Werbesprech

Warum Werbung nicht wirkt

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72 Prozent ins Leere geworben

Auch der automatisierte Einkauf von Online-Werbeplätzen („Programmatic“) birgt ungeahnte Gefahrenquellen. Nach einer Untersuchung der Werbung auf der Financial Times-Website FT.com zeigte sich, dass 72 Prozent der eingekauften Ad Impressions auf Fake-Seiten gelandet waren, die zwar so taten, als seien sie die Financial Times, aber nur von Bots, also Maschinen „gesehen“ werden konnten.

Viel schwerer wiegen jedoch beim Streben um Aufmerksamkeit die erkennbaren Marketingfehler. Da lässt sich Deutschlands Problem-Flieger Air Berlin einen schicken und hippen, neuen Auftritt gestalten, während die Airline zeitgleich in den Social Medien von Beschwerden über mangelhafte Zuverlässigkeit und Service geradezu überschwemmt wird. Der Fehler ist offenkundig: Werbung macht nur dann Sinn, wenn auch das Produkt stimmt. Eine Erkenntnis so alt wie die Werbung selbst.

Zu den besonders fehlerbehafteten Produkten zählen die Online-Reiseportale. Die Verbraucher bemängeln Benutzerfreundlichkeit und Transparenz der Buchungsplattformen ebenso wie versteckte Gebühren. Da hilft auch die massive Werbung nicht, die allabendlich die Werbeblöcke füllt, um die Kundschaft zufrieden zu stellen. Auch hier gilt: Man muss zuerst am Produkt arbeiten, bevor Werbung eine positive Wirkung entfalten kann.

Jede Marke ist austauschbar

Natürlich ist es bequemer und einfacher eine neue Werbekampagne zu entwerfen, als das Produkt zu verbessern. Allerdings ist es auch genauso zwecklos. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Endverbraucher auf falsche Werbeversprechen hereinfielen. Längst ist das Angebot für die Kunden groß genug, um jede Marke zu verwerfen und nach Alternativen zu suchen. Inzwischen ist in den Augen der Konsumenten jede Marke beliebig austauschbar. Marketingverantwortliche, die das nicht begreifen, haben im digitalen Zeitalter, das mühelos jedes Manko transparent macht, nichts mehr zu suchen.

Damit steigen die Herausforderungen für das Marketing immer weiter. Keinesfalls jedoch sein Einfluss: Nach einer Studie des Mannheimer Instituts für Marktorientierte Unternehmensführung ist der Einfluss der Marketingabteilungen in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken - obwohl sie den größten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Ganz besonders gilt das für die wichtigen Bereiche der strategischen Entscheidungen und für die Produktneuentwicklung. Die Macht darüber im Unternehmen geht immer stärker auf den Vertrieb über.

Wenn die Unternehmenslenker hier nicht eingreifen und ihrem Marketing den angemessenen Einfluss zurückgeben, werden wir bald - im Widerspruch zur Pareto-Regel - noch viel mehr unwirksame Werbung erleben. Wir werden erleben, wie sich immer mehr Menschen von der Werbung abwenden. Und wir werden immer mehr Marken erleben, die ins Straucheln geraten.

Es ist an der Zeit, die Werbung zu retten. Zeit für ein Reset: Zuerst wünschenswerte Produkte schaffen, die ihre Werbeversprechen halten. Und dann Werbung gestalten, die erfreut, statt zu nerven. Am besten sogar in Medien, die von der Zielgruppe auch genutzt werden.

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