Trump verschärft Einreise "Schüleraustausch mit den USA kämpft ums Überleben"

Seit Jahren sind die USA das beliebteste Land beim Schüleraustausch. Doch dieser Spitzenplatz ist akut gefährdet. Durch die verschärften Einreisebestimmungen gehen die Anmeldezahlen so stark zurück, dass einige Anbieter bereits in finanziellen Schwierigkeiten stecken, sagt Michael Eckstein, Vorsitzender der Stiftung für Völkerverständigung und Organisator der größten Schüleraustausch-Messe.

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Lufthansa: Crew-Mitglieder von Änderung betroffen
Michel SapinDer französische Finanzminister hat US-Präsident Donald Trump als große Gefahr für die Weltwirtschaft bezeichnet. "Unser amerikanischer Partner scheint einseitige protektionistische Maßnahmen ergreifen zu wollen, die die gesamte Weltwirtschaft destabilisieren könnten", sagte Sapin am Dienstag vor Wirtschaftsexperten im Pariser Finanzministerium. Entscheidungen Trumps und seiner Regierung stellten eine große Gefahr für den Welthandel dar, warnte der sozialistische Politiker. Er forderte die anderen europäischen Staaten zum Handeln auf: "Weder Frankreich noch Europa können es sich erlauben, hilflos zuzusehen, wie unsere Wirtschaftsinstitutionen ausgehebelt werden", sagte Sapin. Quelle: AP
"Wir haben Crew-Mitglieder, die von der Änderung betroffen sind", sagte ein Lufthansa-Sprecher am Montag. Quelle: dpa
Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Quelle: dpa
Boris Johnson Quelle: REUTERS
Die EU-Kommission Quelle: dpa
Jasmin TabatabaiDie deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai (49) kritisiert das US-Einreiseverbot für viele Muslime als unmenschlich und ungerecht. „Menschen auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu diskriminieren, ist ungeheuerlich und zutiefst unamerikanisch. Gruselig, sich auszumalen, was noch alles auf uns zukommen wird“, schrieb Tabatabai in einem Gast-Beitrag für die „Bild“-Zeitung (Montag).  Quelle: dpa
Angela MerkelBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält das von der US-Regierung verhängte Einreiseverbot gegen Flüchtlinge und Bürger einiger mehrheitlich muslimischer Staaten für falsch. „Sie ist überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag in Berlin. Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Eckstein, Sie kommen gerade von der Schüleraustausch-Messe in München. Wir war die Stimmung unter Schüler und Eltern, als US-Präsident Donald Trump die Einreisebestimmungen verschärfte?
Michael Eckstein: Die Nachricht hat natürlich die Stimmung unter den Teilnehmern gedrückt. Schon nach dem Wahlsieg von Donald Trump haben viele überlegt, ob ein Schüleraustausch mit den USA für sie noch in Frage kommt. Es gibt aber nach wie vor Schüler, die an den USA interessiert sind. Durch die veränderten Einreisebestimmungen haben sie aber einen viel höheren Informationsbedarf. Deshalb war es gut, dass in München auch das US-amerikanische Generalkonsulat Auskünfte erteilen konnte. Viele wollen wissen, ob ein Schüleraustausch unter der veränderten Rahmenbedingungen überhaupt noch möglich ist und wie man sich darauf einstellen kann.

Dr. Michael Eckstein, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Völkerverständigung, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Stefan Mannes

Wie groß ist denn die Nachfrage nach Austauschprogrammen mit den USA überhaupt noch?
Der Schüleraustausch zwischen Deutschland und den USA geht sehr stark zurück. Der Trend begann schon vor der Präsidentschaftswahl. Das hängt aber auch damit zusammen, dass andere Länder aktiver und attraktiver werden. Das Land mit den höchsten Zuwachsraten ist im Moment Kanada. Vor allem die Schüler, die nach den jüngsten Entscheidungen in den USA etwas verunsichert sind,  weichen lieber ins Nachbarland aus. Kanada ist auch Amerika, aber eben nicht so unkalkulierbar wie die USA.

Die USA waren die vergangenen Jahre immer das beliebteste Land bei den Schüleraustauschprogrammen. Können Sie diesen Titel überhaupt noch verteidigen?
Nach den bisher verfügbaren Zahlen erwarte ich, dass die USA diesen Titel abgeben müssen. Im Moment verteidigen die USA noch ihren Spitzenplatz. Aber die Anmeldezahlen sind so stark rückläufig, dass andere Länder wie zum Beispiel Kanada schon bald vorbeiziehen werden. Im vergangenen Jahr wichen viele Schüler, die an einem englischsprachigen Auslandsaufenthalt interessiert waren, auch auf Großbritannien aus. Doch seit der Brexit-Entscheidung der Briten ist auch dieser Boom wieder vorbei.

Wie schlägt der Negativ-Trend auf die Anbieter durch, die sich insbesondere auf den Schüleraustausch mit den USA spezialisiert haben?
Viele Anbieter müssen ihre Austausch-Programme straffen und umbauen. An die Stelle des Schüleraustausches während der Schulzeit treten nun auch verstärkt Auslandsaufenthalte nach dem Abitur. Die attraktivsten Englisch-sprachigen Reiseziele für Abiturienten sind inzwischen Australien und Neuseeland. Diese Länder sind politisch stabil und landschaftlich sehr attraktiv.

Mussten schon Anbieter wegen des Nachfrageeinbruchs in die USA Insolvenz anmelden?
Insolvenzen gab es bereits in den vergangenen beiden Jahren. Der Markt für Schüleraustausch ist dadurch gekennzeichnet, dass es wenige große, aber viele kleine und mittlere Anbieter gibt. Unter den Mittelgroßen sind die Einbußen so hoch, das einige in finanzielle Schwierigkeiten stecken. Zu den größten Anbietern, die Konkurs anmelden mussten, gehören Eurovacances. Das war einer der größten Anbieter von Austauschprogramm mit US-amerikanischen Highschools. Vom Markt verschwunden ist auch Europartner, einer der größten Sprachreiseanbieter. Weitere große Anbieter kämpfen nach dem Einbruch im US-Geschäft ums Überleben.

Die Negativ-Stimmung ein zweites Mal überwinden

Ihre Stiftung arbeitet für die Völkerverständigung. Was können Sie tun, damit der Schüleraustausch mit den USA wieder in Gang kommt?
Ziel von Völkerverständigung ist, sich besser zu verstehen, indem man sich besser kennenlernt. Dazu wollen wir natürlich auch in schwierigen Zeiten beitragen. Dazu sind unsere Pendants in den USA, wie zum Beispiel Education USA, auch bereit. Sie kommen gerne zu unseren Messen und halten Vorträge. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich reagieren, wenn sich das Interesse der jungen Leute auf andere Regionen verschiebt. Wir müssen für diese Länder mehr Informationen bereitstellen.

Wo Auswanderer gerne leben
Platz 13: Frankfurt Quelle: dpa
Platz 10: TorontoKanada gilt als Sehnsuchtsort für viele Auswanderer. Doch bei einer aktuellen Umfrage des Expat-Netzwerks InterNations schafft es Toronto als einzige Stadt Kanadas gerade so noch unter die besten Zehn. Für die Umfrage wurden über 14 000 Expats befragt, also Menschen die außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten. Das Ranking setzt sich aus einem Index zusammen, der unter anderem Lebensqualität, Job-Möglichkeiten, Lebenserhaltungskosten und Familienfreundlichkeit berücksichtigt. Quelle: REUTERS
Platz 9: Mexiko City Als beliebteste Stadt in Lateinamerika landet Mexico City auf dem 9. Platz im Gesamtranking von InterNations.
Platz 8: SydneyNur knapp vor Mexico City schafft es die größte australische Metropole: Sydney muss sich in der Gunst der Auswanderer einer Reihe Großstädte geschlagen geben und landet im Gesamtranking auf Rang 8. Quelle: REUTERS
Platz 7: München Quelle: dpa
Platz 6: WienHohe Lebensqualität, viele Freizeitmöglichkeiten und ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr: Das schätzen internationale Auswanderer besonders an Wien. Auch mit Sauberkeit und günstiger medizinischer Versorgung kann die österreichische Hauptstadt punkten. Im Gesamtranking landet sie noch vor München auf Platz 6. Quelle: REUTERS
Platz 5: SingapurDer südostasiatische Stadtstaat gehört zu den teuersten Orten auf der Erde. Trotzdem fühlen sich hier viele Expats in Singapur wohl. Im Gesamtranking erreicht die Metropole den fünften Platz – die Spitzenposition in Asien. Quelle: dpa

Spüren Sie denn auch bei den Gastfamilien in den USA eine größere Zurückhaltung, deutsche Austauschschüler aufzunehmen?
Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Gastfamilien eher rückläufig. Das liegt aber daran, dass viele Familien in den USA aus dem Mittelstand kommen, der wirtschaftlich besonders stark unter Druck steht. Deshalb nehmen einige Gastfamilien Austauschschüler aus Deutschland nicht mehr kostenfrei auf. Wer das noch kostenlos – meist aus ethischer oder religiöser Überzeugung – anbietet, ist für Gastschüler durchaus eine Herausforderung. Denn die gehören oft zu den Unterstützern und Wählern von Donald Trump.

Gab es so einen Einbruch beim deutsch-amerikanischen Schüleraustausch schon einmal?
Ähnlich schwierig war die Lage Anfang der Achtzigerjahre nach dem Amtsantritt von Ronald Reagan. Damals reagierte die Politik darauf und der Bundestag beschloss ein parlamentarisches Patenschaftsprogramm, um den Schüleraustausch finanziell zu fördern. Die Abgeordneten wollten damals neue Brücken bauen. Das damals beschlossene Förderprogramm ist auch heute noch führend. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn beide Länder wieder solch ein Signal aussenden. Dann könnten Deutschland und die USA auch die derzeitige Negativ-Stimmung ein zweites Mal überwinden.

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