Temel Kotil will hoch hinaus Turkish Airlines will beste und größte Fluglinie werden

Der Chef von Turkish Airlines will hoch hinaus. Er hält die Probleme in seiner Heimat für überbewertet und will Turkish Airlines zu Europas bester und größter Fluggesellschaft machen.

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Turkish Airlines-Chef Temel Kotil Quelle: rtr

WirtschaftsWoche: Herr Kotil, die Türkei war lange eines der wirtschaftlich stärksten Länder Europas. Nun sorgen Proteste für negative Schlagzeilen, das Wirtschaftswachstum sinkt, die Zinsen steigen, und der Wechselkurs der Lira gibt nach. Ist die Party vorbei?

Nein. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass unsere Wirtschaft bald zu den alten Wachstumsraten zurückkehrt. Unsere Unternehmen werden noch wettbewerbsfähiger sein. Dazu hilft ein schwächerer Wechselkurs natürlich beim Export.

Proteste und schlechte Wirtschaftsdaten bereiten Ihnen keine Sorgen?

Die Proteste werden im Ausland anders wahrgenommen, als sie tatsächlich sind. So tragisch manche Vorfälle während der Demonstrationen auch waren: Die Türkei wächst nach zehn Jahren Boom stärker als fast alle anderen Länder in Europa, auch wenn wir uns dem Abwärtstrend der Weltwirtschaft nicht entziehen können.

Die größten Fluggesellschaften der Welt

Leidet auch Ihr Unternehmen?

(Zückt eine interne Präsentation). Wir werden statt 30 Prozent im Vorjahr wohl nur noch um 28 Prozent wachsen (lacht). Dabei schaffen wir wahrscheinlich erneut einen Rekordgewinn und zählen beim operativen Gewinn wohl wieder zu den fünf, sechs besten Fluglinien der Welt, obwohl wir beim Umsatz nicht zu den 15 größten gehören.

Viele Ihrer Landsleute befürchten, die Türkei und Turkish Airlines könnten deutlich islamischer werden und sich damit von der Bevölkerung und einem großen Teil der Kunden entfremden.

Das sehe ich nicht. Natürlich prägen die türkischen Traditionen auch uns. Aber so etwas wie einen islamischen oder westlichen Service gibt es nicht, nur guten und weniger guten. Deshalb kann Turkish Airlines im Zeitalter der zunehmenden Globalisierung nur Erfolg haben, wenn wir uns allen Kulturen öffnen und einen für alle Menschen guten Service anbieten.

Passagieraufkommen von Turkish Airlines Quelle: IATA, Turkish Airlines

Wie stark wollen Sie damit wachsen?

Wir fliegen heute in 193 Städte in 103 Ländern. Bis Ende 2014 sollen mindestens 25 Städte und neun Länder dazukommen. Bis 2017 wollen wir unsere Passagierzahl auf mindestens 100 Millionen Passagiere verdoppeln. 2023 wollen wir mehr als 120 Millionen Passagiere haben, den Umsatz auf 24 Milliarden Dollar verdreifachen und die Flotte auf gut 450 Flugzeuge verdoppeln.

Wenn Sie so weitermachen wie bisher, sind Sie spätestens 2019 mit 150 Millionen Passagieren Europas größte Fluglinie.

Ich habe ihnen die offiziellen Ziele genannt, die wir hoffentlich sogar übertreffen. Aber wir wollen nicht übermütig werden, denn wir haben gelernt, dass immer etwas dazwischenkommen kann.

Schwankungen im Service durch starken Wachstum

Heute sind Ihre Schulden inklusive der Belastung durch Flugzeugfinanzierungen höher als Ihr Eigenkapital. Und Sie müssen noch 252 neue Flugzeuge bezahlen. Können Sie sich das Wachstum leisten?

Wir haben genug flüssige Mittel. Unsere Marge vor Zinsen und Abschreibungen liegt bei rund 20 Prozent. Und die Flugzeuge sind ein guter Gegenwert für die nötigen Finanzierungen. Aber wichtiger als Größe ist uns, Europas beliebteste Fluglinie zu sein und den höchsten Komfort, die besten Mitarbeiter, die besten Lounges und die bequemsten Sitze zu bieten.

Umsatz und Betriebsgewinn von Turkish Airlines Quelle: Turkish Airlines

Das scheint im Alltag oft schiefzugehen. In Europa hat Ihr Hauptflughafen Istanbul-Atatürk die meisten Verspätungen.

Das tut uns weh. (Holt einen Tablet-Computer.) Aber sehen Sie, wir arbeiten daran und werden wieder pünktlicher.

Der Atatürk-Flughafen platzt jetzt schon aus allen Nähten, und Sie wollen weiter um 20 Prozent pro Jahr wachsen?

Wir bauen ein zweites Netz auf Istanbuls zweitem Airport Sabiha Gökçen – so lange, bis wir dann ab 2018 auf den neuen dritten Flughafen ziehen mit bis zu sechs Startbahnen und einer Kapazität von 150 Millionen Passagieren. Das ist sicher nicht so effizient, wie wir es gerne hätten. Aber es ist die einzige Möglichkeit.

In Verbraucherportalen wächst die Kritik, dass die Qualität Ihres Bordservice schwankt. Beschwerden würden nur schleppend bearbeitet, auf Entschädigungen warten Ihre Kunden oft vergebens. Wie wollen Sie da Europas beliebteste Airline werden?

Wir sind zwar in diesem Bereich nicht schlechter als andere Fluglinien. Doch wer so stark wächst wie wir, hat leider schon mal Schwankungen im Service. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, auch da zu den Besten zu gehören.

Ihr Wachstum erinnert an Fluglinien vom Persischen Golf wie Emirates oder Etihad. Wie wollen Sie gegen die bestehen?

Wir messen uns nicht mit denen. Wir erreichen 40 Prozent der Flugpassagiere weltweit mit 150-sitzigen Maschinen und können so kleinere Städte mit knapp 100 Kunden pro Tag anfliegen, wo die anderen erst bei der doppelten Kundenzahl Geld verdienen. Darum waren wir die erste ausländische Linie in Somalia, im Irak oder auch in Friedrichshafen. Heute bieten wir zwischen Europa und Afrika fast 3200 mögliche Strecken. Dank der guten Lage von Istanbul sind mit wenigen Ausnahmen wie den Strecken zwischen China und Afrika die Kunden mit uns schneller am Ziel, als wenn sie am Golf umsteigen.

Sie fliegen aber weniger Ziele in Indien und China an als etwa Emirates.

Weil uns diese Länder nicht mehr Landerechte geben. Sobald wir die haben, ziehen wir nach. Dafür haben wir bereits jede Menge Langstreckenflugzeuge bestellt, und es ist ein Naturgesetz, dass wir bald weitere große Flugzeuge bestellen.

Auch den Airbus A380?

Der ist für unser Geschäftsmodell einfach zu groß. Unsere Kunden wollen lieber, dass wir eine Strecke öfter fliegen, als ein größeres Flugzeug zu nutzen. Und wir auch, weil wir dadurch schneller wachsen können.

Mit Ihrer Wachstumsstrategie jagen Sie auch Ihren Partnern in der Star Alliance Passagiere ab. Haben Sie keine Angst, dass die Sie irgendwann ausschließen?

Davon habe ich noch nichts gehört. Aber kein Passagier gehört einer Fluglinie. Bei weltweit mehr als einer Milliarde Fluggästen im Jahr ist der Kuchen doch groß genug für alle. Zudem profitieren unsere Freunde in der Allianz von uns. Wir führen ihnen viele Passagiere zu, die sonst keinen Kontakt zu Star hätten.

Keine Angst vor Billigfliegern

Was ist denn dran an den Gerüchten einer engeren Kooperation oder gar eines Joint Ventures mit Lufthansa?

Derzeit nichts. Solche Verbünde gibt es eher, wenn das Wachstum nachlässt. Doch wir legen weiter kräftig zu, und damit sind wir mehr als ausgelastet. Aber das kann sich in ein paar Jahren ändern.

Vielleicht, wenn auch in Ihrer Heimat die Billigflieger ihren Siegeszug starten?

Wir haben bereits viele Billigflieger in der Türkei. Aber auch vor denen haben wir keine Angst. Einige bieten ihre Tickets zunächst manchmal billiger an als wir. Doch inklusive Gepäck oder Catering sind wir am Ende in der Regel günstiger.

Das haben Lufthansa oder Air France auch lange gesagt und mussten trotzdem irgendwann kapitulieren.

Weil sie nicht so niedrige Kosten hatten wie wir. Gleichzeitig bieten wir mehr Platz als diese Konkurrenten, ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm inklusive bald einem persönlichen Bildschirm auch auf der Kurzstrecke und besseren Service.

Das sorgt aber für höhere Kosten, und Sie müssen die Preise erhöhen.

Wir reden hier von etwa fünf Prozent. Doch unsere Kunden sagen uns, wir sind den Aufpreis mehr als wert, denn bei uns fühlen sie sich wohler als anderswo. Dass wir in der Businessclass statt Tiefkühlkost und kleinen Portionen ein frisches vollständiges Menü servieren, kostet uns nur einen Euro pro Essen mehr, aber unsere Passagiere fühlen sich wirklich wie Gäste. Dazu verzichten wir auch auf lukrative Duty-free-Verkäufe an Bord. Wir wollen nicht, dass die Besatzung Geld anfasst oder von ihrer Hauptaufgabe abgelenkt wird, für die Passagiere da zu sein.

Kommt das bei den Kunden wirklich so gut an? Ihre Businessclass ist auch nicht voller als bei anderen Fluglinien.

Sechs Premium-Kunden pro Flug sind genug für eine bescheidene Fluglinie wie uns (lacht). Denn wir verdienen auch in der Economyclass ordentlich Geld.

Etliche Ihrer Wettbewerber, wie etwa Lufthansa, führen gerade eine Klasse zwischen Business und Economy ein. Sie haben Ihre Premium Economy wieder abgeschafft. Offenbar lief das Angebot nicht besonders gut.

Das täuscht. Wir haben da viel Geld verdient. Doch wir hatten zu wenig Platz für die Businessclass. Darum nutzen wir den Platz der Premium Economy nun für die Businessclass.

Etihad investiert statt in Allianzen lieber in andere Fluglinien. Was wurde aus Ihren Plänen, sich bei Lot aus Polen oder JAT aus Serbien einzukaufen?

Das haben wir uns angesehen, als wir dachten, wir könnten nicht so schnell wachsen, wie es uns sinnvoll erschien. Aber am Ende hätte uns das nur abgelenkt, besonders wenn wir einen Sanierungsfall übernommen hätten.

Sie sind jetzt etwa acht Jahre im Amt und stehen der türkischen Regierung nahe. Was ist dran am Gerücht, Sie würden im kommenden Jahr Verkehrsminister?

Es stehen doch gerade keine Wahlen an (lacht). Aber im Ernst. Für mich ist Turkish Airlines wie ein Kind, das jeden Tag aufwacht und sagt: Heute werde ich wieder ein bisschen besser. Und auf diesem Weg will ich die Fluglinie ebenso begleiten wie meine vier richtigen Kinder.

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