Tote Hosen Punk und Profit in Tagen wie diesen

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Keine klassische Plattenfirma

Die Mitglieder der irischen Band U2, Bono (v.l.), The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen Quelle: dapd

Die Einkünfte, die die Firmen erzielen, selbst wenn es um die Autorenrechte oder Lizenzen für Songs geht, werden laut Tote- Hosen-Biograf Skai zu gleichen Teilen unter den Bandmitgliedern einschließlich Manager Hülder aufgeteilt. Ausnahme ist Schlagzeuger Ritchie. Er ersetzt seit 1999 den ursprünglichen Drummer Wolfgang „Wölli“ Rohde, der aus Gesundheitsgründen die Formation verlassen hat. Engländer Ritchie trommelt auf Honorarbasis mit.

Gleiches Geld für Alle

Der bandinterne Kommunismus plus Gewinnmaximierung gilt als Ausnahme in der Branche: Üblicherweise teilen die Songautoren ihre entsprechend bezogenen Tantiemen nicht mit dem Rest der Band. Es gibt allerdings noch andere prominente Ausnahmen: Bei U2 teilen sich die vier Bandmitglieder plus Manager ebenfalls das Gros der Einnahmen.

Der Durchbruch bei der Eigenvermarktung gelang der Band, indem Manager Hülder 1995 das Plattenlabel JKP gründete. Zwar benötigten die Düsseldorfer dafür einen Partner, den er nach einigem Suchen in Eastwest fand, einer Tochter der Deutschland-Dependance des US-Medienriesen Warner. Doch Hülder gelang es, den Multi in eine Nebenrolle zu drängen.

Anders als bei gängigen Plattenverträgen mussten sich die Amerikaner mit der Auslieferung der Toten-Hosen-Tonträger über das Distributionsnetz des Konzerns begnügen. Der größte Brocken der Wertschöpfung blieb so bei den Toten Hosen. „Früher bekam die Plattenfirma 85 Prozent und wir 15. Jetzt ist es umgekehrt“, wurde damals Hülder zitiert. „Ich habe aus vier Akkorden das Beste rausgeholt, warum soll die Band nicht rausholen, was ihr zusteht?“

Auf diese Weise nordete Hülder offenbar die Punker auf Profit ein. „Eine Plattenfirma muss heute mehr sein, als sie das im klassischen Sinne war“, sagte Bandleader Campino Jahre später. „Es reicht nicht mehr aus, einfach nur Bindeglied zwischen Presswerk und einer Band zu sein und zwei, drei Flyer rauszubringen.“ Darum machten die Toten Hosen immer mehr selbst: ob Studioproduktion, Cover-Gestaltung, CD-Pressung, Marketing oder Promotion. „Die Plattenkonzerne tobten vor Wut, zumal es Hülder verstand, Eastwest auf einen millionenschweren Vorschuss festzunageln“, erinnert sich der Berliner Musikunternehmer Tim Renner.

Mit ihrem Schritt zum Musikunternehmen eröffneten die Toten Hosen vielen anderen Bands eine neue wirtschaftliche Perspektive jenseits der Konzerne. Die Ärzte, Xavier Naidoo, Kettcar, Fettes Brot oder Zweiraumwohnung machen es den Düsseldorfern heute über weite Strecken nach.

Die Toten Hosen gehen sogar noch einen Schritt weiter und bieten unter ihrem Label auch fremden Künstlern eine wirtschaftliche Heimat. Bekannte Hip-Hop-Bands wie Ohrbooten oder der Liedermacher Funny van Dannen haben einen Plattenvertrag mit der Toten-Hosen-Firma JKP.

Gewinnbringende Verbindungen zu alten Bekannten

Anderen Bands offerieren die Düsseldorfer einen Managementvertrag mit Promotion- und Medienberatung bis hin zur Kontaktanbahnung mit Sponsoringpartnern. JKP verlangt dafür ein Honorar, das branchenüblich 15 bis 25 Prozent des Umsatzes beträgt, den die Künstler machen. Neuester Kunde ist die Düsseldorfer Punk-Band Broilers. Deren Sänger Sammy Amara hatte einst als Grafikdesigner für die Toten Hosen T-Shirts entworfen.

Die Toten Hosen rekrutieren die Manager für ihre Geschäft aus ihrem weiten Kreis an loyalen Freunden und Bekannten. Geschäftsführer der Plattenlabel-Firma JKP ist zum Beispiel Patrick Orth. Der gebürtige Hesse war früher Produktmanager der britischen Plattenfirma Virgin Records, die in den Anfangsjahren Partner der Toten Hosen waren. Heute lenkt Orth das operative Geschäft des Labels, während Manager Hülder im Hintergrund die Fäden zieht.

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