Touristik Der Alltours-Chef gefährdet sein Lebenswerk

Stur, unberechenbar, höchst erfolgreich: Mit seiner Art droht Willi Verhuven keinen Nachfolger an der Spitze seines Reiseunternehmens zu finden und sein Lebenswerk zu gefährden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Willi Verhuven, Chef des Reiseunternehmens Alltours Quelle: Ingo Rappers für WirtschaftsWoche

Die Alltours-Zentrale aus rotem Backstein im Duisburger Innenhafen sieht aus, wie sich Besucher das Innenleben eines Ferienanbieters vorstellen: Palmen, Springbrunnengeplätscher, feucht-tropische Atmosphäre. Und auch wer dem Firmenchef und -gründer Willi Verhuven zum ersten Mal begegnet, den befällt ein Gefühl von Entspannung. Der 61-jährige Chef des fünftgrößten deutschen Ferienanbieters spricht freundlich, mit ruhiger, sanfter Stimme, als wäre er gerade auf Urlaub in warmen Gefilden. Doch wehe, er ist mit einzelnen Mitarbeitern in seinem Büro oben im fünften Stock.

Verschleiß von potentiellen Nachfolgern

Dort, berichten Betroffene, ist das Klima oft eisig. Die weiße Tafel, das Whiteboard, vor dem Eingang ist bei den Mitarbeitern gefürchtet. Wer den Chef sprechen will, lässt sich morgens von der Sekretärin per Folienstift auf die abwaschbare Tafel eintragen – mit Hinweis, worum es geht. Irgendwann im Laufe des Tages klingelt Verhuven ohne Vorankündigung durch. „Man weiß nie, wann“, beschreibt ein ehemaliger Manager die Schrecksekunden. „Aber wenn es so weit ist, sollte man tunlichst alles stehen und liegen lassen.“ Im Büro kann es dann stürmisch werden: mal laut, mal leise – je nach Laune. Man weiß es nicht. Mit seiner Art ist Verhuven an einem Punkt seiner Laufbahn angekommen, an dem er sein Lebenswerk zu gefährden droht. Statt systematisch einen Nachfolger aufzubauen, verschleißt er mögliche Kandidaten wie kein anderer in der Branche. Lange darf es so nicht weitergehen, weiß Verhuven selbst am besten.

Er hat keine Kinder, die den Stab übernehmen könnten. Zwar will er sein Unternehmen in eine Stiftung überführen, ohne einen Nachfolger ist die Idee jedoch nur die Hälfte wert. Verhuven ist eine ambivalente Persönlichkeit. Einerseits genießt er uneingeschränkte Anerkennung für seine unternehmerische Leistung bei Alltours. Er machte aus einem kleinen Reisebüro im niederrheinischen Kleve in 38 Jahren einen Milliardenkonzern, der noch nie rote Zahlen geschrieben hat. Alltours ist eine der stärksten Marken im Urlaubergeschäft und für die Marktführer TUI und Thomas Cook ein rotes Tuch, weil dem Branchenurgestein Respekt vor Wettbewerbern fremd ist.
Andererseits ist Verhuven, den alle siezen und hintenherum „Willi“ nennen, bei seinen Top-Managern gefürchtet, weil er Kritik schwer erträgt, sich in Details einmischt und aufbrausend werden kann.

Übersicht zum Umsatz und Anzahl der Urlaubsgäste von Alltours (zum Vergrößern bitte Bild anklicken)

Das halten nur wenige Spitzenkräfte auf Dauer aus. Zuletzt verließ Dierk Berlinghoff das Unternehmen, ein renommierter Touristiker, der von Rewe kam und bei Alltours den Einkauf von Hotelkapazitäten verantwortete. Berlinghoffs Rücktritt ist der sechste Abgang einer Top-Kraft in zehn Jahren. Auf die Fluktuation in seiner Führungsriege angesprochen, hält Verhuven ein paar Sekunden inne und schaut konzentriert in eine Ecke des Raumes. Die Geschäftsführung bei Alltours sei „stabil“, sagt er. „Richtig ist, dass in den letzten Jahren nicht jeder Touristikchef den gestiegenen Anforderungen gewachsen war“, fährt er fort. Dazu zählten das Beherrschen von Hotel- und Flugeinkauf und ein Gefühl für Preise. „Über die aktuelle Situation bin ich auch nicht glücklich.“ Jüngst habe einer der Abgänger seine Kompetenzen überschritten und Budgets überzogen.

Alltours' Familienvater

Die Version der Ehemaligen klingt anders. Verhuven sei ein Firmenpatriarch alter Schule und begreife sich „als Familienvater, der seine Kinder erziehen – und mitunter auch züchtigen muss“, sagt einer.
„Willi gibt sich selbst die Note Eins, alle anderen hält er für schlechter“, klagt ein anderer. „Bei Alltours zählt nur eine Meinung, und das ist die von Willi.“ Vor allem bei Differenzen mit Mitarbeitern werde der sonst so sanfte Firmenchef laut; wenn ihm Ergebnisse nicht passen, stauche er die Verantwortlichen vor versammelter Mannschaft zusammen. Selbst Kleinigkeiten brächten ihn auf die Palme. „Manchmal stört ihn schon, wenn jemand
in seinem Ordner blättert“, erinnert sich ein Ex-Manager. Und unliebsame Diskussionsbeiträge kanzele er gerne ab mit Sätzen wie: „Sie müssen noch viel lernen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%