Veolia Die Probleme des Versorgungsriesen

Den französischen Versorger Veolia drücken enorme Schulden – auch wegen Problemen in Deutschland. Doch gegen den Umbaukurs des Vorstandschefs formiert sich Widerstand.

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Antoine Frérot Quelle: Laif

Als Antoine Frérot das Wort ergreift, spricht der Chef des französischen Versorgers Veolia viel von „Erneuerung durch neues Wachstum“. In seinem Rücken sprießt taufrisches Grün auf einer Videoprojektion. Die Rede vor der Hauptversammlung in Paris ist Verteidigung und Werben zugleich.

Frérot steht in der Schusslinie wegen seines Konzernumbaus, der in den Büchern und an der Börse bisher den Erfolg vermissen lässt. Ein Putsch gegen ihn ist erst wenige Wochen her. Und auch nun lautet die erste Frage eines Aktionärs: „Sind Sie in der Lage, das Unternehmen zu führen?“

Veolia bezeichnet sich mit einem Umsatz von zuletzt 22,3 Milliarden Euro als weltgrößten Umweltdienstleister. Der Aktienkurs des Konzerns mit den Bereichen Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft und Energie liegt allerdings nur bei rund 13 Euro. Er ist zwar binnen eines Jahres um 40 Prozent gestiegen – aber noch weit entfernt von seinem Vorkrisenhoch von 62 Euro. Ursache dafür sind unter anderem Probleme auf dem nach Frankreich wichtigsten Markt Deutschland.

So war das Minus von 135 Millionen Euro im Vorjahr – 2012 gab es noch einen Gewinn von 404 Millionen Euro – auch einer 150 Millionen Euro teuren Wertberichtigung auf das Abfallgeschäft in Deutschland geschuldet. Angesichts sinkender Erlöse in diesem Bereich stellte sich der Kauf des Entsorgers Sulo 2007 für 1,45 Milliarden Euro als völlig überzogen heraus.

Zudem kehrte Veolia 2013 den Berliner Wasserbetrieben nach jahrelangem Streit den Rücken. Die Hauptstadtbürger und das Bundeskartellamt hatten Veolia und den Essener RWE-Konzern, der seine Anteile bereits 2012 an die Stadt zurückgegeben hatte, für unverhältnismäßig hohe Wassergebühren verantwortlich gemacht.

Die Trennung brachte Veolia zwar einmalig gut 600 Millionen Euro ein. Jedoch fehlen damit in Deutschland künftig Einnahmen von jährlich 50 bis 60 Millionen Euro. Der Vertrag sollte bis 2028 laufen.

Aktien-Info Veolia (Klicken Sie für eine detaillierte Ansicht bitte auf die Grafik) Quelle: Thomson Reuters

Frérot steuert seit gut zwei Jahren einen Umbaukurs. So hat er die Zahl der Märkte, in denen Veolia aktiv ist, um die Hälfte auf rund 40 reduziert. Durch den Verkauf zahlreicher Aktivitäten in diesen Märkten drückte er die Schuldenlast auf zwölf Milliarden Euro. Sie war infolge der ungezügelten Expansionslust seines Vorgängers Henri Proglio, heute Chef des Energiekonzerns EdF, auf astronomische 21 Milliarden Euro angewachsen. Allerdings sank auch der Umsatz von 2011 noch 29,6 Milliarden Euro auf zuletzt 22,3 Milliarden.

„Vor der europäischen Schuldenkrise war das rapide Wachstum von Veolia möglich. Nach der Krise nicht mehr. Ich musste Veolia schnell an die veränderten Verhältnisse anpassen“, betont Frérot im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Das wahre Ziel für den Umbau unserer Gruppe ist es, sie anzupassen an einen grundlegend veränderten konjunkturellen Kontext. Er hat sich sehr schnell verändert, und das dauerhaft.“

Krach im Aufsichtsrat

Wo der Strom herkommt
BraunkohleNoch immer der mit Abstand bedeutendste Energieträger Deutschlands: Im Jahr 2013 ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 geklettert. Mit 162 Milliarden Kilowattstunden macht der Strom aus Braunkohlekraftwerken mehr als 25 Prozent des deutschen Stroms aus. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor. Quelle: dpa
SteinkohleAuch die Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken stieg im Jahr 2013 – um 8 Milliarden auf mehr als 124 Milliarden Kilowattstunden. Damit ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger und deckt fast 20 Prozent der deutschen Stromproduktion ab. Vor allem Braun- und Steinkohle fangen also offenbar den Rückgang der Kernenergie auf. Quelle: dpa
Kernenergie Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken macht sich bemerkbar. Nur noch 97 Milliarden Kilowattstunden stammten 2013 aus Kernerenergie, drei weniger als im Vorjahr. Das sind allerdings noch immer 15 Prozent der gesamten Produktion. Damit ist Atomstrom nach wie vor die drittgrößte Energiequelle. Quelle: dpa
ErdgasDie CO2-arme Erdgasverbrennung ist - anders als Kohle - wieder rückläufig. Statt 76 Milliarden kamen im vergangenen Jahr nur noch 66 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erdgaskraftwerken. Das sind gerade mal zehn Prozent der Stromproduktion. Dabei war Erdgas vor drei Jahren schon einmal bei 14 Prozent. Quelle: dpa
WindkraftDer größte erneuerbare Energieträger ist die Windkraft. Mit 49,8 Milliarden Kilowattstunden in 2013 ist sie allerdings leicht Rückläufig. Insgesamt steigt der Anteil der erneuerbaren Energien jedoch stetig. Zusammengenommen produzierten sie 23,4 Prozent des deutschen Stroms. Quelle: dpa
BiomasseFast genauso viel Strom wie aus Windkraft stammte aus Biomasse. Die Produktion stieg auf 42 Milliarden Kilowattstunden. Damit steht Biomasse auf Platz sechs der bedeutendsten Energieträger. Quelle: ZB
PhotovoltaikEs reicht zwar nur für knapp fünf Prozent der deutschen Stromproduktion, aber Solarenergie ist die mit Abstand am schnellsten wachsende Energieform. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch gar keinen Sonnenstrom. Und seit 2007 hat sich die Produktion auf 28,3 Milliarden Kilowattstunden in 2013 beinahe verzehnfacht. Quelle: dpa

Branchenexperten geben dem 55-jährigen Bauingenieur nur teilweise recht. „Es stimmt, dass Frérot gute Arbeit geleistet hat, die Bilanz wieder in Ordnung zu bringen. Das war die höchste Priorität, als er den Posten übernahm“, sagt ein Analyst. „Was allerdings die Performance angeht, sehen wir noch nicht genügend Anzeichen für einen Turn-around.“ Frérot handle in Buchhaltermanier, kritisieren andere.

Im ersten Quartal 2014 sank der Umsatz erneut, diesmal durch den milden Winter und daher niedrigere Einnahmen vor allem im Heimatmarkt Frankreich. Seither gibt es Spekulationen über einen Zusammenschluss mit Konkurrent Suez Environnement – was beide vehement bestreiten.

Nachdem ein Versuch, Frérot zu stürzen, im Februar im Aufsichtsrat scheiterte, trat der Vertreter des Rüstungskonzerns Dassault (sechs Prozent der Aktien) wutentbrannt aus dem Kontrollgremium aus. Die französische Staatsbank Caisse des Dépôts (CDC), mit fast neun Prozent größter Aktionär, enthielt sich der Stimme.

CDC und Frérot liegen vor allem beim Management der ehemaligen Verkehrssparte Veolias über Kreuz, Transdev, an der beide je zur Hälfte beteiligt sind. Auch der Versicherer Groupama (5,2 Prozent der Aktien) entzog Frérot das Vertrauen und enthielt sich beim Votum über den Chef.

Die Aktionärsversammlung bestätigte ihn dennoch für weitere vier Jahre in Personalunion als Aufsichtsratschef und CEO. Grund dafür war vermutlich auch die Warnung von Veolia-Finanzchef Philippe Capron, es sei „dramatisch für ein Unternehmen, das so einen großen Transformationsprozess durchläuft, den Piloten mitten im Flug auszutauschen“.

„2014 wird Veolia wieder wachsen“, verspricht Frérot. „Mag sein, dass es Aktionäre gibt, die nicht mit der Strategie einverstanden sind. Aber sobald über sie entschieden ist, kann ein Chef sie nicht alle sechs Monate ändern.“ 750 Millionen Euro Kosten will Frérot bis Ende 2015 einsparen.

Zu den Wachstumsfeldern zählt er die Aufbereitung von Abwasser bei der Schiefergasgewinnung in den USA und den Rückbau stillgelegter Atomkraftwerke unter anderem in Deutschland. Letzteres ist ein riesiger Markt: Die Energieriesen E.On, RWE, Vattenfall und EnBW haben insgesamt etwa 35 Milliarden Euro dafür zurückgelegt, die bis 2022 stillgelegten Kernkraftwerke zu demontieren.

In den kommenden Jahren soll zudem die Abhängigkeit von Versorgungsverträgen mit Kommunen drastisch sinken. Wenngleich langfristige Abkommen mit städtischen Versorgern als sichere Bank erscheinen, sollen Verträge mit Industrieunternehmen für Abwasseraufbereitung, Abfallentsorgung und Verbesserung der Energieeffizienz künftig die Hälfte der Umsätze sichern. Diese Strategiewende ist auch eine Lehre aus den Problemen in Deutschland.

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