Thomas Bellut So tickt der neue ZDF-Intendant

Thomas Bellut entert den Chefsessel beim ZDF. Er muss „das Zweite“ verjüngen und in die digitale TV-Zukunft führen.

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Der scheidende ZDF-Intendant Markus Schächter und sein Nachfolger Thomas Bellut. Quelle: dpa

Ein Neuling ist Thomas Bellut nicht, wenn ab heute "Intendant" statt "Programmdirektor" an seiner Tür im 14. Stock des ZDF-Verwaltungshochhauses am Mainzer Lerchenberg steht. Der 57-Jährige fing 1984 beim ZDF als Volontär an. Vom Stift zum Chef – darin ähnelt er RTL-Chefin Anke Schäferkordt, die als Trainee zu Bertelsmann kam und dort bald in den Vorstand aufsteigt.

Doch damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten. Denn Bellut ist vor allem Politik-Journalist, einer von wenigen auf dem Chefsessel eines TV-Senders. Das ZDF mit seinem Umsatz von zwei Milliarden Euro ist ein Dickschiff. Der größte Batzen stammt mit mehr als 1,7 Milliarden Euro aus Gebühren, die 2013 auf eine Haushaltsabgabe umgestellt werden und nach dem Willen der Politik nicht weiter steigen sollen.

Heißt für Bellut: Das ZDF muss sparen. Auf der Strecke bleiben könnten zwei seiner drei Digitalkanäle. Den Privatsendern würde das gefallen. Deren Verbandspräsident Jürgen Doetz wünscht sich sibyllinisch, das ZDF möge sich unter Bellut seiner "Stärken in Information und Kultur bewusst bleiben" und diese "nicht immer mehr mit der Quote verwässern".

Ziele & Visionen

Roche und Böhmermann: Neue ZDFkultur-Moderatoren Quelle: dpa

Als Thomas Bellut im vergangenen Sommer in Köln noch als Programmchef Neues über den Digitalkanal ZDFneo erzählen wollte, rückte er auch mit einer Neuerung für das Hauptprogramm heraus: Wohl noch 2012 soll das Publikum über neue Sendungen mit abstimmen dürfen. Ausprobiert haben die Mainzer das TV-Plebiszit bereits bei ZDFNeo im sogenannten TVLab.

Zehn neue Sendungen stellten sie im vergangenen August innerhalb einer Woche vor, im Internet durften die Zuschauer anschließend ihre Favoriten küren. Es siegte eine Comedy namens "Teddy’s Show". Bellut will Vergleichbares künftig auch im Zweiten einführen, etwa für den Sendeplatz um 19.25 Uhr.

Netz und TV

Bellut, der bereits die erfolgreiche Satire-Sendung „Heute Show“ mit Moderator Oliver Welke ins Programm hievte, will durch neue Formate und Verknüpfungen mit neuen Medien das gern als "Kukident-Sender" verspottete ZDF verjüngen, das im Schnitt vor allem die über 60-Jährigen anzieht. "Mein Ziel ist", sagt Bellut, "dass das ZDF keine jungen Zuschauer mehr verliert."

Vorlieben

In die Boote: Bellut ist Mitglied im Ruder-Verein Quelle: Pressebild

Die Sache mit der Wurst fand Bellut nicht wirklich lustig. Auf dem Rückflug von Istanbul raunte ihm seine Frau, die ZDF-Moderatorin und Krimiautorin Hülya Özkan, zu: "Hoffentlich gibt es keinen Ärger mit dem Mumbar." – "Mit dem was?" Mumbar sind mit Hackfleisch und Kräutern gefüllte Lammdärme, ihre Einfuhr nach Deutschland ist verboten. Die Schwiegermama hatte sie ins Handgepäck geschmuggelt.

Nach Feierabend aufs Wasser

"Das ist illegal", zischte Bellut im Flieger, fürchtete bei der Ankunft in Frankfurt Ärger und verteilte die heiße Ware an Mitreisende. Die freuten sich, und Özkan sagte später: "Solche Sachen sind für ihn zu abenteuerlich." Der neue Intendant mag es lieber ruhig. Er läuft regelmäßig und fährt Rad. Zudem zieht es ihn aufs Wasser: Im vergangenen Sommer schloss er sich dem Mainzer Ruder-Verein an.

Vorbilder

Altbundeskanzler Helmut Kohl Quelle: dpa

Wo andere mit Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi, John F. Kennedy oder dem Dalai Lama Punkte machen wollen, herrscht bei Thomas Bellut Schweigen. Auf seine Vorbilder angesprochen, heißt es beim Niedersachsen wortkarg: „Keine.“ Immerhin als einer seiner Förderer gelten darf der frühere ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser.

Kohl-Scoop

Während dessen Amtszeit zwischen 1988 und 2000 stieg Thomas Bellut zum Redaktionsleiter auf. Mit Bresser zusammen gelang ihm Ende 1999 auch ein Interview-Scoop: Darin gab Altkanzler Helmut Kohl zu, mehr als zwei Millionen Euro an der Parteikasse vorbeigeleitet zu haben. Nach Karl Holzamer, Karl Günther von Hase, Dieter Stolte und Markus Schächter ist Bellut erst der fünfte ZDF-Spitzenmann in 50 Jahren Sendergeschichte.

Stärken & Schwächen

Unfall bei

Dass der neue ZDF-Chef schnell und richtig auf ungewohnte Situationen reagieren kann, zeigte er im Dezember 2010. Bei der Show "Wetten, dass...?" war ein junger Wettkandidat gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Programmchef Bellut brach die Sendung ab. Gegenüber Vorgänger Schächter, der oft hölzern daherkam, punktet Bellut damit, schon vor laufender Kamera Dutzende Interviews geführt zu haben.

Erfahrung vor der Kamera

Ob er indes ähnlich geschmeidig wie Schächter in den noch immer stark von den Parteien dominierten ZDF-Gremien agiert, muss sich noch zeigen. In jedem Falle kann sich der ehrgeizige Bellut zugutehalten, als einziger Senderchef in Deutschland sowohl Informations- als auch Unterhaltungsbereiche verantwortet zu haben.

Freunde & Gegner

Gegnerin Piel. Quelle: dapd

Bellut hat offenbar viele Freunde im ZDF-Fernsehrat: Von 73 anwesenden Mitgliedern des Kontrollgremiums stimmten 70 bei der Intendantenwahl für den gebürtigen Osnabrücker. Verhältnisse wie in Nordkorea, spotteten Beobachter.

Im Clinch

Tatsächlich wollte sich nach dem unwürdigen Gezerre bei der Wahl von Bellut-Vorgänger Markus Schächter, der 2002 erst im dritten Wahlgang durchkam, kein Ratsmitglied erneut ein solch deprimierendes Schauspiel antun. Mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey wird Bellut gut zusammenarbeiten, die beiden schätzen einander, sagen ZDF-Kenner.

Die größten Konflikte warten außerhalb des ZDF: Mit der ARD-Vorsitzenden Monika Piel liegt das Zweite im Clinch, zuletzt wegen der Entscheidung der Mainzer, nach 30 Jahren Kooperation vormittags wieder eine eigene Nachrichtensendung zu produzieren. Auch mit der privaten Konkurrenz legt sich Bellut an: Das ZDF kaufte Sat.1 die Fußball-Champions-League vor der Nase weg. Und den TV-Marktführer kritisierte er offen: "RTL transportiert ein fragwürdiges Menschenbild."

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