Tempolimit für ICE Bremst die Bahn Deutschland aus?

Bahn-Chef Rüdiger Grube setzt für das Höchsttempo auf der deutschen Schiene künftig ein Limit von 250 Kilometer pro Stunde - und riskiert damit, dass Deutschland im Hochgeschwindigkeitsgeschäft abgehängt wird.

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Computergrafik eines ICx Quelle: Deutsche Bahn/DB Systel GmbH/Siemens AG/dapd

So sollen daher auch die bis zu 220 ICx-Züge, die die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr bei Siemens für rund sechs Milliarden Euro orderte, auf maximal 249 Stundenkilometer ausgelegt sein. Die neuen Prestigeobjekte ergänzen die Fernverkehrsflotte der Deutschen Bahn ab 2016.

Doch die Entscheidung des obersten Bahners könnte unangenehme Folgen für den praktischen Bahnbetrieb und die Hersteller haben. Darauf weisen Kritiker der  neuen Marschroute hin. Sie sehen den Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) in Deutschland gefährdet. Das Land werde von anderen Ländern zudem abgehängt.

So schreibt Sven Andersen, bis 2001 Manager der Deutschen Bahn und ausgewiesener Bahnexperte, in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift "ZEVrail - Zeitschrift für das gesamte System Bahn", dass die neuen ICx-Züge "das Potenzial der Strecken nicht ausschöpfen und nur einen eingeschränkten Beitrag zur Erreichung marktfähiger Durchschnittsgeschwindigkeiten leisten" würden. Der ICx werde den Fernverkehr nicht wirklich voran bringen.

Die Argumente:

1. ICx erlaubt keinen Hochgeschwindigkeitsverkehr

Nach Maßgabe des Internationalen Eisenbahnverbandes UIC beginnt der HGV-Verkehr ab einer Geschwindigkeit von 250 Stundenkilometer. Zahlreiche Strecken in Deutschland lassen ein Tempo von mehr als 250 Stundenkilometer zu. Doch der ICx kann dann diese Möglichkeiten nicht nutzen. Richtig ist zwar auch, dass die Deutsche Bahn weiterhin mit ihren 63 ICE3-Züge bis zu 330 Stundenkilometer fahren kann. Doch der ICx soll auch den ICE 1 und 2 ersetzen, die bis zu 280 Stundenkilometer schnell fahren können. Der ICx ist dann zumindest in der Theorie kein lupenreiner HGV-Zug mehr.

Die Pannen am Willy-Brandt-Flughafen nehmen skurrile Ausmaße an. Die Bahn muss leere Züge durch Tunnel sausen lassen - sonst könnte sich Schimmel bilden.

2. ICx wird faktisch nur 240 Stundenkilometer fahren

Die Grenze von 249 Stundenkilometer hat wichtige betriebliche Auswirkungen. Grund: Ab einem Tempo von 250 Stundenkilometer gelten andere technische Kriterien, so dass die Einhaltung der Geschwindigkeitsstufe von 249 Stundenkilometer beim ICx unbedingt überwacht werden muss. Um sicher zu gehen, dass der Zug nicht unerwartet tatsächlich schneller als 249 fährt, "ist davon auszugehen, dass die Zulassungsbehörde eine Höchstgeschwindigkeit von z.B. 240 km/h für den praktischen Betrieb vorschreiben wird", schreibt Andersen.

3. ICx ist für den HGV zu schwer

International haben sich die führenden Eisenbahnnationen mit Hochgeschwindigkeitsverkehr auf eine klare Linie geeinigt. Je leichter die Züge, desto geeigneter sind sie für den HGV, lautet ihr Credo. Als Kriterium gilt dafür das Gewicht, das auf den Rädern lastet. So kommt der japanische Shinkansen auf eine Radsatzlast von etwas mehr als elf Tonnen. Der aktuelle ICE 3 der Deutschen Bahn trägt rund 14 Tonnen auf seinen Radsätzen. Der neue ICx soll laut Andersen auf eine Radsatzlast von fast 18 Tonnen kommen. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Einzelwagen verlängert wurden, um mehr Sitzplätze zu integrieren. Die negative Folge: Das hohe Achsgewicht geht eindeutig zu Lasten der Schiene. Andersen macht folgende interessante Rechnung auf: "Wäre das Trassenpreissystem z.B. insbesondere am zugfahrtbedingten Verschleiß und der Fahrwegbeanspruchung orientiert, könnte man für einen ICx gegenüber einem ICE3 den fast dreifach höheren Trassenpreis für eine 250 km/h schnelle Strecke ansetzen".

4. ICx ist für andere Länder ungeeignet

Der neue Schnellzug der Deutschen Bahn gilt auf Grund seiner Spezifikationen für den internationalen Bahnverkehr als unflexibel. Das Nachbarland Frankreich ist Vorreiter in Sachen HGV und schreibt für den HGV-Verkehr eine Radsatzlast von weniger als 17 Tonnen vor. Das Fazit von Andersen: "Die dort heute gegebenen Bedingungen zum HG-Verkehr (...) lassen es völlig illusorisch erscheinen, dass der ICx dort je verkehren wird". Einsätze in Österreich, Schweiz und Niederlande würden "nicht auf HGV-Infrastruktur" stattfinden. Andersens Fazit: "Der ICx wird voraussichtlich immer ein nationales 'sogenanntes' HGV-Triebfahrzeug bleiben."

Leidtragende könnten damit auch die Hersteller sein, die den ICx herstellen. Siemens wird Generalunternehmer, Bombardier sein Zulieferer. Beide Konzerne erhoffen sich auch einen Exporterfolg für den neuen ICx. Doch in Eisenbahnländern mit Hochgeschwindigkeitsverkehr könnte es der ICx schwer haben, sich als neue Nummer eins zu positionieren.

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