Während nun auch die im Topbonus-Programm angesammelten Meilen verfallen, weil rechtswidrig versäumt wurde hierfür Rücklagen zu bilden, bringt es der Generalbevollmächtigte des Unternehmens, Frank Kebekus, tatsächlich fertig auf den Bestand der Schokoherzen zu verweisen: "Um das Kundenvertrauen zu stärken, versuchen wir, alles was die Passagiere von Air Berlin kennen und erwarten… weiterzuführen. Dazu gehören auch die Schokoherzen."
In dieser Situation müssen sich selbst die letzten Air Berlin-Kunden verhöhnt vorkommen. Die Marke gerät zur Witzfigur.
Alles - außer Tiernahrung
Die Air-Berlin-Manager hätten gewarnt sein müssen. Bereits 2012 war die Baumarktkette Praktiker pleitegegangen, nachdem man versucht hatte, die Wettbewerber dauerhaft („20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung“) zu unterbieten. Auch hier war das Produkt (Baumarkt) nicht zu beanstanden; alleine die Werbung führte in den Ruin. Das Tierfutter half dabei ebenso wenig wie bei Air Berlin die Schokoherzen.
Umso mehr überrascht die neue Kampagne des Elektronikriesen Saturn. Die Rückkehr zum „Geiz ist geil“-Slogan ist zwar nur von kurzer Dauer, doch viele hielten die Geiz-Phase für überwunden. Die Fachpresse feiert den legendären Claim als „Kult im Übergang“. Saturn-Marketingleiter Thorsten Eder ist sich seiner Sache sicher: „Das sieht man daran, wie oft der Spruch in Schlagzeilen auftaucht. Die Discounter legen wieder zu, Preisbewusstsein boomt.“ Er dürfte recht behalten, denn sein Produkt ist gut und die Werbung hält, was sie verspricht.
Auch Dieselgate ein Marketingdesaster
Anders ist die Situation derzeit bei den Autobauern. Hier ist es angesichts der Diskussion um #dieselgate, Fahrverbote und die generelle Zukunft des Selbstzünders das Produkt, das gravierende Mängel aufweist. Da die Vorstände bei VW, Audi & Co offenbar seit Jahren Kenntnis des Problems besaßen, hätten sie nicht zulassen dürfen, dass ihr Marketing mit Begriffen wie „Clean Diesel“ wirbt.
Die Diesel-Werbung versprach, was das Produkt nicht halten konnte. Abgesehen von Betrugsvorwürfen und dem enormen Wertverlust, den Dieselkunden nun erleiden, ist das Marketing der Autobauer mit schuld daran, dass das Vertrauen in die PKW-Hersteller auf einem Tiefpunkt angelangt ist. Der Appell der VW-Marketingverantwortlichen via Zeitungsanzeigen im März 2016 klingt heute wie Hohn.
Die einzig richtige Antwort der Kunden ist Abkehr: Selbst bei der wichtigen Gruppe der Firmenkunden erlitt Volkswagen im vergangenen Jahr einen empfindlichen Einbruch.
Hohn ist ein schlechter Verkäufer
Wenn Unternehmen und Marketing die Kunden verhöhnen, haben beide ihre Aufgabe gründlich missverstanden. Marketing ist ein starkes Instrument der Unternehmens- und Markenführung. Falsch eingesetzt kann es die Marke ruinieren, richtig eingesetzt jedoch Bestand und Zukunft des ganzen Unternehmens sichern. Das sollten Vorstände aus den Marken-Katastrophen der Vergangenheit wenigstens lernen.
Marketing gehört auf die Vorstandsebene, auf Augenhöhe mit allen anderen Lenkern des Unternehmens. Nur eine richtige und klare Zielgruppen-Positionierung und ebenso wahre wie klare Marken-Kommunikation kann die Zukunft der Marken sichern.
Als Nächste müssen McDonald’s, Coca-Cola und Danone - stellvertretend für hunderte andere Unternehmen - darüber entscheiden, wie sie ihrerseits mit Themen wie gesunde Ernährung, Zucker und Übergewicht umgehen. Sonst sind sie schon bald das nächste Air Berlin.