In Kassel ist augenscheinlich, was der Ökonom berechnet. Die Wasserspiele sind zum Welterbe ernannt worden, weil sie noch genauso funktionieren, wie sie im 18. Jahrhundert erschaffen wurden. Oben im Park gibt es einen Speichersee, in dem sich über den Winter und Frühling Wasser sammelt.
Das wird verwendet, um per Hand das Schauspiel von Wasserfällen, Kaskaden und Fontänen zu speisen. Die Anzahl der Spektakel ist also begrenzt. „Insgesamt stehen 56 Ladungen zur Verfügung“, sagt Angelika Hüppe, Marketingchefin der Stadt. So findet das Schauspiel nur mittwochs, sonntags und an Feiertagen statt. Entsprechend konzentriert treffen auch die Besucher in Kassel ein.
Die Zahl der Gruppenführungen durch den Park hat sich in den vergangenen Jahren fast verdreifacht. Die Zahl der Übernachtungen in der Stadt ist – lokale Sondereffekte außer Acht gelassen – um gut ein Viertel gestiegen. Auch aus anderen Städten gibt es solche Zahlen. Die Zeche Zollverein in Essen besuchten rund 5000 Menschen im Jahr, bevor sie Welterbe wurde, heute kommen rund 1,5 Millionen Besucher.
Die Urlaubs-Trends 2015
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK hat die Bedeutung von Katalogen leicht abgenommen. Demnach nutzen nur noch gut ein Drittel der Urlauber Reisekataloge, um sich über Angebote zu informieren. Das Internet ist für 45 Prozent das Urlaubs-Recherche-Tool. Glaubt man einer Analyse von Google und TUI, gilt das sogar für satte 80 Prozent aller Reisebuchungen.
Ganz persönlich auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten - so wollen immer mehr Deutsche urlauben, so das Ergebnis der GfK-Umfrage. Demnach sind Zusatzleistungen wie der Privattransfer zum Hotel, individuelle Ausflugserlebnisse oder die Wahl zwischen verschiedenen Flugklassen für Reisende immer wichtiger und werden häufiger nachgefragt.
Auch wenn Individualität von vielen geschätzt wird, so machen es setzen die Deutschen trotzdem gerne auf eines: die All-Inclusive-Reisen. Laut GfK wuchs diese Urlaubsform weiter leicht - damit wird ein Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Mittlerweile seien 24 Prozent aller Flug- und Autoreisen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurden, All-Inclusive-Reisen, so der Bericht.
Familien sind mehr unterwegs - ob mit dem Auto oder dem Flugzeug. Laut GfK ist der Familienanteil bei beiden Reisetypen, die über ein Reisebüro oder einen Reiseveranstalter gebucht wurde, überproportional gestiegen. Allein im Vergleich zur vergangenen Saison 2013/14 stieg die Zahl der Buchungen um 20 Prozent an.
Reisen im Luxussegment werden ebenfalls höher nachgefragt, so die GfK. Demnach werden besonders hohe Zuwächse bei Haushalten mit höherem Einkommen, sprich ein Haushaltsnettoeinkommen größer als 4000 Euro, mehr nachgefragt.
Doch es sind nicht allein diese Besucher, um derentwillen sich Landesfürsten und Stadtväter um den Titel so bemühen. Wer in Deutschland dieses Siegel trägt, wird von der Bundesregierung protegiert. Nationale touristische Werbekampagnen fokussieren sich auf die Welterbestätten. Und bei der Städtebauförderung werden sie bevorzugt. Als der Bund nach der Finanzkrise sein Konjunkturpaket auflegte, gab es für die Welterbestätten einen separaten Titel. 220 Millionen Euro wurden auf die 39 deutschen Sehenswürdigkeiten verteilt. So wertvoll wie der Titel inzwischen ist, so umkämpft ist er auch.
In den Hügeln an der Saale müssten sie reichlich verzagt sein. Denn objektiv betrachtet, sollten die Chancen schlecht stehen, zum Welterbe ernannt zu werden. Der Unesco-Entscheidung vorgeschaltet ist die Prüfung durch den Internationalen Rat für Denkmalpflege (Icomos). Im Frühjahr haben die Gutachter ihre Analyse zu den Denkmälern rund um Naumburg vorgelegt. Fazit: durchgefallen. Landrat Ulrich aber sagt: „Wir glauben fest daran, dass wir eine überzeugende Bewerbung vorgelegt haben, und das wollen wir der Unesco auch beweisen.“
Den Kern ihres Vorschlags bildet der Naumburger Dom, in dessen Inneren sich eine der berühmtesten Figurengruppe der Gotik befindet, darunter Uta von Naumburg, die „schönste Frau des Mittelalters“. Das allein hätte für den Titel Welterbe nicht gereicht. Zu viele gotische Sakralbauten stehen schon auf der Liste. So erweiterten die örtlichen Historiker das Konzept auf die umliegenden Flusstäler von Saale und Unstrut, in denen weitere Ortskerne, Klöster und Burgen aus der Zeit stehen. Der Kommentar von Icomos: „Einzigartig“ sei „allein die gewählte Definition, nicht aber die Stätte, mit der diese verbunden wird“.
Politik statt Profession
Doch die Entscheidung ist damit noch nicht gefallen. Eine Woche lang treffen sich die Unesco-Botschafter für ihre Jahrestagung, erst zum Schluss stimmen sie über neue Stätten ab. Genug Zeit, um aus einer wissenschaftlichen Entscheidung eine politische zu machen. „Ich werde natürlich die ganze Zeit vor Ort sein“, sagt Landrat Ulrich. Im Gepäck hat er eine Erklärung von neun Wissenschaftlern von Harvard bis zur Sorbonne, in der sie die „Einzigartigkeit der Kulturlandschaft an Saale und Unstrut“ preisen. Wie es dazu kam? „Wir haben die anerkannten Wissenschaftler eingeladen, sich vor Ort ein Bild von der Region zu machen“, sagt Ulrich. So klingt Wahlkampf nach Fifa-Manier, sagen andere.