Eine große Schale Cornflakes, viel Milch, viel Zucker. Nicht unbedingt das Frühstück der Champions, aber das der meisten Durchschnittsamerikaner und vieler Deutscher. Jahre und Jahrzehnte lang, bevor der große Wandel begann.
Die Esskultur ändert sich – langsam, stetig, grundsätzlich. In den USA sind die Verkaufszahlen von Cerealien in den vergangenen zehn Jahren um 5,5 Prozent zurückgegangen, die von Getreideflocken speziell für Kinder sogar um mehr als zehn Prozent.
Nicht, dass es plötzlich gar keine Käufer mehr gäbe. Cornflakes und andere Getreideflocken machen noch immer den Löwenanteil an den Frühstücksprodukten in amerikanischen Haushalten aus. 90 Prozent der US-Bürger kaufen sie. Doch das Geschäft schwächelt. Seit 2000 ist der Branchenumsatz von 14 auf knapp 10 Milliarden US-Dollar gefallen.
So entwickelt sich der Cerealien-Markt
Das Marktforschungsinstitut Euromonitor hat den deutschen Markt für Cerealien (ready to eat) unter die Lupe genommen.
2009
Bruttoumsatz : 700,8 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 203.250 Tonnen
2011
Bruttoumsatz : 670,27 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 194.330 Tonnen
2013
Bruttoumsatz : 670,27 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 191.080 Tonnen
Quelle: Euromonitor / Breakfast Cereals in Germany
2009
Bruttoumsatz : 249,58 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 59.860 Tonnen
2011
Bruttoumsatz : 228,55 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 55.440 Tonnen
2013
Bruttoumsatz : 222,74 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 54.110 Tonnen
2009
Bruttoumsatz : 116,49 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 33.930 Tonnen
2011
Bruttoumsatz : 111,55 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 32.620 Tonnen
2013
Bruttoumsatz : 109 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 31.580 Tonnen
2009
Bruttoumsatz : 287,28 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 98.430 Tonnen
2011
Bruttoumsatz : 284,11 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 95.580 Tonnen
2013
Bruttoumsatz : 287,82 Millionen Euro
Verkaufte Menge: 95.060 Tonnen
In Deutschland ist die Tendenz ähnlich: Mit Frühstücksflocken macht die Branche jährlich etwa fünf Prozent weniger Umsatz. Derzeit sind das immerhin noch 664 Millionen Euro – bis 2018 aber schon 35 Millionen weniger, rechnet das internationale Marktforschungsinstitut Euromonitor vor.
Nicht nur ein Problem der Cornflakes-Hersteller
Das ist kein Problem der Cornflakes-Hersteller allein. Der Frühstücksmarkt bricht ein: Egal ob Brotaufstrich, Konfitüre oder eben Cerealien – was morgens auf den Tisch kommt, verkauft sich zunehmend schlechter. „Zwischen 2008 und 2013 ist die Menge an verkauften Frühstücksprodukten um 7,5 Prozent zurückgegangen“, sagt Wolfgang Adlwarth vom Marktforschungsinstitut GfK. Und eine Trendwende zeichnet sich nicht ab. Im Gegenteil.
Für Hersteller wie Kellogg’s (Corn Flakes, Smacks), Cereal Partners (Nesquik) oder Dr. Oetker (Vitalis) wird das zum Problem. Besonders, weil gleich mehrere Ursachen den Niedergang antreiben – und gegen manche scheint es kein Mittel zu geben. „Es ist ein Tod durch tausend Schnitte“, analysiert Nicholas Fereday, Autor des Branchen-Reports „Cereal Killer“ in der „New York Times“.
Die Geburtenzahl nimmt kontinuierlich ab, Kinder – klassischerweise eine der Hauptzielgruppen der Cornflakes-Hersteller – werden weniger. Und auch Erwachsene und Jugendliche greifen immer seltener zur Cornflakes-Packung.
Insbesondere ungesundes Zuckerzeug verkauft sich schlechter. Aufgrund des „starken Gesundheits- und Wellnesstrends wachsen Ab- und Umsatz nur bei Müsli und den gesünderen Varianten“, heißt es in der Marktanalyse von Euromonitor.
Die wichtigsten Cerealien-Produzenten
Wenige Platzhirsche teilen den Markt für Frühstücksflocken untereinander auf. Die wichtigsten Unternehmen im Überblick.
Quelle: Euromonitor / Breakfast Cereals in Germany
Kellogg (Deutschland) GmbH
Marken: Corn Flakes, All-Bran, Smacks, Frosties, Choco Crispies
Marktanteil (nach Umsatz)
2011: 19,70 Prozent
2012: 19,52 Prozent
2013: 19,27 Prozent
Cereal Partners Deutschland GmbH & Co oHG / Nestle
Bekannte Marken: Nesquik, Cini Minis, Cookie Crisp
Marktanteil (nach Umsatz)
2011: 13,02 Prozent
2012: 13,01 Prozent
2013: 12,96 Prozent
Dr. August Oetker Nahrungsmittel KG
Bekannte Marken: Vitalis
Marktanteil (nach Umsatz)
2011: 11,34
2012: 11,49
2013: 11,57
Aldi Einkauf GmbH & Co oHG
Bekannte Marken: Froasted Flakes, Fruit Rounds
Marktanteil (nach Umsatz)
2011: 11,46 Prozent
2012: 11,36 Prozent
2013: 11,27 Prozent
Peter Kölln KGaA
Bekannte Marken: Kölln Müsli
Marktanteil (nach Umsatz)
2011: 10,36 Prozent
2012: 10,45 Prozent
2013: 10,50 Prozent
Frühstück wird geschlungen
Aber ob egal gesund oder ungesund – mittlerweile verzichtet mehr als jeder vierte Deutsche unter der Woche ohnehin komplett auf ein Frühstück. Und die verbleibenden 75 Prozent essen es immer seltener daheim. Frühstück wird nicht mehr genossen, sondern geschlungen – auf dem Weg zur Arbeit, in der Bahn oder dem Auto.
„In Deutschland gibt es generell einen Snacking-Trend“, sagt GfK-Experte Adlwarth. „Wir kaufen unser Essen immer häufiger unterwegs und essen dann zwischendurch.“ Brötchen auf die Hand und Coffee to go waren noch nie so angesagt.
Mehr als eine Milliarde Kunden kamen 2013 in die deutschen Bäckereien – so viele wie nie zuvor. Der Umsatz von Backwaren-Ketten wie BackWerk steigt seit Jahren kontinuierlich. „Von der Entwicklung profitiert der gesamte Außer-Haus-Markt“, sagt Adlwarth. „Die Bäckereien, aber auch Restaurants und Fast-Food-Ketten.“
Der Rhythmus der Mahlzeiten ändert sich
Tatsächlich kämpfen heute Unternehmen um den Frühstücksmarkt, die sich einst darauf beschränkten, den Kunden erst ab Mittag vollzustopfen. Fast-Food-Restaurants profitieren davon, dass sich der Rhythmus unserer Mahlzeiten ändert. „Es gab bei McDonald‘s mittags nie anderes Essen als abends“, sagt Peter Pirck von der Markenberatung Brandmeyer. „Deswegen fällt es den Kunden leicht, zu akzeptieren, dass dort auch Frühstück zu bekommen ist.“
Dass Fast-Food-Restaurants das Frühstück anrichten, führt zu Ergebnissen, die Mutter früher so vermutlich niemals so auf den Tisch gestellt hätte. Der McDonalds-Klassiker McMuffin Egg besteht zum Beispiel aus Muffin-Brötchen, Spiegelei und Schmelzkäse. Auf Wunsch werden Variationen mit Speck und Rösti gereicht. Zugleich verkauft der Burger-Riese in seinen McCafés aber auch Gebäck und Kaffeespezialitäten, die eher Starbucks ähneln als einer Frittenbude.
Die Kombination kommt offenbar an. Ein Viertel seines Umsatzes in Amerika macht McDonalds zur Frühstückszeit, mehr als fünf Milliarden Euro pro Quartal.
Die größten Fast-Food-Ketten nach Umsatz 2013
Umsatz: 174,3 Millionen Euro
Umsatz: 180 Millionen Euro
Umsatz: 192 Millionen Euro
Umsatz: 192,2 Millionen Euro
Umsatz: 233 Millionen Euro
Umsatz: 291,6 Millionen Euro
Umsatz: 600 Millionen Euro
Pachtbetriebe der Tank & Rast
Umsatz: 753 Millionen Euro
keine gastronomietypische Absatzsituation
Umsatz: 880 Millionen Euro
Umsatz: 3,1 Milliarden Euro
Food-Service. Untersucht wurden die größten Unternehmen der Systemgastronomie in Deutschland anhand des Umsatzes.
Im Bereich des schnellen Frühstücks sind die USA ohnehin Vorreiter. Mehr als 12,5 Milliarden Mal wurde in Amerika 2013 bei Fast-Food-Restaurants Kaffee und Snacks geordert, hat das Marktforschungsinstitut NPD ausgerechnet. Das ist ein Plus von immerhin drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Lange Zeit war die Kette allein auf dem Fast-Food-Frühstücksmarkt. Doch mit dem Wandel der Essgewohnheiten steigt aber auch das Interesse der Konkurrenz. In den USA haben die Medien bereits den Frühstücks-Krieg ausgerufen. Taco Bell setzt alles daran, McDonalds die Kunden abzujagen. Eine Waffe dabei: Der Grande Scrambler Burrito – eine Tortilla gefüllt mit Rührei, Kartoffeln, Nacho-Käse, Steak-Stücken, Salsa, Sauerrahm und Cheddar-Käse.
Doppelter Cheeseburger um 9 Uhr
Auch Dunkin‘ Donuts, ohnehin traditionell stark am Morgen, erweitert sein Angebot kontinuierlich. Neben Donuts und Bageln experimentiert das Unternehmen mit speziellen Sandwiches zum Frühstück, etwa dem Eggs Benedict Sandwich – Muffin, Speck, pochiertes Ei und Sauce Hollandaise. Selbst Burger King mischt auf dem Markt mit, macht es sich aber einfach: Statt spezieller Mahlzeiten verkauft der selbsternannte Buletten-König die üblichen Burger einfach früher. Doppelter Cheeseburger um 9 Uhr? Kein Problem.
Von den US-Verhältnissen ist Deutschland noch etwas entfernt. Aber: „Fast-Food-Restaurants wie McDonalds und Dunkin Donuts sind auch für den deutschen Markt von wachsender Bedeutung. Sie rollen verstärkt neue Frühstücks-Konzepte aus, die auch das klassische Frühstück umfassen“, sagt Pinar Hosafci, Branchenexpertin von Euromonitor. „So weitet zum Beispiel McDonald’s sein Angebot immer weiter aus, nachdem schon in der Vergangenheit mit vollwertigen Frühstücks-Kreationen wie Rührei Bacon erfolgreich war.“
Wie die Frühstückshersteller reagieren
Dass McDonald’s und seine Konkurrenten sich so auf den Frühstücksmarkt stürzen, hat einen einfachen Grund: Den restlichen Tag über läuft es nicht mehr so gut. Der Gesundheitstrend, Hygieneskandale und die wachsende Zahl von alternativen Burger-Bratern machen den einst unangefochtenen Fast-Food-Königen schwer zu schaffen. Im vergangenen Jahr musste McDonald’s erstmals seit 70 Jahren sinkende Umsätze in Deutschland hinnehmen. In den USA läuft es schon länger nicht mehr richtig gut.
Noch sind die Probleme nicht existenzbedrohend, aber die Unternehmen sind auf Wachstum ausgerichtet und der Frühstückmarkt scheint der einzige Bereich, in dem das zurzeit noch möglich ist.
Während sich die Fast-Food-Ketten um einen wachsenden Markt streiten, machen die Cerealien-Hersteller was sie können, um ihren Bedeutungsverlust aufzuhalten. Doch die Mittel sind begrenzt.
Trend zu Premiumprodukten
„Kellogg's kann das Verhalten der Menschen nicht ändern“, sagt Markenexperte Pirck. „Das Unternehmen kann aber versuchen, Entwicklungen wie den Gesundheitstrend aufzugreifen und weiterzuführen. Als bekannte Marke hat der Konzern gute Chancen.“
Tatsächlich haben alle großen Cerealien-Hersteller Frühstücksflocken im Angebot, die zumindest damit werben, gesund zu sein. „Die Unternehmen gehen mit Innovationen und wertigeren Produkten in den Markt“, sagt auch Konsumforscher Adlwarth. „Und hoffen dann, einen höheren Preis erzielen zu können.“ Der Hintergedanke: Wer noch zuhause frühstückt, will es wahrscheinlich genießen – und ist bereit, dafür mehr zu zahlen.
Das zahlt sich aus: Kölln und Dr. Oetker, traditionell stark im Bereich von Müsli und gesünderen Cerealien-Varianten, konnten ihren Marktanteil zuletzt leicht ausbauen. Billiganbieter Aldi und Kellogg's verlieren hingegen.
Doch auch der Müsli-Markt ist kein Selbstläufer. Zumal die großen Unternehmen es mit Konkurrenten zu tun bekommen, die im traditionellen Cerealien-Geschäft nie eine Rolle spielten. „Deutsche Verbraucher setzten immer mehr auf Cerealien zum Selbermischen”, sagt Euromonitor-Expertin Hosafci. Davon profitieren Start-ups wie MyMuesli, wo die Kunden sich ihre eigenen Cerealien zusammenstellen können.
Cornflakes und Chips
Den langsamen, anscheinend unaufhaltsamen Niedergang der Frühstückskultur noch am besten verkraften breiter aufgestellte Unternehmen. Bei Oetker etwa stehen die Frühstücksflocken zwischen Nachtischen, Backwaren und Pizzen.
Aber auch manch anderes Unternehmen ist dabei, sich neue Standbeine zu suchen.
Bestes Beispiel: 2012 hat die Kellogg Company dem Handelsriesen Procter & Gamble den Chips-Hersteller Pringles abgekauft. Der Flocken-König ist damit nun zugleich der weltweit zweitgrößte Anbieter von salzigen Snacks - und die lassen sich auch ohne Milch und Frühstückstisch naschen.