Die Marken hatten es nicht leicht in den vergangenen Jahren. Der Siegeszug der No-Names schien unaufhaltsam und raubte immer mehr der teuer mit Marketing und Werbung erkauften Marktanteile. Die Digitalisierung macht den Marktzutritt für neue, konkurrierende Angebote einfacher als je zuvor. Digitale Plattformen erleichtern dem Verbraucher den Produktvergleich - und stellen damit den Preis stärker in den Vordergrund denn je.
Verbraucherschützer nutzten die Online-Medien um ihre Reichweite zu steigern und Verbraucher zu warnen: Vor Mogelpackungen und Missbrauch des Verbrauchervertrauens. Unzählige, zur professionellen Markenführung unfähige Marketingchefs taten das Ihre dazu, um die Situation weiter zu verschlimmern. Davon war hier in den letzten Jahren viel zu lesen.
Kunden kaufen am liebsten Markenprodukte
Doch nun ist endlich Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Die von PriceWaterhouseCoopers durchgeführte Verbraucherumfrage „Marken - Eine Frage des Vertrauens?“ kommt zum erfreulichen Ergebnis, dass zwei Drittel der Kunden Markenprodukte kaufen. Sie sind überzeugt von der Qualität der jeweiligen Produkte oder haben mit ihnen gute Erfahrungen gemacht.
Auffällig und eminent wichtig ist die Erkenntnis, dass insbesondere jüngere Verbraucher den Marken vertrauen. 71 Prozent der 16- bis 34-Jährigen entscheiden sich gezielt für Markenprodukte. Sie, die sogenannten Millennials, sind die Verbraucher der Zukunft und daher für die Marketingchefs die Kernzielgruppe schlechthin.
Dennoch lauert in den Handelsmarken weiterhin eine große Gefahr: Sie sind für 87 Prozent der Verbraucher eine gute und preiswerte Alternative. Und die Kunden sind überzeugt, damit lediglich anders verpackte Markenprodukte zu erwerben - was häufig auch stimmt. Die Hersteller müssen sich hier über kurz oder lang eine neue Strategie ausdenken. Denn mit der Herstellung von No-Names sägen sie am einzigen Ast, auf dem sie sitzen.
Vergnügen und Gefühl sind angesagt
Dass sie nicht nachdenken, kann man ihnen jedoch nicht vorwerfen. Auf dem 42. Deutschen Marketing Tag 2015 ließen sich die Referenten zu denkwürdigen Aussagen hinreißen:
- Kamran Wührmann, Bahlsen: „Die Zeiten der autoritären Markenführung sind vorbei. Demokratie muss heute sein.“
- Alexander Ewig, MediaSaturn: „Wir wollen unseren Kunden Vergnügen bereiten.“
- Jens Thiemer, Daimler: „Das Marketing bleibt der Anwalt des Kunden.“
- Julia Jäkel, Gruner+Jahr: „Gerade an der Spitze eines Unternehmens muss man sich mehr denn je auf das Gefühl abseits vom klassischen Wissen verlassen.“
- Torsten Wingenter, Lufthansa: Der Kunde will nicht mit Dingen zugemüllt werden, die ihn nicht interessieren.“
- Uwe Stuhldreier, Cosmos Direkt: „Sich nahtlos in den Lebensalltag des Kunden zu integrieren ist die Erfolgsformel.“
So sehen sich die Unternehmen denn auch gewappnet für die Herausforderungen der Zukunft. Nach einer Umfrage des Digitalverbandes Bitcom sehen sich die Manager der Automobilhersteller in zehn Jahren bei der Digitalisierung weltweit in der Spitzengruppe. Ebenfalls zuversichtlich blicken die Top-Manager in der Finanzbranche und Pharma-Industrie in die Zukunft. Ein wenig pessimistischer blicken nur die Unternehmenslenker in Medien und Touristik drein.
Mobile Werbung wird immer wichtiger
Das neue Jahr liefert ihnen für Marketing-Innovationen und neue Wege in der Kommunikation Ansätze zuhauf. Das Buzzword des Jahres 2016 heißt Content Marketing. Immer mehr Unternehmen setzen auf den Trend, der zwar keinesfalls neu ist, aber die Werbung mit relevanten Inhalten, die die Verbraucher interessieren und reizen, attraktiver machen kann. Machen wir uns also auf die Suche nach Inhalten, nach denen sich jeder Verbraucher umdreht - und alles andere stehen und liegen lässt.
Aufmerksamkeit jedoch um jeden Preis, das lehrt uns der Edeka-„Heimkommen“-Spot, kann sogar schaden. Der Viral-Hit des Jahres landet in einer neurowissenschaftlichen Studie im verkaufshemmenden Bereich und wirkt daher offenbar kontraproduktiv.
Mithilfe der digitalen Kanäle werden Marketing und Werbung immer persönlicher. Die bisherigen Schranken in der Beziehung zwischen Menschen und Marken fallen. Aus B2C und B2B werden „B2H“: Business to Human. Einzig der Umstand, dass die meisten Menschen keinen Dialog mit Marken wünschen, steht dem (noch) im Weg.
Grundzüge des Marketings bleiben
E-Commerce vergrößert die Reichweite und Ausschöpfung der Kundenpotentiale für Marken und Handel. Der Siegeszug der Mobile Werbung wird die Werbung noch näher an die Verbraucher herantragen. Es wird erwartet, dass bis 2018 mehr als die Hälfte aller Werbeinvestitionen in Mobile fließen. Auch wenn dies angesichts des eingeschränkten Raums für Reklame auf unseren mobilen Endgeräten bezweifelt werden darf, so wird die Bedeutung von Mobile unaufhörlich steigen.
Von Big Data und datengetriebenem Marketing ganz zu schweigen. „Programmatic“, die automatisierte Auslieferung von Werbung, entwickelt sich zum Schlachtruf des Jahres. Vorausgesetzt, die Technologien und Techniken verbessern sich rasanter als bisher, wird Programmatic Advertising die Zielgruppengenauigkeit und Effizienz vieler Werbekampagnen steigern. Aber auch hier lauern Fallstricke an jeder Straßenecke, auf die das Marketing dringend achten muss.
Das Jahr 2016 wartet mit mehr Innovationen, Herausforderungen und Chancen auf, als mancher Marketingchef und manche Agentur verkraften kann. Angesichts begrenzter Personalressourcen und Marketingbudgets wird man diese Neuerungen behutsam, umsichtig und in einer individuellen Reihenfolge angehen müssen. Um dann am Ende des Jahres vermutlich festzustellen, dass die Markenführung zu viele Disruptionen auf einmal nicht verträgt.
In einem Jahr werden Print und TV noch die Basismedien unserer Kommunikation sein. Online, Mobile, Dialog, Programmatic und Big Data werden ihre Siegeszüge antreten, aber die Grundzüge des Marketings werden noch die alten sein: Ein hochwertiges Produkt, Verständnis für die Verbraucherbedürfnisse, eine überlegene Mediastrategie und viel Kreativität.
Allerdings können wir die Prognose wagen, dass 2016 für einige Unternehmen deutlich besser wird als das vergangene. Denn für sie war 2015 das schwärzeste Jahr ihrer Firmengeschichte. Ob VW mit seinem Abgasskandal, Lufthansa und Deutsche Bahn mit den längsten Streiks aller Zeiten oder Air Berlin mit erneuten Verlusten und nach dem Code-Sharing-Verbot schwer angeschlagen - für sie kann 2016 nur besser werden...