Erstaunlich ist, dass ausgerechnet eine Agentur die Chuzpe besitzt, mit einer solchen Studie an die Öffentlichkeit zu gehen. Natürlich will Havas damit mahnen. Doch in Wirklichkeit beweisen sie damit auch das eigene Versagen. Es ist die Aufgabe von Agenturen, Marken relevant und bedeutungsvoll zu machen. Offensichtlich scheitern sie daran ebenso wie ihre Auftraggeber - und stellen mit der Studie „Meaningful Brands“ beiden Seiten ein Armutszeugnis aus.
Bei der Vorstellung der Studie forderte Yannick Bolloré, CEO der Havas Group, folgerichtig auf der Agentur-Homepage ein Umdenken. Marken müssten sinnstiftende Beziehungen zu den Konsumenten aufbauen. Wir lebten in einer Welt des „content overload“, der Überfrachtung mit werblichen Inhalten. Dabei führt er an, dass täglich 4,3 Milliarden Facebook-Posts und 500 Millionen Stunden YouTube-Videos hochgeladen werden.
An dieser Stelle irrt Havas, wie übrigens fast alle Agenturen. Erstens haben sie nur noch digitale Medien im Blick und blenden die Klassiker TV, Radio, Print und Außenwerbung inzwischen gerne aus, obwohl wir alle sie erheblich intensiver nutzen als das Internet. Und zweitens ist es gleichgültig, wie viel Content täglich ins Netz gestellt wird. Entscheidend ist einzig, wie viel davon jeder Einzelne von uns konsumiert. TV, Radio und Print bringen es in Deutschland auf eine tägliche Nutzungsdauer von sieben Stunden, die gesamte Online-Video-Sehdauer dagegen auf gerade einmal sieben Minuten. Schon sieht die Welt wieder ganz anders aus.
BrandIndex Buzz-Score-Ranking: Diese Marken haben sich 2016 am besten ins Gespräch gebracht
Grundlage des Rankings bilden die Ergebnisse auf der Erhebungsdimension Buzz im Markenmonitor BrandIndex von YouGov. Hierfür befragt YouGov repräsentativ ausgewählte Deutsche nach Ihrer Wahrnehmung und Bewertung von Marken: "Wenn Sie von dieser Marke in den vergangenen zwei Wochen etwas gehört haben – etwa in der Werbung, in den Nachrichten oder persönlich über Freunde oder Bekannte – war es positiv oder etwas negativ?". Positiv- und Negativ-Stimmenanteile gegeneinander aufgerechnet ergeben den Buzz-Score. Ein hoher Buzz-Wert bedeutet also, dass eine Marke bei Verbrauchern positive Aufmerksamkeit erregt hat.
Marke: Rewe
Buzz score: 13,0
Marke: Tchibo
Buzz score: 13,2
Marke: YouTube
Buzz score: 13,9
Marke: Deichmann
Buzz score: 14,9
Marke: Wikipedia
Buzz score: 14,8
Marke: Lidl
Buzz score: 15,2
Marke: Harbo
Buzz score: 16,5
Marke: dm
Buzz score: 17,4
Marke: DHL
Buzz score: 17,4
Marke: Nivea
Buzz score: 18,2
Überflüssiger Content
Das Problem ist und bleibt also hausgemacht. Und ganz sicher trägt digitales Content Marketing derzeit nicht zur Lösung bei. Es sieht eher danach aus, als würde der Run der Marken auf Content Marketing das Internet noch mehr zumüllen. Denn das ist die zweite, triste Erkenntnis der „Meaningful Brands“-Studie: 60 Prozent des produzierten Markencontents, meinen die Verbraucher, sei schlecht und damit irrelevant. Er trüge nicht dazu bei, die Botschaften richtig zu vermitteln.
„Der meiste Markencontent ist überflüssig“ titelt die Online-Redaktion von aquisa. Dass dabei die Kategorie Reise noch am besten abschneidet, überrascht nicht. Kaum einer anderen Branche dürfte es so leicht fallen, interessante und unterhaltsame Inhalte über Reiseländer zu erzeugen. Zahnpasta, Badreiniger, Kaffeekapseln und selbst Mobilfunk - also die stark beworbenen Kategorien - tun sich zwangsläufig schwerer.
Nicht schwafeln, handeln
Was also tun? Einfach das, was Marketer und Werber seit Jahrzehnten lautstark proklamieren. Erkenntnisse wie „The customer is king“ oder „The consumer is boss“ sind inzwischen zwölf Jahre und älter. Nur hält sich niemand dran. Statt die Geduld zu besitzen, Marken aufzubauen und ihnen eine Bedeutung zu geben, suchen die Unternehmen kurzfristige Erfolge für den nächsten Quartalsbericht. Und die Agenturen verzetteln sich in ihrer „Digitalbesoffenheit“ beim Zählen von Klicks, Impressions und Views.
Also nicht reden, sondern handeln. Erst wenn die Werber den richtigen Zielgruppen die richtigen (meinetwegen „relevanten“) Marken-Botschaften und Inhalte in den dafür geeigneten Medien vermitteln und dabei den Marken einen wirklichen Sinn geben, der die Verbraucher zum Kauf veranlasst, erzeugen wir „Meaningful Brands“. Alles andere ist Geldvernichtung.