Tourismus in Kambodscha Hoffnung auf die versunkene Mega-City im Dschungel

Forscher sind bei Angkor Wat auf die Überreste der womöglich größten Metropole des 12. Jahrhunderts gestoßen. Ein möglicher Glücksfall für die Tourismusindustrie Kambodschas – und für Nordkorea.

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Kambodscha hofft auf den Tourismus-Boom. Quelle: AP

Bangkok Es ist eine historische Stätte der Superlative: Rund 1.000 alte Ruinen ragen bei der kambodschanischen Stadt Siem Riep aus dem Dschungel hervor. Jedes Jahr lockt die Tempelanlage Angkor Wat, in der sich Urwaldpflanzen um alte Gemäuer ranken, Millionen Besucher an. Das Areal war auch schon Drehort für den Hollywood-Film „Tomb Raider“ mit Angelina Jolie.

Jetzt rückt die mysteriöse Tempelanlage wieder ins Zentrum der Weltöffentlichkeit – und hat damit Hoffnungen auf einen neuen Besucher-Boom in Kambodscha geweckt. In London präsentieren Wissenschaftler am heutigen Montag eine Untersuchung, die Archäologen als eine der spannendsten Studien der vergangenen Jahre bezeichnet haben. „Wir haben ganze Städte unter dem Wald entdeckt, von denen niemand wusste“, sagte der australische Forscher David Evans, der das Projekt geleitet hat. Die untergegangene Zivilisation, die während des europäischen Mittelalters florierte, könnte imposanter sein, als bisher angenommen.

Mit einer neuen Laser-Untersuchung aus der Luft hat das Team eine riesige Mega-City mit mehr als einer Million Einwohner entdeckt. Bei den Überresten könnte es sich um die größte Metropole des 12. Jahrhunderts handeln, vermuten die Forscher. Bisher war nur ein kleiner Teil der Siedlung namens Mahendraparvata bekannt. Zudem fanden die Wissenschaftler unter dem Dickicht des Dschungels zahlreiche weitere Siedlungen, ein komplexes Kanalsystem und Boulevards.

Doch nicht nur Wissenschaftler sind elektrisiert. In Kambodscha hofft man nun vor allem darauf, dass die neuen Erkenntnisse wieder mehr Touristen ins Land locken. Die Bedeutung der Tempelstätte für das Land ist kaum zu unterschätzen: Die Silhouette einer der Tempel prangt auf der kambodschanische Nationalflagge, die Anlage ist Namensgeber vieler Unternehmen des Landes. Vor allem aber sind die Tempel eine tragende Säule für die Volkswirtschaft des Landes geworden.

Laut dem Tourismus-Ministerium erwirtschaftet die Branche rund 15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Staates. Die Lobbyorganisation World Travel Tourism Council schätzt sogar, dass der Sektor insgesamt rund 30 Prozent zur Wertschöpfung des Landes beiträgt. Und viele der Gäste aus dem Ausland kommen nur wegen des Tempels: 2015 besuchte fast jeder zweite Tourist der insgesamt rund fünf Millionen Besucher in Kambodscha auch die Tempelanlage Angkor Wat.

Dass die Erfolgsstory weitergeht, hat das Land bitter nötig: Zwar ist die Wirtschaft in den vergangenen Jahren kontinuierlich mit rund sieben Prozent gewachsen, unter anderem dank steigenden Einnahmen aus dem Tourismus. Doch das Land hat viel aufzuholen. Noch gehört der Staat zu den ärmsten in Asien. Der Durchschnittslohn eines Arbeiters beträgt gerade einmal rund 140 US-Dollar.

Zuletzt deutete sich auch eine Stagnation der Besucherzahlen an, im ersten Halbjahr 2016 ist die Zahl der Besucher kaum gestiegen. „Wenn die Zahl der Hotels und Restaurants zunimmt, aber die Nachfrage stagniert oder sogar abnimmt, ist das schlecht für die lokale Wirtschaft und den Staatshaushalt”, warnte der Chef der kambodschanische Tourismusverbandes, Ang Kimg Eng erst vergangene Woche.


Warum Nordkorea profitieren könnte

Noch ist allerdings klar, ob und wie die neu entdeckten Überreste für Touristen zugänglich gemacht werden können. Experten zufolge könnte es auch noch einige Zeit dauern, bis sich die neuen Erkenntnisse in neuen Touren und Infomaterialien niederschlagen werden. Zumindest die große Aufmerksamkeit, könnte aber die Zahl der Gäste wieder wachsen lassen.

Kambodscha ist nicht der einzige Staat, der von steigenden Besucherzahlen in Angkor Wat profitieren würde. Seit einem halben Jahr wartet auf Besucher eine weitere Attraktion in Siem Riep: Das nordkoreanische Kunststudio Mansudae, eines der wenigen Devisenbringer Nordkoreas, hat ein Museum bei der Tempelanlage über die Khmer-Kultur errichtet. Herzstück ist ein rund 120 Meter langes Rundgemälde, das von 63 nordkoreanischen Künstlern angefertigt wurde. Besucher können sich auf ein Podest in der Mitte des Gemäldes stellen und gemalte Alltagsszenen der alten Khmer-Kultur betrachten.

Etwa 24 Millionen Dollar haben die Kommunisten in das Projekt investiert. Der Vertrag mit Kambodscha sieht vor, dass die Einnahmen der ersten zehn Jahre direkt nach Pjöngjang fließen sollen, anschließend wird geteilt. Noch ist das Museum aber nur schwach besucht. Dass Angkor Wat nun wieder Schlagzeilen macht, dürfte auch den Nordkoreanern Recht sein.

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