Weltbild-Insolvenz Hugendubel hat Interesse an Weltbild-Filialen

Nach der Pleite des Buchhändlers Weltbild könnte dessen riesiges Filialnetz an das Traditionshaus Hugendubel fallen. Auch andere Verlage sind an Weltbild-Teilen interessiert. Jetzt kommt es vor allem auf Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz an.

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Arndt Geiwitz (44) Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er ist einer der bekanntesten Insolvenzverwalter des Landes, spezialisiert auf die Abwicklung von Großverfahren. Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Um den Niedergang des Augsburger Weltbild-Konzerns zu verstehen, genügt im Grunde ein Klick auf den Online-Shop des Medienhändlers. Wer dort den Namen Arndt Geiwitz in das Suchfeld tippt, erhält „keine Treffer“ im „gesamten Sortiment“. Der Erzrivale Amazon listet dagegen gleich mehrere Bücher auf, die der vorläufige Weltbild-Insolvenzverwalter mitverfasst hat: vom demnächst erscheinenden „Handbuch zum Konzerninsolvenzrecht“ über den Schmöker „Unternehmenssanierung“ bis zum Turnaround-Wälzer „Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz“.

Der 44-jährige Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist einer der bekanntesten Insolvenzverwalter des Landes, spezialisiert auf die Abwicklung von Großverfahren. Doch der Weltbild-Fall dürfte auch ihn und seine Mitarbeiter und Namenspartner aus der Neu-Ulmer Kanzlei SchneiderGeiwitz & Partner an ihre Grenzen bringen.

Zwar ist bisher nur der Versand- und Online-Handel von der Insolvenz betroffen, in den gut 320 Läden der Gruppe geht der Verkauf weiter. Doch das kann sich schnell ändern. Verdi-Vertreter Timm Boßmann erwartet einen „Domino-Effekt“, bei dem die Pleite des Konzerns auf dessen Töchter und Beteiligungen durchschlägt. Im Blickpunkt stünde dann vor allem die DBH Buch Handel, ein Gemeinschaftsunternehmen der Augsburger mit dem Münchner Verlegerclan Hugendubel, das in Deutschland die mit Abstand meisten Buchläden betreibt.

In der Gesellschaft sind sämtliche Weltbild-, Hugendubel- und Jokers-Filialen gebündelt. Noch ist die Gemengelage unübersichtlich, Dutzende Insolvenzanwälte brüten darüber. Doch aus Unterlagen, die der WirtschaftsWoche vorliegen, geht hervor, dass Hugendubel nach der Insolvenz des Joint-Venture-Partners Weltbild dessen Geschäftsanteile kurzerhand einziehen könnte. Das komplette Filialnetz würde dann an die Münchner fallen.

Riskiert Hugendubel den Vorstoß? Kippt DBH ebenfalls in die Pleite? Oder loten die Beteiligten einen Kompromiss aus? Hugendubel will sich dazu nicht äußern, auch Geiwitz schweigt. Klar ist: Das Gefeilsche um die Filialen dürfte neben dem Schicksal der Mitarbeiter in den kommenden Wochen zum beherrschenden Thema des Verfahrens werden. Als hätte Geiwitz nicht schon genug Probleme.

Versandhauspleiten gelten für alle Beteiligten als zeit- und kräftezehrend – weder glückte die Rettung von Quelle noch die von Neckermann. Logistiker, Lieferanten, Warenkreditversicherer, IT- und Factoring-Dienstleister müssen umgarnt werden, damit das Geschäft weiterlaufen kann. Anschließend muss Geiwitz einen Investor auftreiben, der einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nimmt.

Zwar ist Weltbild eine bekannte Marke mit Millionen Kunden, auch viele Verlage haben ein vitales Interesse daran, dass das Unternehmen als Vertriebskanal überlebt. Mit dem Lesegerät Tolino verfügt Weltbild zudem über einen echten Bestseller im Digitalgeschäft. Doch reicht das aus?

KPMG warnt vor "Schlecker II"

Ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vergleicht die Insolvenz von Weltbild bereits mit Schlecker. Quelle: REUTERS

Schon kursiert ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, in dem vor einem Fall „Schlecker II“ gewarnt wird. „Das wäre eine Horrorvorstellung“, sagt Verdi-Vertreter Boßmann. Ausgerechnet Schlecker, jener krachende Zusammenbruch des schwäbischen Drogerieimperiums, bei dem Geiwitz ebenfalls als Insolvenzverwalter Regie führte, wird zur Referenzgröße. Ein Menetekel – der Verkauf des Shampoo- und Deo-Discounters scheiterte, Tausende Mitarbeiter verloren ihre Jobs, das Gros der Gläubiger ging leer aus. Dass es auch bei Weltbild zu einem Stellenabbau kommen wird, scheint absehbar. Geiwitz’ Vorteil: Die Gewerkschaft macht Druck auf die kirchlichen Eigentümer. Womöglich kann er den Zorn in klingende Münze wandeln und sich Transfergesellschaften von der Kirche sponsern lassen. „Ablasshandel hat schon immer funktioniert“, lästert ein Frankfurter Sanierer.

Unklarer ist der aktuelle Frontverlauf im Filialgeschäft. 2007 hatten der Münchner Buchhändler Hugendubel und der Billigheimer Weltbild ihr Filialgeschäft in der Finanz-Holding DBH zusammengelegt und in Paragraf 12 der Satzung explizit „die Einziehung von Geschäftsanteilen“ ermöglicht, sofern ein Insolvenzverfahren über einen der Gesellschafter eingeleitet wird.

Ob die Münchner diese Option ziehen und ob ihnen das hilft, ist allerdings ungewiss. Denn auch Geiwitz hat einige Pfeile im Köcher. Offen ist etwa die Zukunft des Hugendubel-Online-Shops. Zwar betreiben beide DBH-Partner unterhalb der Holding die jeweiligen Filialen in Eigenregie. Doch im Online-Handel ist tatsächlich Weltbild.de drin, wo Hugendubel.de draufsteht – zumindest noch. Darum verkauft Hugendubel.de wie Weltbild.de seit der Insolvenz keine Gutscheine mehr. Laut Hugendubel arbeite man aber „bei unserem Online-Shop derzeit an einer Lösung“.

Zudem taucht in den zuletzt veröffentlichten Bilanzen der DBH ein Darlehen von Weltbild über rund 18 Millionen Euro auf, das der Verwalter von der Tochter zurückfordern dürfte. Fraglich ist ohnehin, ob Hugendubel neben den 77 eigenen Läden überhaupt Interesse an den rund 320 Weltbild-Geschäften hätte – und wie sich Umbau und Integration finanzieren ließen. Hinzu kommt: Die klassischen Weltbild-Filialen würden noch einigermaßen ins Portfolio passen, doch bei den „WeltbildPlus“ getauften Billigbunkern dürften sich die Münchner Literaten sträuben. Hier dominieren buchferne Angebote wie Zimmerbrunnen und sonstiger vom monatlich versandten Katalog befeuerter Tinnef.

Doch eine Lösung muss schnell her. So gab Weltbild zwar die Parole aus, die Filialen seien von der Pleite nicht betroffen. In Wirklichkeit aber zeigen sich längst die Tücken des Konstrukts. So werden etwa die Kataloge von der Muttergesellschaft produziert. Sie gelten intern als „Lebensader für das Weltbild-Plus-Format.“ Wenn die bunten Blätter, „die Leute nicht mehr zum Kaufen animieren, sinkt ganz schnell der Umsatz“, warnt ein Handelsspezialist. Viele Verlagsmanager dürften auf die Augsburger derzeit ohnehin nicht allzu gut zu sprechen sein. Bei Zahlungszielen von 60 bis 90 Tagen seien die Erlöse aus dem wichtigen Weihnachtsgeschäft von Weltbild nicht an die Verlage weitergeleitet worden, heißt es in der Branche. Wer nicht versichert ist, muss nun auf einen Bruchteil aus der Insolvenzmasse hoffen. Abgesichert hatte sich der Kölner Verlag Bastei Lübbe: „Das ist teuer“, sagt Vorstandschef Thomas Schierack, „aber wir sind jetzt angesichts der Weltbild-Insolvenz heilfroh darüber.“

Veto der Bischöfe

Die größten Unternehmenspleiten 2013
KunertAm seidenen Faden hing das Schicksal des Strumpfherstellers Kunert. Das 1907 gegründete Unternehmen musste im Frühjahr Insolvenz anmelden. Umsatzrückgänge, steigende Verluste und ein hoher Schuldenberg hatten die Firma, für die einst Hildegard Knef und Romy Schneider Reklame machten, in Schieflage gebracht. Die Rettung war der österreichische Unternehmer Erhard Grossnigg, der im September den Geschäftsbetrieb des Allgäuer Traditionsunternehmens samt der Produktionsstätten in Immenstadt und Marokko übernahm. Im Insolvenzverfahren wurde gut jede zehnte der 1000 Stellen abgebaut. Quelle: dpa-dpaweb
Conergy & CoDer Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromerzeugung steigt und steigt. Doch bei den Herstellern von Solaranlagen herrscht Krisenstimmung. Bereit im Januar musste die Erfurter Asola Solarpower Insolvenzantrag stellen, im Juli folgte der einstige Börsenstar Conergy aus Hamburg. Die Branche leidet unter der sinkenden Förderung und der Konkurrenz aus China. Doch auch bei den Windanlagenbauern ging es stürmisch zu. Quelle: dpa
WindreichDer Windpark-Entwickler Windreich musste im September Insolvenz anmelden. Auch wenn der Name der Firma nicht jedem vertraut ist, ist sie doch ein wichtiger Spieler im Geschäft mit Offshore-Windanlagen im Meer. Quelle: dpa
LoeweEdle Fernseher zu hohen Preisen. Dieses Konzept hat den deutschen Fernsehhersteller Loewe zu einer Design-Ikone gemacht. Doch gelang es dem Unternehmen aus dem fränkischen Kronach in den vergangenen Jahren immer weniger, damit Geld zu verdienen. Der Preiskampf in der Branche und die harte Konkurrenz aus Asien sorgten für tiefrote Zahlen. Im Juli musste Loewe gerichtlichen Gläubigerschutz beantragen. Im Oktober folgte der Insolvenzantrag. Dennoch hofft der Konzern auf Rettung. Investoren seien bereit, den TV-Hersteller zu übernehmen, berichtete Loewe-Finanzvorstand Rolf Rickmeyer im November. Quelle: dpa
Flexstrom„Verboten günstig“: Mit diesem Slogan warb der Strom- und Gashändler Flexstrom. Doch spätestens seit dem 12. April dieses Jahres hat der Werbespruch eine neue Bedeutung. Denn an diesem Tag musste das Berliner Unternehmen Insolvenz anmelden. Nach Einschätzung des Insolvenzverwalters ist es das größte Insolvenzverfahren der deutschen Geschichte. Betroffen sind rund 835.000 Kunden. Der Konzern schuldet Hunderttausenden von Ihnen Geld. Meist dreistellige Beträge, die die Verbraucher als Vorauszahlung überwiesen hatten. Gut 130.000 Kunden haben laut Insolvenzverwalter bereits Forderungen angemeldet. Quelle: dpa
Praktiker„20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung“: Diese Rechnung ging für Praktiker nicht auf. Zahlungsunfähig musste die drittgrößte deutsche Baumarktkette im Juli Insolvenz anmelden. Das Unternehmen habe sich ins Jenseits rabattiert, urteilten Branchenkenner. Auch Hoffnungen, zumindest die Tochtergesellschaft Max Bahr retten zu können, zerschlugen sich. Betroffen von der Pleite sind über 300 Märkte mit rund 15.000 Beschäftigten. Quelle: dpa

Sollte Geiwitz Weltbild filetieren und in Teilen verkaufen, stünde Bastei Lübbe als ein Käufer bereit: „Ich kann mir schon vorstellen, dass bestimmte Teile von Weltbild, etwa das Digitalgeschäft, auch für uns interessant sein könnten“, sagt Vorstandschef Schierack. Womöglich wäre ein Kauf funktionierender Weltbild-Teile auch für eine Allianz mehrerer deutscher Verlage eine attraktive Option. Zunächst aber ist Geiwitz am Zug – und Hugendubel.

Angesichts der Probleme ihres Partners hatten die Münchner schon seit geraumer Zeit die Herauslösung ihres Geschäfts samt Web-Site aus der DBH betrieben. Ende Januar sollte der Schritt vollzogen werden. Doch die Weltbild-Pleite warf die Pläne praktisch auf der Zielgeraden über den Haufen und „mache die geplante Aufspaltung der DBH vorläufig in der ursprünglichen Form hinfällig“, so ein Sprecher.

Selbst beteiligte Sanierer waren offenbar davon ausgegangen, dass sie mehr Zeit haben. Ende Oktober hatte Weltbild den Restrukturierungsexperten Josef Schultheis als Geschäftsführer an Bord geholt und nach Informationen der WirtschaftsWoche weitere Schwergewichte der Sanierungsszene als Berater angeheuert. Darunter Kolja von Bismarck, Partner der Wirtschaftskanzlei Linklaters, sowie Tammo Andersch und Michael Axhausen von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Auch soll der Insolvenzrechtler Helmut Balthasar, Partner der Kölner Insolvenzkanzlei Görg, involviert gewesen sein.

Die Beteiligten wollen sich nicht äußern. Doch offenkundig waren auch sie überrascht vom Veto der Bischöfe am 9. Januar, das die Weltbild-Pleite besiegelte. Eine finale Abstimmung über die geforderten Finanzspritzen von 135 Millionen Euro sei für die Sitzung nicht geplant gewesen, heißt es intern. Tags darauf reichten die Geschäftsführer den Insolvenzantrag ein, und das Augsburger Amtsgericht bestellte Geiwitz. Die Entscheidung für den Schlecker-Abwickler ist in der Insolvenzszene durchaus umstritten. Zwar loben Kollegen wie der Hamburger Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann Geiwitz‘ „stringente Verfahrensführung“. Zudem beackert kaum ein anderer Verwalter derzeit ähnlich prominente Pleitefälle.

Doch gerade die Ballung sorgt bei wichtigen Weltbild-Gläubigern für Bedenken: Reichen die Kapazitäten der Kanzlei aus, um den neuen Großeinsatz zu stemmen? Sie hätten lieber den Münchner Sanierer Michael Jaffé mit dem Job betraut. Doch das Gericht spielte nicht mit. Nun steht Geiwitz in der Pflicht und muss liefern.

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