Tourismus Wie Friedrich Joussen bei TUI aufräumt

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Joussen bleibt der Gewinner

Das mit Abstand wichtigste Einzelprojekt ist jedoch die Übernahme der restlichen 46 Prozent an der in der Nähe von London residierenden Konzerntochter TUI Travel und die anschließende Verschmelzung der Doppelstrukturen. Bei der Zusammenführung beweist Joussen diplomatisches Geschick: Im ersten Jahr will er sich den Vorstandsvorsitz mit dem bisherigen TUI-Travel-Chef Peter Long teilen, anschließend übernimmt er allein die Spitze, Long wechselt in den Aufsichtsrat und wird damit formal zu Joussens Chef.

Unter Insidern gilt Joussen dennoch als klarer Sieger im TUI-internen Machtpoker. „Diese Lösung erleichtert aber die Integration der beiden Unternehmen. Eine Doppelspitze würde auf Dauer nicht funktionieren“, meint Hochschullehrer Schütz.

Zahlen zu Vergleichsportalen der Reiseanbieter

Rund 35 Millionen Euro wird die Integration kosten, etwa für Abfindungen, wenn das Sanierungsprogramm oneTUI auch in der bisherigen TUI-Travel-Zentrale durchgezogen wird. Sparen könnte die neue TUI dadurch in den kommenden drei Jahren aber fast 200 Millionen Euro, haben Joussens Controller ausgerechnet. Hinzu kommen steuerliche Vorteile: auf Basis des letzten Geschäftsjahres rund 35 Millionen, entsprechend mehr, wenn Umsatz und Gewinn steigen.

Auf Wachstumskurs

Das Geschäft auszubauen und neu auszurichten ist Joussens langfristiges Ziel. „Bisher konzentriert sich das Unternehmen zu stark auf das Massengeschäft und konkurriert dort mit Online-Buchungsplattformen wie TripAdvisor oder Booking.com ausschließlich über den Preis“, kritisiert Tourismus-Experte Kreilkamp. „Die TUI muss für ihr Angebot Alleinstellungsmerkmale schaffen und ihr Produkt-Know-how nutzen, um höhere Preise durchzusetzen als die Wettbewerber.“

Dabei hat die Durchforstung des Markenwildwuchses höchste Priorität. „Die TUI hat durch die vielen Zukäufe in der Vergangenheit zu viele Marken im Portfolio“, warnt Marketing-Professor Schütz. „Aber Joussen kommt als ehemaliger Vodafone-Chef aus der Ein-Marken-Welt und ist der richtige Mann, um das Portfolio zu straffen.“ Gleichzeitig sollen die starken konzerneigenen Hotelmarken und das Kreuzfahrtangebot ausgebaut werden: Bei der TUI-Hotel-Marke RIU sollen pro Jahr drei bis fünf neue Häuser dazukommen, bei den TUI Hotels & Resorts insgesamt bis zu 60, Robinson plant 16 neue Clubs, und die „Mein Schiff“-Flotte von TUI Cruises, dem 50:50-Joint-Venture mit der US-Reederei Royal Caribbean, soll von derzeit drei auf sechs bis acht Dampfer wachsen.

Joussens Vision ist ein integrierter Tourismuskonzern, der an allen Gliedern der Wertschöpfungskette mitverdient: mit eigenen Flugzeugen, Hotels und Schiffen, durch Service-Leistungen am Ferienort, mit eigenen Veranstaltern, die diese Einzelleistungen zu Urlaubspaketen zusammenschnüren, und durch eigene Reisebüros, in denen die Reisen gebucht werden. „Die meisten Touristen organisieren ihren Urlaub immer noch selbst“, sagt Kreilkamp, „wer diese Individualreisenden mit dem richtigen Angebot erreicht, erschließt sich ein Riesenpotenzial.“

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