Knapp 15 Jahre ist es her, da hatte Dena McCallum ein Schlüsselerlebnis. Die Ex-McKinsey-Beraterin war damals Strategiechefin des US-Verlages Condé Nast („Vogue“, „Vanity Fair“) und brütete über ihren Strategie- und Organisationsplänen für den internationalen Konzern. Da kam ihr die Idee, ein oder zwei ihrer gestandenen Ex-Kollegen von McKinsey, Boston Consulting Group oder Bain ein paar Wochen für sich einzuspannen.
Doch wie sollte das gehen, ohne gleich ein komplettes teures Projektteam samt Partner, Projektleiter und zig Analysten jeweils eines der drei großen Beratungshäuser anzuheuern? McCallum trommelte schließlich selbst ein paar erfahrene, erstklassig ausgebildete, aber ungebundene Ex-Kollegen zusammen und ließ sie als Freelancer für sich arbeiten. Kurze Zeit später, im Jahr 2000, gründete die gebürtige Kanadierin zusammen mit ihrer langjährigen McKinsey-Kollegin Liann Eden ihre Unternehmensberatung EdenMcCallum.
Die Firma arbeitet nach dem gleichen Muster und beschäftigt heute 40 Mitarbeiter in London und in Amsterdam. Zu den Kunden zählen Konzerne wie Shell, Danone und TNT sowie Private-Equity-Häuser à la 3i in 90 Ländern der Welt. Bisher schickte EdenMcCallum mehr als 1.000 Projektteams, bestehend aus zwei bis maximal sechs Freelancern, in Unternehmen.
Und die freuen sich über die Miniteams. Anders als Großberatungen, die vorrangig darauf achten müssten, ihre angestellten Berater auszulasten, hat sich EdenMcCallum aus dem weltweiten Pool von mittlerweile mehr als 50.000 Ex-Beratern von McKinsey, BCG und Co. 400 Koryphäen herausgepickt. „Die können Leute zeitlich flexibel zu Teams zusammenstellen, die auf die Bedürfnisse des Kundenprojekts genau zugeschnitten sind“, schwärmt Andrew Higginson, Ex-Finanzdirektor der britischen Supermarktkette Tesco.
Das kleine, aber feine Freelancer-Netzwerk zählt zu den Angreifern, die die Weltkarte der Unternehmensberatungen neu gestalten. „Die Auftraggeber verlangen heute dezidiert flächendeckende Internationalität, eindeutig die Expertise von Seniorberatern statt großer Beraterteams, hoch spezialisiertes Fachwissen, und das alles gekoppelt mit Vordenkertum“, sagt Eva Manger-Wiemann, Partnerin des Zürcher Metaconsulters Cardea, der Unternehmen bei der Auswahl von Beratern unterstützt. Universalanbieter, aber auch Nischenplayer, die nicht global genug agieren, gingen immer häufiger leer raus.
Voraussichtlich werden vier Gruppen von Beratern dominieren.
Klassische Strategieberater
Von ihnen werden langfristig vermutlich nur McKinsey, BCG und Bain überleben. Die Big Three führen seit Jahrzehnten die elitäre Strategieberatungsriege an. Ihr Geschäftsmodell bestand lange darin, smarte Berater für begrenzte Zeit in Organisationen zu schicken und Lösungen für schwierigste unternehmerische Probleme zu erarbeiten: zum Beispiel für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die Erschließung neuer Märkte.
Das Geschäft wächst
Doch das hat sich geändert. Bestand das Geschäft vor 20 Jahren noch zu 100 Prozent aus reinrassiger Strategieberatung, sind es heute nur noch 20 Prozent. Der Rest ist umsetzungsorientierte Organisations- und Prozessberatung. Das birgt Probleme, denn dafür bezahlen Unternehmen keine sündhaft teuren Spitzenberater mehr. Dies macht immer mehr Strategieberatungen zu schaffen. Als angezählt gelten vor allem die mittelgroßen Traditionshäuser wie Booz, A.T Kearney und Roland Berger; die Münchner sind noch immer zerstritten, ob sie allein weitermachen oder fusionieren sollen. Die Player aus der zweiten Reihe holen als globale Universalanbieter auf, erwirtschaften aber weit weniger als zwei Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr. Hier jedoch sehen Experten die magische Grenze, um auf Dauer Partner anständig bezahlen, Expansion voranzutreiben und gleichzeitig in Innovationen investieren zu können.
„Die eine Baustelle ist die Internationalisierung, die andere die zunehmende Digitalisierung sämtlicher Arbeits- und Lebensbereiche“, sagt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung aus Bonn. Wer nichts von IT, Digitalisierung, Social Media und Big Data versteht, dem nimmt kein Unternehmen mehr ab, dass er generelle Unternehmensstrategien entwickeln kann. „Kein zweites Haus hat sich auf die neuen Marktbedingungen so gut vorbereitet wie McKinsey“, glaubt Fink. So habe McKinsey schon 2007 ein Business Technology Office gegründet, das sich auf IT-Strategien konzentriert. Heute sind 700 McKinsey-Berater weltweit dort tätig.
Globale Multispezialisten
Die vier großen Wirtschaftsprüferkonzerne PwC, KPMG, EY (bis vor Kurzem noch: Ernst&Young) und Deloitte spielen eine immer wichtigere Rolle, indem sie sich zu globalen Megaberatungsfirmen entwickeln. Mehr als 30 Milliarden Dollar setzen die Big Four der Buchprüfer mittlerweile im Consultinggeschäft um. Sie helfen Unternehmen, ihre Lieferketten kostengünstig und steuersparend zu organisieren, installieren Risikomanagementsysteme oder finden neue Finanzierungsmodelle. Das Geschäft wächst.
Immer mehr Unternehmen verlagern ganze Finanz-, IT-, Kundenservice- und Personalabteilungen oder auch den Einkauf auf interne oder externe Dienstleister. Dazu braucht es steuer- und arbeitsrechtliches Know-how, aber auch Wissen über Prozesse, Organisation, IT sowie Strategie. Um dies liefern zu können, trachten die Big Four immer mehr danach, passende Beratungen zu schlucken. Auf diese Weise wollen sie in das Hochpreissegment der klassischen Strategieberater vorstoßen.
So kündigte PwC an, Booz & Company zu übernehmen, angeblich für bis zu 250 Millionen Dollar – Experten zufolge ein zu hoher Preis. Fiona Czerniawska, Chefin des britischen Marktforschungsinstituts Source for Consulting, sieht darin ein Indiz für den „Aufstieg einer neuen Klasse von Megafirmen“. Es werde „ein neues Segment entstehen, in dem alle bislang bekannten Unterschiede verschwinden“.
Nischenplayer, Newcomer
Hier wird es weiterhin Chancen für Spitzenanbieter geben. In Deutschland existieren neben den großen Strategieberatungshäusern Hunderte von mittelständischen Spezialistenboutiquen, die sich auf einzelne Branchen wie den Energie- oder Finanzsektor oder Fachthemen wie Lean oder Supply Chain Management spezialisiert haben. „Nicht wenige von diesen Spezialistenboutiquen liefern hervorragende Qualität und haben sich in den letzten Jahren ein klares Profil erarbeitet, das sie vom Wettbewerb absetzt“, sagt Cardea-Partnerin Manger-Wiemann.
Doch auch diese Spezialanbieter spüren deutlich den verschärften Wettbewerb. Nur wenige haben es wie der Pricing-Spezialist Simon-Kucher geschafft, sich weltweit einen Markennamen zu erarbeiten.
Deutschlands beste Berater
Vorjahr: 5
Beratung: Porsche Consulting
Punkte*: 2,27
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 1
Beratung: BCG
Punkte*: 2,16
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 2
Beratung: McKinsey
Punkte*: 2,08
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 6
Beratung: PwC
Punkte*: 1,89
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 3
Beratung: Roland Berger
Punkte*: 1,84
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 8
Beratung: Bain
Punkte*: 1,81
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 4
Beratung: A.T. Kearney
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 9
Beratung: Horváth
Punkte*: 1,78
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: 15
Beratung: Oliver Wyman
Punkte*: 1,73
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Vorjahr: -
Beratung: Stern Stewart
Punkte*: 1,68
*die Punktzahl ergibt als gewichtete Durchschnittsnote der Einzelkateorien Markenstärke, Wertsteigerung und Projekterfolg (s. Methode)
Die Bonner Unternehmensberatung beschäftigt weltweit 690 Mitarbeiter in 22 Ländern und gilt nicht nur in Europa, sondern vor allem auch in den USA als führende Adresse für Preisgestaltung. „Der Weg der Internationalisierung war nicht leicht“, erinnert sich Simon-Kucher-Chef Georg Tacke. „Wir hatten Glück, dass Pricing ein Thema ist, das überall auf der Welt für Unternehmen spannend ist, und dass wir zu den Ersten gehörten, die das Feld als Beratungsthema vor 28 Jahren erkannt haben.“
Eine Nische fand auch die Unternehmensberatung Acondas, die die Ex-McKinsey-Berater Jörg Fengler und Andreas Florissen vor zwei Jahren gründeten. Den beiden fiel auf, dass immer mehr Projektleiter in Unternehmen externe Hilfe suchten, um die einzelnen Projektschritte zu planen und abzuarbeiten. „Genau das machen wir bei Acondas“, sagt Fengler. Nach nur zwei Jahren zählt der Newcomer 25 Mitarbeiter.
Freelancer Plattformen
Der Harvard-Professor Clayton Christensen glaubt, dass die Beraterbranche an einem Scheitelpunkt angelangt ist. Dieselben Kräfte, die schon so viele Geschäfte umgewälzt hätten, von der Stahl- bis zur Verlagsbranche, „sorgen jetzt dafür, dass sich auch die Beraterbranche neu formiert“.
Basis dafür ist einmal mehr das Internet. Das ermöglicht einem einzelnen Strategieberater, sich von einer großen Beratung zu emanzipieren und seine Dienste alleine oder gemeinsam mit anderen Spezialisten anzubieten. Ein Solist kann Researchleistungen, die bisher die Großberatungen als ihre exklusive Domäne ausgaben, inzwischen auch anderweitig einkaufen und so im Paket mit anbieten. „Wenn es etwa darum geht, Kundendaten zu analysieren, gibt es mittlerweile zahlreiche Firmen wie etwa Salesforce.com, die günstig und strukturiert Daten aufbereiten und durch Tools systematisieren“, sagt Beraterexpertin Eva Manger-Wiemann.
So gibt es zunehmend sogenannte Database-Provider wie IMS Health, die rund um die Uhr hoch fundierte und hoch spezialisierte Markt- und Branchenanalysen liefern, auf Wunsch auch auf mobile Geräte. Freelancer-Beratungsfirmen wie Eden- McCallum in London, die Business Talent Group (BTG) in Los Angeles und a-connect in München kommen deshalb ohne eigene Researchabteilungen und teure Innenstadtbüros aus.
Damit zeichnet sich eine ganz neue Beraterszene ab, modular und mit Netzwerken, die sich bilden wie Teams in der Filmindustrie oder auch der Werbebranche, die sich nach der Beendigung des Projekts wieder auflösen. „Verschiedene Beratungshäuser und Einzelberater kommen für Projekte zusammen und gehen anschließend wieder ihrer Wege“, prophezeit daher die britische Beratungsexpertin Fiona Czerniawska.