United, Delta, American Wie aus amerikanischen Pleite-Airlines Vorbilder wurden

Die amerikanischen Airlines Delta, American und United haben es von den Witzfiguren der Branche zu Vorbildern für europäische Fluglinien gebracht. Was die Linien so stark macht - und welche Fehler sie noch immer haben.

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Flugzeuge von American Airlines, United Airlines und Delta Airlines Quelle: dpa, Montage

Zu Beginn des Jahres eröffnete Bradley D. Tilden eine neue Form des Wettstreits unter den Fluglinien der USA. "Wir wollen die beste Rendite der Branche", erklärte der Chef von Alaska Air, einer besonders im Nordosten der Vereinigten Staaten aktiven Airline.

Die Mission wird schwerer als gedacht. Im Geschäftsjahr 2014 erreichte seine Linie bei der Umsatzrendite immerhin Rang zwei der Fluggesellschaften – nach dem Ultrabilligflieger Allegiant (siehe Grafik). Aber die Konkurrenz schläft nicht und zurzeit geht es der amerikanischen Flugbranche insgesamt sehr gut. Analysten erwarten Rekordwerte für fast alle US-Linien, die in diesen Tagen die Zahlen für das erste Quartal vorlegen.

Rentable Überflieger



Die Grafik zeigt die Umsatzrendite der großen US-Fluglinien für das Jahr 2014 vor Steuern in Prozent

Daten: Alaska Air



Delta Airlines gab in der vergangenen Woche bekannt, in den ersten drei Monaten des Jahres einen Gewinn von 594 Millionen Dollar gemacht zu haben. Das übertrifft schon zum traditionell reise- und damit renditeschwachen Jahressanfang die Werte fast aller Fluglinien der Welt. Lufthansa-Partner United Airlines präsentierte am Donnerstag ein Rekordergebnis von 600 Millionen Dollar. Und für Freitag erwarten Analysten ebenso gute Zahlen beim letzten der drei US-Marktführer: American Airlines.

US-Linien als Rendite-Champions, der Gedanke wäre noch vor gut zehn Jahren keinem in der Flugbranche gekommen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verulkten Airline-Manager weltweit die damals "Big Six" genannten Marktführer als "Sick Six".

Top 10 Fluglinien nach der Anzahl der Passagiere weltweit

Die kranken Sechs hatten mehrere Jahre mit Milliardenverlusten hinter sich und standen am Rande der Pleite. "Die waren nicht wie heute ein Vorbild sondern Witzfiguren", erinnert sich ein führender Manager der Lufthansa. "Über die redeten wir nur, wenn wir uns angesichts unserer Probleme ein wenig aufrichten wollten. Denn denen ging es noch schlechter." Das hat sich grundlegend geändert. "Heute sind die US-Linien die effizientesten der Flugbranche", urteilten die Analysten des auf die Flugbranche spezialisierten Marktforschers CAPA.

Die Rückkehr der US-Airlines

Die Konkurrenten der US-Airlines führen den Erfolg auf drei Glücksfälle zurück: Zum einen den Verfall des Ölpreises. Vorteile birgt zum anderen birgt der große Heimatmarkt USA. Darunter der Wegfall der anderswo üblichen teuren Unterschiede bei Gesetzen und die "Fly American" genannte Vorschrift, dass Angehörige des öffentlichen Dienstes nur in Ausnahmefällen ausländische Linien buchen dürfen.

Die pünktlichsten Airlines der Welt
Singapore Airlines Quelle: REUTERS
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Air Berlin Quelle: dpa
Lufthansa Quelle: dpa
ANA Quelle: dapd
Saudi Arabian Quelle: dpa Picture-Alliance
Japan Airlines Quelle: REUTERS


Als größter Glücksfall gilt jedoch die Gnade des US-Konkursrechts. Wo angeschlagene Fluglinien im Rest Welt nur die Wahl haben, mühsam Kosten abzubauen oder dicht zu machen, kennen die Vereinigten Staaten noch den Gläubigerschutz nach Chapter 11 des Konkursrechtes.

Dabei muss ein Unternehmen nur die alte Führung rauswerfen, quasi die Aktionäre enteignen und sich dem Urteil eines Richters unterordnen. Im Gegenzug kann sie alle lästigen Verträge mit Arbeitnehmern, Leasinggebern oder den Vermietern an Flughäfen kündigen und anschließend mit Hilfe anderer Finanzierer schlanker und effizienter neu erstehen. Diesen Jungbrunnen haben alle großen US-Linien durchlaufen, einige sogar mehrfach.

Doch wer den Erfolg nur auf Ölpreis, Heimatmarkt und Chapter 11 zurückführt, greift zu kurz. "Tatsächlich haben die Airlines nicht nur das Management, sondern auch den Managementstil geändert", urteilt eine Studie der US-Investmentbank J.P.Morgan. Mit Erfolg: CAPA-Analysten rechnen vor, dass die Marktführer American, Delta und United bei den Kosten den Billigfliegern extrem nahe kommen. Während in Europa Ryanair oder Easyjet im Schnitt gut ein Drittel günstiger fliegen als zum Beispiel die Lufthansa, haben die US-Discounter im Schnitt nur einen Kostenvorteil von gut zehn Prozent.

So gelang den US-Airlines der Wandel


Zuerst haben die US-Linien nicht nur lästige Gehaltsverträge abgeschüttelt und Leute rausgeworfen. Alle drei haben sich nach der Gläubigerschutz-Kur mit anderen Fluglinien zusammengetan – und die Bedingungen mir ihren künftigen Kunden und Mitarbeitern noch zu Chapter-11-Bedingungen verhandelt. Dazu gehörte auch, dass sie ihre Fusionen ohne Rücksicht auf Partnerschaften im Rest der Welt durchgezogen. So schluckte Lufthansa-Partner United den Wettbewerber Continental, der zuvor noch zu Skyteam um Air France gehörte. American fusionierte mit US Airways. Und Delta verleibte sich Northwest ein.

Die wichtigsten Fusionen der US-Airlines


Gleichzeitig schraubten die Linien auch ihren Service ohne Sentimentalität nach unten. Hierzulande galt es als kleine Katastrophe für das Image der Lufthansa, als sie ihren hoch defizitären Europaverkehr teilweise an ihre Billigtochter Germanwings übergab. Delta & Co. haben den Umweg über eine Billigtochter aufgegeben und sind selbst billig geworden. Sie bestuhlten ihre Flieger enger und strichen Gratisangebote - vom Essen bis zur Beförderung des Gepäcks.

Zu guter Letzt haben die Linien ihr Flugangebot verändert und viele Verluststrecken dicht gemacht, auch wenn die als Muss galten, damit die Mitglieder der Vielfliegerprogramme eine Chance zum Verbrennen ihrer Meilenkonten hatten. Wenn sie überhaupt gewachsen sind, dann dort wo es weniger Konkurrenz gab. Das sorgte für volle Flieger, wenig Wettbewerb und mehr Gewinn.

Milliarden an Schulden

Doch noch ist der Erfolg brüchig. Der Höhenflug der US-Airlines kann ein jähes Ende finden. "Die sind erst am Mittelpunkt ihres Umbaus", urteilen die Marktforscher von CAPA.

Fast alle tragen hohe Schulden mit sich herum, nicht zuletzt weil sie im Werben um die Investoren ihre Gewinne lieber für Dividenden oder Aktienrückkäufe nutzen. Delta hat zwar seit 2009 zwei Drittel der Schulden abgebaut, schleppt aber immer noch weitere sechs Milliarden Dollar Miese mit sich rum. Bei United sind es gar 18 Milliarden.

Unsicher ist auch, wie lange die Selbstbeschränkung beim Wachstum hält. Denn gerade weil die etablierten Fluglinien und auch klassische Billigflieger wie Southwest viele Strecken geräumt haben, gibt es reichlich Platz für eine neue Airline-Generation von Ultra-Billigfliegern. Im Gegensatz zu europäischen Geiz-Gesellschaften setzen Spirit oder Allegiant auf Konfrontation und starten in den großen Drehkreuzen mit Kampfpreisen. "Da dürfte die Gemütlichkeit mit knappem Angebot und hohen Preisen irgendwann kippen", ahnen die CAPA-Analysten.

Zumal sich mit den Golflinien Etihad, Qatar und Emirates gerade Angreifer aus dem Osten anschicken, den amerikanischen Markt aufzumischen.

Noch größer ist die Gefahr, dass die reformierten Airlines bei allem Erfolg in alte Gewohnheiten zurückfallen und nicht mehr auf ihre Kosten achten. So gewährten bereits einige Linien großzügige Gehaltserhöhungen. Edel-Billigflieger Virgin zahlt Bediensteten seit dem vorigen Jahr bis zu 15 Prozent mehr und auch American plant für dieses Jahr allein für höhere Pilotengehälter Mehrkosten von 650 Millionen US-Dollar ein.

Mit ähnlichen Exzessen begann schon die letzte große Krise zur Jahrtausendwende. Spätestens damit würden die US-Airlines alle Fortschritte gefährden, die sie sich bislang auf höchst unterschiedliche Weise erkämpft haben.

Die US-Airlines im Portrait

American Airlines

Die Linie mit Hauptsitz in Dallas in Texas vollzog mit der Übernahme von US Airways aus Phoenix, Arizona, die bislang letzte große Übernahme der US-Flugbranche. Dazu flüchtete sie im November 2011 als letzte in den Gläubigerschutz.

American in Zahlen

Trotzdem ist die Linie kein Nachzügler, denn sie startete mit der Übernahme der legendären TWA im Jahr 2000 die aktuelle Fusionswelle und versuchte - lange aber vergeblich - statt eines Konkursverfahrens durch eine Sanierung gemeinsam mit den Gewerkschaften die Kosten zu senken.

Doch den Rückstand macht die Linie durch einen ungewöhnlichen Weg aus dem Gläubigerschutz wett. Am Ende war ihre Fusion eine Art Reverse Takeover, bei dem die kleinere aber effizientere US Airways mit ihrem hemdsärmeligen Chef Doug Parker die Führung des Konzerns übernahm – und ihre moderneren Managementmethoden nebst dem guten Ruf bei Investoren mitbrachte.

Delta Air Lines

Von jeher ist Delta die nüchternste der ohnehin wenig glamourösen US-Linien.

Delta in Zahlen

Die Gesellschaft mit Hauptsitz bei Atlanta im Bundesstaat Georgia ersetzte ihre ohnehin bescheidene First Class durch eine im Vergleich zu anderen kaum verbesserte Business Class. Dafür arbeitete sie umso intensiver an ungewöhnlichen Strategien. Als erste baute sie ihre Allianz mit Air France und KLM zu einem Gemeinschaftsunternehmen aus.

Dazu suchte sie früh den Weg in eine Fusion, um sich einen möglichst passenden Partner suchen zu können – die ebenfalls eher schlichte Northwest. Den Kurs hat der aktuelle Chef Richard Anderson noch verstärkt. Als alle anderen Gesellschaften für viele Milliarden neue Jets bestellten, kaufte er alte Flieger und für das gesparte Geld eine Ölraffinerie. So verdient die Linie nicht Geld, sie sparte sich den hohen Zuschlag bei der Ölverbreitung. "Wir sichern damit quasi unserer Ölpreise", so Anderson.

So verlor Delta zwar im ersten Quartal 2015 rund 150 Millionen Dollar, weil sie ihre Spritbedarf zu sehr hohen Preisen gesichert hatte, aber wie alle Linien den Verfall der Spritpreise nicht voraussah. Doch rund die Hälfte holte sie über den Gewinn ihrer Raffinerie zurück.

United Airlines

Unter den Marktführern ist der Lufthansa-Partner der kleinste und bei Service oder modernen Managementmethoden auch die trägste Linie.

United in Zahlen

Die Fluggesellschaft aus einem Vorort von Chicago war am längsten im Gläubigerschutzverfahren und hat im Schnitt weniger Umsatz pro Passagier als ihre Rivalen. Das liegt daran, dass die Übernahme der modernen und vergleichsweise kundenfreundlichen Continental durch die relativ träge und bürokratische alte United mit die schwierigste Fusion der Branche war. Dies zeigt sich etwa im besonders auf der Langstrecke etwas schwer kalkulierbaren Service.

So buchen Vielflieger aus Europa gezielt die Routen der alten Continental über den New Yorker Flughafen Newark, weil diese besonders in der Business Class mit modernen Sitzen und einem umfangreichen Unterhaltungsprogramm deutlich angenehmer ist als bei der früheren United über Chicago oder Washington.

Dort gibt es fast keine Ablagefächer oder Stauraum und auch das Unterhaltungsprogramm ist weniger ausgefeilt.

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