Turkish Airlines Womit die Fluglinie zu kämpfen hat

Lange sah es so aus, als wäre der Aufstieg von Turkish Airlines nicht zu stoppen. Der Anschlag am Flughafen Istanbul und ein Führungsstreit bringen die stark wachsende Fluglinie allerdings vom Kurs ab.

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Terror in Istanbul und Führungsstreit: Turkish Airlines kommt vom Kurs ab. Quelle: dpa, Montage

Sechs Stunden nach dem Bombenanschlag auf den Flughafen Istanbul Atatürk in der vorigen Woche zeigte Binali Yıldırım Führungsstärke. Kaum waren um drei Uhr früh die Opfer versorgt und die Trümmer weggeräumt, verkündete der türkische Ministerpräsident: „Seit 2.22 Uhr läuft der Betrieb wieder normal.“

Temel Kotil, Chef von Turkish Airlines, dürfte das etwas anders sehen. Der Anschlag könnte eine der eindrucksvollsten Erfolgsstorys der Flugbranche weiter abbremsen.

Bereits im ersten Quartal 2016 schrieb die Linie bei 2,2 Milliarden Dollar Umsatz gut 500 Millionen Dollar Verlust. Dazu eskaliert in dem halbstaatlichen Unternehmen ein Richtungskampf zwischen altgedienten Managern und von der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP entsandten Führungskräften. Das Unternehmen will sich offiziell nicht äußern. „Doch die Kombination aus Terror und Führungsstreit ist ein perfekter Sturm“, sagt ein gut verdrahteter Insider, der angesichts des innenpolitischen Klimas in der Türkei anonym bleiben will.

Die Erfolgsfaktoren von Turkish Airlines

Dabei sah es lange Zeit so aus, als sei der Aufstieg der Airline nicht zu stoppen. Seit Kotil im Jahr 2005 den damals hoffnungslosen Sanierungsfall übernahm, konnte er den Umsatz verdreifachen. Noch Ende 2015 versprach der Manager, ihn bis 2023 auf fast 24 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln. Schließlich, so Kotils Erwartungen, dürften alle vier Säulen des Unternehmens wachsen, dürften mehr Badeurlauber, Städtetouristen, Geschäftsreisende und Langstreckenpassagiere die Fluglinie nutzen.

Die Nebeneinkünfte der Airlines abseits des Ticketverkaufs

Doch angesichts der aktuellen Lage sind die Wachstumspläne erst mal obsolet. So kamen bereits 2015 weniger Urlauber in die Türkei, aus Angst vor Terroranschlägen oder auch, weil ihnen die Politik von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan nicht geheuer ist. Die Zahl der deutschen Türkei-Besucher sackte im ersten Quartal 2016 um 30 Prozent.

Nach Anschlägen in Istanbul zum Jahresanfang fiel auch die Zahl der Städtetouristen. Und weil die Wirtschaft unter Erdoğans Alleingängen leidet, kamen auch weniger Geschäftsreisende.

Acht Prozent Passagierplus

Zwar meldete die Linie bis Mai acht Prozent Passagierplus. Doch weil Turkish mit dem Doppelten geplant hatte, sackte die Auslastung der Jets von 80 auf unter 74 Prozent. Jeder Euro weniger Umsatz pro Flug schlägt nahezu voll auf den Ertrag durch. Der Gewinn fiel im Vergleich zum Vorjahr deshalb um 30 Prozent. Besonders heftig ist der Effekt bei Geschäftsreisenden, die im Schnitt doppelt so viel zahlen wie Urlauber.

Der Terroranschlag in der vorigen Woche gefährdet nun die letzte Stütze: das Langstreckengeschäft. „Auch wenn die Attentäter nicht in den Sicherheitsbereich kamen: Das Gefühl, im Flughafen Istanbul sicher zu sein, hat gelitten. Da fliegen viele Kunden lieber mit Golflinien wie Emirates oder auch europäischen Airlines“, sagt ein deutscher Flughafenmanager.

Ein interner Richtungsstreit verschärft die Probleme noch. Die klassischen Airliner klagen, die von der Regierung Erdoğan betriebene außenpolitische Isolation erschwere das Geschäft. Zudem wehren sie sich gegen den Versuch der AKP, ihren Einfluss auszubauen.

Dier Geschäftsentwicklung von Turkish Airlines.

Die AKP hat 2015 neben dem Verwaltungsratschef auch Teile des Vorstands durch regierungsnahe Manager ersetzt. Personalchef etwa ist jetzt Abdulkerim Çay, der unter anderem Pressechef der Regierung Erdoğan war. Im Unternehmen wächst die Sorge, das demnächst neue islamische Vorschriften beim Service eingeführt werden könnten, etwa weitere Beschränkungen beim Alkohol an Bord.

Unklar ist, wie gefestigt Kotils Position ist. Er gilt als Vertrauter Erdoğans, beide stammen aus derselben Provinz. Doch AKP-Forderungen, etwa nach traditionelleren Uniformen für die Flugbegleiterinnen, hat sich Kotil widersetzt. „Grundsätzlich wirkt die sonst so agile Airline in ihrer größten Prüfung wie gelähmt“, klagt ein Insider und glaubt, die AKP könne die Lage ausnutzen: „Der türkische Staat wird die Linie vor ernsthaften Problemen schützen, aber nicht ohne Entgegenkommen des Managements.“

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