Die erste Herausforderung von Bsirskes fünfter Amtszeit steht bereits fest. Am 28. und 29. September treffen sich Gewerkschaft und kommunale Arbeitgeber, um zum xten Mal über die künftigen Löhne im Sozial- und Erziehungsdienst zu verhandeln. Nachdem die Verdi-Basis (gegen Bsirskes Empfehlung) das Schlichtungsergebnis abgelehnt hat, fordert die Gewerkschaft von den kommunalen Arbeitgebern ein neues Angebot, das über das Schlichtungsergebnis hinausgeht.
Fragen und Antworten zum Kita-Streik
Gewerkschaften und kommunale Arbeitgeber verhandeln nicht über eine prozentuale Tariferhöhung. Es geht darum, wie die Arbeit von Erzieherinnen und Sozialarbeitern bewertet und bezahlt wird. Die Gewerkschaften wollen durchsetzen, dass die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst mehrere Tarifstufen höher eingruppiert werden. Nach ihren Angaben hätte dies im Durchschnitt eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent zur Folge.
Die Verhandlungen laufen nur für die bei den Kommunen beschäftigten Erzieher. Das ist laut Verdi etwa ein Drittel - zwei Drittel arbeiten für freie Träger wie Kirchen oder die Arbeiterwohlfahrt. Bei den freien Trägern orientieren sich die Arbeitgeber der Gewerkschaft zufolge am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, allerdings häufig mit Eingruppierungen unterhalb des Niveaus bei den Kommunen.
Mit dem Ausbau der frühkindlichen Bildung seien die Anforderungen an die Erzieherinnen stark gestiegen, betont Verdi. Eine entsprechende Bezahlung sei aber ausgeblieben. Auch die Bertelsmann Stiftung streicht die gewachsenen Ansprüche an Erzieherinnen heraus. „Das Anforderungsprofil entspricht dem von Grundschullehrern“, sagt Anette Stein, die bei der Stiftung Direktorin des Programms Bildungsinvestitionen ist. Die Bezahlung bleibe aber „deutlich“ hinter der von Grundschullehrern zurück.
Die Einstufung im Tarifsystem erfolgt nach Tätigkeit und Berufserfahrung. Eine Kinderpflegerin erhält als Anfangsgehalt 2043 Euro brutto im Monat, die Leiterin einer Kita kann, bei besonders großen Einrichtungen, bis zu 4749 Euro im Monat verdienen. Eine Erzieherin mit achtjähriger Tätigkeit bekommt nach Angaben von Verdi derzeit 2946 Euro im Monat, nach den Vorstellungen der Gewerkschaft soll sie künftig 3387 Euro erhalten.
Die meisten Erzieherinnen seien bereits jetzt in die höchste Erfahrungsstufe eingruppiert und hätten damit ein Monatsgehalt von 3289 Euro. Die kommunalen Arbeitgeber vergleichen die Bezahlung der Erzieherinnen mit der von Handwerkern im öffentlichen Dienst oder Brandmeistern bei der Feuerwehr. Das Einkommen des Ausbildungsberufs Erzieherin liege oberhalb dieser Gruppen.
Viele Kita-Beschäftigte haben in einer aktuellen Befragung eine schlechte Bezahlung und fehlende Wertschätzung beklagt. Das Vorurteil „wir spielen, basteln und betreuen die Kinder nur“ sei noch weit verbreitet. In einer beim Kitaleiter-Kongress am Mittwoch in Dortmund vorgestellten repräsentativen Umfrage gaben fast 88 Prozent der Befragten an, ihre Bezahlung entspreche nicht den gestiegenen Anforderungen an ihre Arbeit.
Ansonsten werde es laut Bsirske eine „massive Eskalation des Konfliktes werden mit hohen Belastungen für alle Beteiligten, für Eltern, Arbeitgeber und die Streikenden“. Allerdings ist Bsirske erfahren genug, um zu wissen, dass es für die renitente Haltung seiner Gewerkschaft im Kita-Streit außerhalb von Verdi kein Verständnis mehr gibt. Vielleicht ging der 63-Jährige auch deshalb heute erneut ans Rednerpult, um seine Leute vor „Tarifromantik“ zu warnen und die Botschaft loszuwerden: „In der Regel muss man Tarifkompromisse schließen“.
Doch wie könnte der aussehen? Möglich wäre etwa, die im Schlichterspruch festgelegte lange Laufzeit von fünf Jahren etwas zu verkürzen und Umschichtungen im Gehaltsgefüge zu vereinbaren, die den Kuchen nicht vergrößern, sondern nur anders verteilen. So könnte der Lohnzuwachs für Leitungspersonal etwas geringer ausfallen, dafür die einfachen Erzieherinnen mehr bekommen. Innergewerkschaftlich ließe sich das ohne größere Verwerfungen durchsetzen, da die Kita-Leiter eine zahlenmäßig vergleichsweise kleine Gruppe sind (mit entsprechend wenig Protestmacht) und monetäre Nivellierungstendenzen bei Verdi traditionell stark ausgeprägt sind.
Am Rande des Gewerkschaftstages äußerten Verdianer allerdings die Befürchtung, die kommunalen Arbeitgeber könnten die Verhandlungen verschleppen, um den Kitastreit in die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes zu tragen; dort läuft der Tarifvertrag Ende Februar aus. Deutlich höhere Löhne für Erziehungs- und Sozialberufe könnten dann womöglich in einem Gesamtpaket die Zuwächse bei anderen Berufsgruppen begrenzen – eine angesichts der kommunalen Finanzprobleme nicht völlig abwegige Strategie. Für streikgeplagte berufstätige Eltern wäre das wahrlich keine gute Nachricht.