Wechsel zu Roche Warum Franz die Lufthansa in Krisenzeiten verlässt

Mehr Geld, weniger Stress und näher an Zuhause: Warum Lufthansa-Chef Christoph Franz statt Europas größter Fluglinie lieber den Schweizer Pharmakonzern Roche führt.

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Christoph Franz Quelle: rtr

In seiner Karriere hat sich der scheidende Lufthansa-Chef Christoph Franz oft an Vorbildern orientiert. Vom früheren Lufthansa-Konzernchef und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Weber lernte er die Begeisterung für das Fluggeschäft sowie den bescheidenen Auftritt und von Webers Nachfolger Wolfgang Mayrhuber Wichtiges beim Umgang mit Mitarbeitern oder Begeisterung für die Details im Alltagesgeschäft.

Nun hat sich Franz erstmals an einem Manager von außerhalb der Transportbranche orientiert. Wie Jörg Reinhardt tauscht Franz den Chefsessel eines deutschen Vorzeigeunternehmens mit dem Führungsposten eines Schweizer Pharmariesen. Reinhardt wechselte jüngst von der Leitung der Pharmasparte bei Bayer auf den Job des Verwaltungsratspräsidenten des Pharma-Konzerns Novartis. Und Franz wird spätestens im kommenden Juni in gleicher Funktion bei dessen heimischen Erzrivalen Roche loslegen.

Potenzielle Nachfolger auf dem Lufthansa-Chefposten

Mit seiner Entscheidung hat Franz zwar seine Kollegen und die ganze Flugbranche überrascht. Denn der gebürtige Frankfurter gilt zu Recht als extrem pflichtbewusster Manager, der keine halben Sachen macht. Schon gar nicht, wenn ein Unternehmen wie seine Lufthansa mitten in einer Grundrenovierung steckt, die quasi die letzte Chance ist, dem wachsenden Druck effizienterer Wettbewerber wie Billigfliegern und Fluglinien vom persischen Golf zu trotzen und der Kranichlinie einen Platz unter den Branchenführern zu sichern.

Zudem ist das aktuelle Effizienzprogramm unter dem Namen Score Franz‘ eigenes Werk, das er mehr als jeder andere selbst gegen massive Widerstände im Unternehmen und auch bei den Kunden erdacht und vorangetrieben hat. Dazu besetzte Franz in den vergangenen anderthalb Jahren den Konzernvorstand in einem steten Ringen mit Aufsichtsrat und dem Rest der Lufthansa-Führung mit Vertrauten wie Personalchefin Bettina Volkens, Finanzchefin Simone Menne und seinem Nachfolger auf dem Chefsessel der Swiss Harry Hohmeister.

Seit am Wochenende wegen der Nachricht über Franz' Wechsel „viele im Unternehmen und der Branche furchtbar vom Stuhl gefallen sind“, wie ein Vertrauter anmerkt, sprießen die Spekulationen. Warum gab Franz trotzdem dem „Wildern des Pharmariesen“ (Financial Times) nach?

Was in jedem Fall keine Rolle spielte, war laut Unternehmenskennern der immer wieder berichtete interne Machtkampf mit seinem Vize Carsten Spohr. Mit dem Leiter des Fluggeschäfts hatte Franz zwar lange und intensive Diskussionen. „Doch beide waren am Ende in der Richtung einig und auf Vorstands- sowie Aufsichtsratssitzungen oder internen Veranstaltungen gab es über Frotzelein hinaus keine Anzeichen für ein Zerwürfnis oder gar eine offene Intrige“, sagt ein hochrangiger Lufthansa-Manager.

Warum der Pflichtmensch Franz dann doch quasi fahnenflüchtig wurde, lag vor allem an der allzu verlockenden Offerte des in Basel ansässigen Unternehmens. „Das Angebot erfüllte praktisch alle Wünsche, die ein Manager wie Franz haben kann“, heißt es im Umfeld der Unternehmen.

Doppelt so viel Gehalt

So reizte Franz an der wohl einmaligen Chance die höhere Reputation, die Arbeitsbedingungen und die Nähe zur eigenen Familie. Mit Roche übernimmt Franz nicht nur einen gut laufenden Konzern, sondern ein in der Branche führendes Unternehmen mit einer deutlich größeren Geltung. „Die spielen wirtschaftlich in einer ganz anderen Liga“, so ein Franz-Vertrauter.

Während die Lufthansa auf einen Überlebenskampf zusteuert, ist Roche in jeder Hinsicht grundsolide. Die Pipeline mit neuen Medikamenten ist gut gefüllt. Dazu ist die Zahl neuer Billigwettbewerber, die mit günstigen Nachahmerpräparaten die Preise verderben, derzeit rückläufig. Dass der Job mit umgerechnet knapp sieben Millionen Euro Jahresgehalt in etwa doppelt so gut dotiert ist wie sein heutiger war für den eher bescheidenen Franz sicher nicht entscheidend, „aber es stört nun auch nicht“, wie ein Vertrauter anmerkt.

Dazu kommen die für einen Führungsposten ungewohnt angenehmen Arbeitsbedingungen. So genießt Roche nicht nur einen guten Rückhalt in der heimischen Politik, während die Luftfahrt von der Politik als Melkkuh gesehen wird“, wie Franz mal kritisierte.

Dazu ist der Alltag weniger aufreibend. Zwar scheut Franz keine Veränderungen und fürchtet keine Widerstände. „Ein Unternehmer heißt so, weil er was unternimmt“, kalauerte er einmal. Bei Roche kann er das und zwar aus einer Position der Stärke. Bei Lufthansa hingegen litt Franz unter den trotz aller Macht relativ geringen Gestaltungsmöglichkeiten. Zwar waren sich am Ende Management und Belegschaft einig, dass die Lufthansa ihre Kosten deutlich senken muss, um im Wettbewerb zu bestehen. Doch den Alltag bestimmte ein ständiger Kleinkrieg, wo selbst Unvermeidliches in Frage gestellt und zerredet wird. „Selbst kleine Dinge wie das Design der Serviette werden endlos diskutiert“, heißt es intern.

Als die Lufthansa angesichts der Übermacht der Billigflieger Ende 2012 ihr Geschäft mit den Europaflügen abseits der Drehkreuze Frankfurt und München an ihre Billigtochter Germanwings übergab, gab es endlose Diskussion und interne „Widerstände am Rande der Obstruktion“, wie Vertraute von Franz anmerken. Dabei hatte die Lufthansa jahrelang versucht, das Problem unter der eigenen Marke durch immer neue interne Projekte zu retten wie zuletzt mit einer Billigtochter in Berlin mit Leiharbeitern. Doch alle waren krachend gescheitert.

Angenehmer ist auch der Umgang mit Investoren. Bei Roche bestimmen Eigentümer-Familien Hoffmann und Oeri mit ihrer Stimmenmehrheit die Geschicke, ließen aber Franz Vorgänger auf dem Chefsessel Franz Humer im Alltag praktisch freie Hand. Ganz anders bei Lufthansa. Hier kam Franz bei jeder Änderung nicht nur mit den Gewerkschaften und vor allem den mächtigen Piloten in den Clinch. Auch mit den Investoren gab es angesichts der mageren Gewinne häufig Stress, etwa als im Frühjahr der Wechsel bei der Aufsichtsratsführung von Weber an Mayrhuber in einem unnötigen mehrtägigen Krimi endete.

Zu guter Letzt bietet der Wechsel zum Familienkonzern in die Dreiländerregion Schweiz, Frankreich, Deutschland Franz auch eine größere Nähe zu den eigenen Lieben. Auch wenn Franz in Gewerkschaftskreisen als knallharter Macher gilt, ist er doch nicht zuletzt ein Familienmensch und sucht die Zeit mit Frau und seinen fünf Kindern. Die waren in Zürich geblieben als Franz 2009 in die Lufthansa-Zentrale wechselte.

Das lag nicht zuletzt daran, dass Franz in Frankreich geborene Gattin die schlichtere eidgenössische Lebensart näher lag als der etwas aufwändigere Alltag der Geldmetropole Frankfurt. Bei Roche kann Franz zudem quasi jeden Abend von Basel nach Zürich nach Hause reisen. Bei LH konnte er das bestenfalls am Wochenende, wenn nicht gerade wieder Dienstreise ins weltweite Streckennetz der Lufthansa oder den vielen Allianzpartnern anlag.

Somit ist der Wechsel für Vertraute am Ende unwiderstehlich. „Die Chance, sich auf einen Schlag praktisch in allen Teilen seines Lebens zu verbessern, hat ein Manager wohl nur einmal im Leben“, meint ein Begleiter.

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