Innovationsdruck zu tun habe, streitet Flinkenflügel ab: „Wenn Köche nicht neue Dinge ausprobieren würden, wo wäre die Küche denn heute? Allerdings: Jedem Trend hinterherzulaufen halte ich auch nicht für richtig.“
In den Augen seiner Kollegin Patricia Bröhm sind das zurzeit Trendprodukte wie Rüben, Popcorn oder Stabmuscheln. Oder der Ansatz, auf regionale Produkte zu setzen, ein weltumspannender Trend, für den vor allem René Redzepi vom Restaurant Noma in Kopenhagen steht, dem laut Ranking eines britischen Gourmetmagazins besten Restaurant der Welt. „Heute sind landauf, landab kleine Redzepis am Werk, die darin wetteifern, die ausgefallensten Produkte aus Feld, Wald und Wiesen auf die Teller zu zwingen“, schreibt Bröhm im Vorwort des Gault Millau.
Den Testern scheint ihr bisweilen vielleicht nur missverstandener Ruf nach Innovation inzwischen selber nicht geheuer. „Ein guter Koch muss nicht zwingend ein großer Kreativer sein (davon gibt es in jeder Küchengeneration nur sehr wenige)“, schreibt Bröhm. Auch ihr Kollege, Gusto-Chef Oberhäußer, warnt die Leser: Alles, was hoch bewertet sei, markiere zwar die Spitze der Küchenkunst, sei aber nicht zwingend das, was die Tester in ihrer Freizeit selber essen wollten: „Selbst für uns müssen Köche, die wir aus professioneller Kritiker-Sicht höher bewerten, noch lange nicht dieselben sein, die wir unter ganz persönlichen, subjektiven Gesichtspunkten jederzeit vorziehen würden.“ Für Sebastian Zier vom La Mer kommt die Erkenntnis, dass großes Lob nicht immer eine Empfehlung ist, zu spät.