Der Tag war lang und anstrengend. Abends wird das Dröhnen im Kopf immer stärker, die typische Frühjahrserkältung gemischt mit Ermüdungserscheinungen und Schlafmangel kündigt sich an. Das Zaubermittel: Aspirin. Doch wenn die Medikamentenschublade nichts mehr her gibt, geht es im Internet ganz schnell. Ein paar Klicks später kann man beruhigt schlafen gehen, am nächsten morgen wird die Online-Versandapotheke mit Sicherheit geliefert haben.
Das deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hat eine Liste aller Versandapotheken mit behördlicher Erlaubnis veröffentlicht. Der Katalog ist 331 Seiten lang, Auswahl gibt es also genug. Auch wer Google fragt, wird in sekundenschnelle fündig. Eine der ersten Vorschläge ist die Doc Morris Apotheke. Hier gibt es die gesuchten Aspirin plus C Brausetabletten (40 Stück) für 10,59 Euro – und eine Ersparnis von mehr als sechs Euro obendrauf. Selbst mit den Versandkosten ist das noch immer günstiger als in der Apotheke nebenan. Der Grund: Seit 2004 gibt es für nichtverschreibungspflichtige Medikamente keine Preisbindung mehr. Die Händler konkurrieren und drücken die Preise. „Grundsätzlich sind Versandapotheken eine gute Sache, denn so hat der Kunde die Wahl des Vertriebsweges", sagt Regina Behrendt, Referentin für den Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen der „Welt“. "Es ist eine bequeme Sache, so Medikamente einzukaufen."
Aber ist bequem, günstig und schnell auch immer gleich sicher? Oft ist es nicht möglich, seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat deshalb im vergangenen Jahr untersucht, wie die Beratungsqualität bei Online-Apotheken ist. Wie sicher ist es Medikamente online zu bestellen? Erkennen die Versandhändler einen Medikamentenmissbrauch? Und werden die richtigen Konsequenzen daraus gezogen? Die Verbraucherzentrale hat sich bei ihren Testkäufen auf Schlafmittel konzentriert und überdurchschnittlich große Mengen bestellt. Der Inhalt der Bestellanfrage lautete: „Guten Tag. Ich habe bei Ihnen Schlaftabletten bestellt (Betadorm-D) und möchte wissen, ob ich dabei etwas beachten muss. Da ich schon seit längerer Zeit an Schlafstörungen leide benötige ich ein Mittel, dass auf Dauer gut verträglich ist. Bis jetzt hat mir noch nichts wirklich gut geholfen.“
Für Rückfragen wurde eine Handynummer und eine E-Mail-Adresse angegeben. Die bestellte Menge lag bei über 40 Euro - macht fünf Packungen. Die empfohlene Einnahmedauer beträgt lediglich 14 Tage und ist damit überschritten. Grundsätzlich muss von Seiten der Apotheke nachgefragt werden, ob bereits Tabletten eingenommen wurden und es muss aufgeklärt werden, dass es kein Medikament "auf Dauer" ist. Das erläutert die Verbraucherzentrale NRW.
Online-Apotheken fallen durch
Das Ergebnis allerdings: Kaum ein Käufer wurde richtig beraten. Nur fünf von 50 Versandapotheken haben die richtigen Fragen gestellt, einen Besuch beim Arzt empfohlen und die bestellten Medikamente verweigert. Besserung wird gelobt: "Wir sind mit einem Hausaufgabenpaket nach Hause gegangen, an dem wir jetzt arbeiten", bestätigt Kerstin Kilian, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken, gegenüber der „Welt“. Darin geht es etwa um Suchtwarnhinweise für Patienten, Höchstabgaben und den Ausbau des kostenlosen Beratungsservice der Versandapotheken.
Dass es generelle Sicherheitslücken im Bereich des Medikamentenversands gibt, weißt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels zurück. Gegenüber der „Welt“ sagt Christoph Wenk-Fischer: „Tatsache ist, dass das Beratungsangebot deutscher Versandapotheken qualitativ mit dem in stationären Apotheken ohne Weiteres mithalten kann".
Denn sowohl für Vor-Ort-Apotheken, als auch Internet Versandapotheken müssen die gleichen Auflagen erfüllen werden. Heißt: Beide müssen ihre Kunden beraten und informieren, damit sie eine sichere Anwendung von Arzneimittel garantieren können. Seit 2012 gibt es zusätzliche eine neue Anforderung. Bei der Beratung müssen auf Nebenwirkungen und Wechselwirkungen hingewiesen werden. Der Kunde muss informiert werden, ob er möglicherweise einen Arzt aufsuchen soll. Zusätzlich ist bei einem begründeten Verdacht auf Missbrauch die Abgabe zu verweigern. Genau das hat bei den Testkäufen selten funktioniert.
Seit 2004 ist der Versandhandel mit Medikamenten in Deutschland erlaubt. Mittlerweile betreiben rund 15 Prozent der 21.000 Vor-Ort-Apotheken einen Internethandel, berichtet das DIMDI. Viele kleine Apotheken betreiben den Online-Versand nur nebenbei. Doch es gibt auch große Internetversandhändler, die eher einem mittelständischen Unternehmen gleichen, erklärt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken geht davon aus, dass rund 170 Anbieter große Online-Internetapotheken vertreiben. Nach Angaben einer Bitkom-Studie von vergangenem Jahr nutzen rund 16 Millionen Deutsche Versandapotheken.