Übernachtungsportal Brüssel hofiert Airbnb

Deutschlands Hoteliers schimpfen auf Airbnb. Trotzdem will die EU-Kommission Beschränkungen für die Übernachtungs-Plattformen verhindern, wie sie seit Mai in Berlin gelten. Muss die Hauptstadt ihr Quasi-Verbot kippen?

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Die EU-Kommission will Spielregeln für die sogenannte Sharing Economy europaweit zu vereinheitlichen. Quelle: dpa

Ausgelassene Stimmung in der deutschen Hotelbranche: 43 Prozent aller Betriebe, berichtete am heutigen Mittwoch der Bundesverband Dehoga, schwärmen derzeit von einer „guten“ Geschäftslage – ein Fünftel mehr als vor einem Jahr. Zudem sorgte der Tourismusboom in Deutschland dafür, dass 70 Prozent der Herbergen ihre Umsätze zum Vorjahr steigerten.

Doch der euphorische Branchenbericht fällt zusammen mit einer Meldung, die geeignet ist, den Jubel bei den Übernachtungsbetrieben zu dämpfen. Ebenfalls am heutigen Mittwoch will die EU-Kommission eine neue Richtlinie auf den Weg bringen, die einem mächtigen Gegner zugute kommt: dem von San Francisco aus gesteuerten Übernachtungsportal Airbnb. Die Onlineplattform vermittelt weltweit Privatwohnungen an Feriengäste.

Mit der geplanten EU-Richtlinie hat sich Brüssel vorgenommen, Spielregeln für die sogenannte Sharing Economy europaweit zu vereinheitlichen – und die massiven Behinderungen in zahlreichen Städten zu kassieren.

von Jacqueline Goebel, Rüdiger Kiani-Kreß, Claudia Tödtmann

In Berlin etwa dürfen seit Mai komplette Wohnungen nur noch mit Sondererlaubnis für kurze Zeit vermietet werden. Wer einzelne Zimmer an Übernachtungsgäste abgibt, muss mindestens die Hälfte des restlichen Appartements selbst bewohnen. Verstöße gegen das sogenannte „Zweckentfremdungsverbot“ werden mit bis zu 100.000 Euro geahndet.

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, die die geplante Richtlinie einsehen durfte, geht so etwas der Kommission zu weit. „Komplettverbote stellen ein letztes Mittel dar“, so der Entwurf, „das nur angewendet werden sollte, wenn die Wahrung öffentlicher Interessen nicht mit weniger restriktiven Vorgaben zu erreichen ist.“

Damit aber zementiert Brüssel die Macht der Amerikaner, die sich in Deutschland zunehmend zu einem harten Wettbewerber klassischer Hotels entwickeln. Allein in der Bundeshauptstadt hatte Airbnb bis Anfang Mai 14.000 Privatwohnungen unter Vertrag, von denen 73 Prozent mehr als 90 Tage pro Jahr vermietet wurden. Das ermittelte der Hotelverband Deutschland (IHA). Platz zwei markierte München mit 5.000 Airbnb-Unterkünften, gefolgt von Hamburg (3.200), Köln (2.100) und Frankfurt (1.400).

Rechtsfreie Räume

Viele der „Privat“-Unterkünfte werden zudem längst gewerblich betrieben. Ein Anbieter in Paris mit Namen „Fabien“ fiel vergangenes Jahr mit 142 Wohnungen auf, die er über den Internetdienst an Kurzzeitgäste abgab. Die Anbieterin „Patricia“ habe in Frankreichs Hauptstadt, so berichtet es der Hotelverband, in nur einem Monat 30.000 Euro mit ihrem Apartment eingenommen.

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„Teilweise entstehen hier rechtsfreie Räume“, kritisiert Dehoga-Präsident Ernst Fischer. Was die deutschen Hoteliers besonders ärgert: Sie selbst werden mit immer neuen Brandschutz-Regeln, Bettensteuern und Forderungen nach Barrierefreiheit ihrer Unterkünfte gegängelt. Insbesondere die Einführung des Mindestlohns, berichtet Fischer, habe in vielen Regionen zu „signifikanten Kostensteigerungen“ geführt. Trotz höherer Umsätze klagen deshalb 39 Prozent der Hotelbetreiber aktuell über gesunkene Erträge.

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Quelle: Amangiri Hotel
Quelle: Cap Estel

Zudem zeichnet sich ab, dass die Umsätze in diesem Jahr etwas langsamer wachsen als bisher. Hatten sich die Übernachtungen 2015 noch um um drei Prozent auf 436,4 Millionen erhöht, könnten sie nach Schätzungen der Immobilienfirma DTZ in diesem Jahr nur noch zwischen ein bis drei Prozent zulegen.

Weil gleichzeitig immer neue Hotels hinzukommen – insbesondere in den Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München beobachten Experten ein beschleunigtes Wachstum auf der Angebotsseite – bleiben die im Europavergleich ohnehin niedrigen Übernachtungspreise unter Druck. Schon 2015 gingen sie Deutschlandweit um 0,1 Prozent zurück – auf durchschnittlich 71 Euro pro Nacht.

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