Thorsten Dirks Telefónica-Chef will gezielt Nutzerdaten verkaufen

Seite 2/2

In Echtzeit Zugriff auf alle Unternehmensdaten

Nach heftigen Protesten von Datenschützern musste Telefónica in Deutschland vor drei Jahren solch ein Konzept verwerfen.
Wir haben unsere Lehren daraus gezogen und das Projekt neu aufgesetzt. Wir haben dafür ein einzigartiges und patentiertes Verfahren zur Anonymisierung der Kundendaten entwickelt. Es ist nicht so einfach, einen dreistufigen Algorithmus zu entwickeln und mit den Behörden abzustimmen. Aber jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir starten können. Eines habe ich gelernt: Datenschutz ist ein ganz kritischer Punkt. Da werden wir uns nicht noch mal die Finger verbrennen.

An wen möchten Sie die Daten verkaufen?
Wir testen in Nürnberg und Stuttgart die Nutzung solcher Daten für Verkehrsströme und Abgasemissionen. Betreiber von Shoppingcentern sind auf uns zugekommen, weil sie wissen wollen, wie Kundenströme durch das Einkaufszentrum laufen. Unsere spanischen Kollegen arbeiten bereits eng mit Einzelhändlern zusammen. Da geht es unter anderem um zielgerichtete Werbung im Schaufenster. Wir testen das gerade auch mit einer Handelskette in Deutschland.

Ist Telefónica denn schon auf solch eine umfassende Digitalisierung vorbereitet?
Das ist kein einfacher Prozess. Im Zuge unserer Fusion stellen wir das Unternehmen komplett digital auf. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Seit einigen Wochen können alle Mitarbeiter über eine Anwendung in Echtzeit auf alle Unternehmensdaten zugreifen.

Wirklich? Es gibt kein Herrschaftswissen?
So ist es. Jeder Mitarbeiter hat einen webbasierten Zugriff auf alle Unternehmensdaten. Früher habe ich als Chef eine Anfrage an Mitarbeiter geschickt: Ich wüsste gerne, ob sich unsere Tarife in Gebieten mit guter Netzabdeckung besser verkaufen. Bitte auf Postleitzahlen herunterbrechen. Alle sind losgelaufen, haben einen Report geschrieben, der dann nach drei Monaten auf meinem Schreibtisch lag. Ich habe mir das angeguckt und Schlussfolgerungen gezogen. Heute kann jeder Mitarbeiter, auch die in unseren Shops, solche Abfragen auf seinem Bildschirm starten und bekommt unmittelbar das Ergebnis.

Zur Person

Kann der Shop-Mitarbeiter auch sehen, ob der O2-Laden ein paar Straßen weiter mehr Kunden anlockt? 
Es gibt natürlich einen datenschutzrechtlichen Rahmen. Aber der Mitarbeiter kann alles Wesentliche sehen. Genau über diese Punkte hat es intern heftige Diskussionen gegeben. Darf der überhaupt an solche Daten? Wir haben uns für eine vollständige Demokratisierung aller Daten entschieden.

Aber warum gehen Sie so ein Risiko ein? Die Daten könnten auch in fremde Hände fallen.
Weil ich dadurch etwas fördere, was ich im Unternehmen immer haben wollte. Die Entscheidungen sollen an den Stellen fallen, wo es am effektivsten ist. Und das ist beim Mitarbeiter. Das schafft Herrschaftswissen ab. Das verwirrt Führungskräfte. Die Herausforderung ist mir bewusst. Der Mitarbeiter kann jetzt besser informiert sein. Denn er hat Zugriff auf die gleichen Daten. Und dann zieht er daraus Schlussfolgerungen, an die sein Chef noch gar nicht gedacht hat. Das macht letztlich alle stärker.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%