WirtschaftsWoche: Herr Eckstein, Sie kommen gerade von der Schüleraustausch-Messe in München. Wir war die Stimmung unter Schüler und Eltern, als US-Präsident Donald Trump die Einreisebestimmungen verschärfte?
Michael Eckstein: Die Nachricht hat natürlich die Stimmung unter den Teilnehmern gedrückt. Schon nach dem Wahlsieg von Donald Trump haben viele überlegt, ob ein Schüleraustausch mit den USA für sie noch in Frage kommt. Es gibt aber nach wie vor Schüler, die an den USA interessiert sind. Durch die veränderten Einreisebestimmungen haben sie aber einen viel höheren Informationsbedarf. Deshalb war es gut, dass in München auch das US-amerikanische Generalkonsulat Auskünfte erteilen konnte. Viele wollen wissen, ob ein Schüleraustausch unter der veränderten Rahmenbedingungen überhaupt noch möglich ist und wie man sich darauf einstellen kann.
Wie groß ist denn die Nachfrage nach Austauschprogrammen mit den USA überhaupt noch?
Der Schüleraustausch zwischen Deutschland und den USA geht sehr stark zurück. Der Trend begann schon vor der Präsidentschaftswahl. Das hängt aber auch damit zusammen, dass andere Länder aktiver und attraktiver werden. Das Land mit den höchsten Zuwachsraten ist im Moment Kanada. Vor allem die Schüler, die nach den jüngsten Entscheidungen in den USA etwas verunsichert sind, weichen lieber ins Nachbarland aus. Kanada ist auch Amerika, aber eben nicht so unkalkulierbar wie die USA.
Die USA waren die vergangenen Jahre immer das beliebteste Land bei den Schüleraustauschprogrammen. Können Sie diesen Titel überhaupt noch verteidigen?
Nach den bisher verfügbaren Zahlen erwarte ich, dass die USA diesen Titel abgeben müssen. Im Moment verteidigen die USA noch ihren Spitzenplatz. Aber die Anmeldezahlen sind so stark rückläufig, dass andere Länder wie zum Beispiel Kanada schon bald vorbeiziehen werden. Im vergangenen Jahr wichen viele Schüler, die an einem englischsprachigen Auslandsaufenthalt interessiert waren, auch auf Großbritannien aus. Doch seit der Brexit-Entscheidung der Briten ist auch dieser Boom wieder vorbei.
Wie schlägt der Negativ-Trend auf die Anbieter durch, die sich insbesondere auf den Schüleraustausch mit den USA spezialisiert haben?
Viele Anbieter müssen ihre Austausch-Programme straffen und umbauen. An die Stelle des Schüleraustausches während der Schulzeit treten nun auch verstärkt Auslandsaufenthalte nach dem Abitur. Die attraktivsten Englisch-sprachigen Reiseziele für Abiturienten sind inzwischen Australien und Neuseeland. Diese Länder sind politisch stabil und landschaftlich sehr attraktiv.
Mussten schon Anbieter wegen des Nachfrageeinbruchs in die USA Insolvenz anmelden?
Insolvenzen gab es bereits in den vergangenen beiden Jahren. Der Markt für Schüleraustausch ist dadurch gekennzeichnet, dass es wenige große, aber viele kleine und mittlere Anbieter gibt. Unter den Mittelgroßen sind die Einbußen so hoch, das einige in finanzielle Schwierigkeiten stecken. Zu den größten Anbietern, die Konkurs anmelden mussten, gehören Eurovacances. Das war einer der größten Anbieter von Austauschprogramm mit US-amerikanischen Highschools. Vom Markt verschwunden ist auch Europartner, einer der größten Sprachreiseanbieter. Weitere große Anbieter kämpfen nach dem Einbruch im US-Geschäft ums Überleben.
Die Negativ-Stimmung ein zweites Mal überwinden
Ihre Stiftung arbeitet für die Völkerverständigung. Was können Sie tun, damit der Schüleraustausch mit den USA wieder in Gang kommt?
Ziel von Völkerverständigung ist, sich besser zu verstehen, indem man sich besser kennenlernt. Dazu wollen wir natürlich auch in schwierigen Zeiten beitragen. Dazu sind unsere Pendants in den USA, wie zum Beispiel Education USA, auch bereit. Sie kommen gerne zu unseren Messen und halten Vorträge. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich reagieren, wenn sich das Interesse der jungen Leute auf andere Regionen verschiebt. Wir müssen für diese Länder mehr Informationen bereitstellen.
Spüren Sie denn auch bei den Gastfamilien in den USA eine größere Zurückhaltung, deutsche Austauschschüler aufzunehmen?
Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Gastfamilien eher rückläufig. Das liegt aber daran, dass viele Familien in den USA aus dem Mittelstand kommen, der wirtschaftlich besonders stark unter Druck steht. Deshalb nehmen einige Gastfamilien Austauschschüler aus Deutschland nicht mehr kostenfrei auf. Wer das noch kostenlos – meist aus ethischer oder religiöser Überzeugung – anbietet, ist für Gastschüler durchaus eine Herausforderung. Denn die gehören oft zu den Unterstützern und Wählern von Donald Trump.
Gab es so einen Einbruch beim deutsch-amerikanischen Schüleraustausch schon einmal?
Ähnlich schwierig war die Lage Anfang der Achtzigerjahre nach dem Amtsantritt von Ronald Reagan. Damals reagierte die Politik darauf und der Bundestag beschloss ein parlamentarisches Patenschaftsprogramm, um den Schüleraustausch finanziell zu fördern. Die Abgeordneten wollten damals neue Brücken bauen. Das damals beschlossene Förderprogramm ist auch heute noch führend. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn beide Länder wieder solch ein Signal aussenden. Dann könnten Deutschland und die USA auch die derzeitige Negativ-Stimmung ein zweites Mal überwinden.