In der Werbebranche läuft derzeit einiges unrund. Die sich verändernde Mediennutzung stellt die Werber vor scheinbar unlösbare Rätsel. Die Verbraucher sind immer schwerer zu erreichen. Und die Digitalisierung rast derweil wie ein Disruptionszug durch die Branche. Zwar reden alle über die Chancen, die die Digitalisierung mit sich bringt, doch auf Seiten der Werbungtreibenden, ihrer Agenturen und der Medien gibt es nur Verlierer. Gewinner sind kaum auszumachen.
Die Werbungtreibenden machen ihrem Unmut Luft. Anlässlich der Screenforce Days, der zweitägigen Glanzshow der TV-Vermarkter, meldeten sie sich mit einem endlos langen Forderungskatalog an die TV-Sender. Die Reichweiten, schreibt die Organisation Werbungtreibende (OWM) den Sendern ins Stammbuch, befänden sich im Sinkflug, die Attraktivität der Werbeblöcke ließe kontinuierlich nach, während die Kosten für die Umsetzung von Kampagnen deutlich steigen.
Die werbenden Unternehmen beklagen das sinkende Preis-/Leistungs-Verhältnis des Privatfernsehens ebenso wie die Qualität der Programme. Auch an den Werbeblöcken lassen sie kein gutes Haar: „Die TV-Anbieter haben in den letzten Jahren neue Erlösmodelle in Form von Beteiligungen an Startups etabliert und stellen diesen als Gegenleistung Freispots zur Verfügung. Dadurch verändern sich die Strukturen der Werbeblöcke zum Teil dramatisch.“ Zum Nachteil der zahlenden Werbekundschaft, so der Vorwurf.
Alarmierende Zahlen
An den digitalen Medien haben die Protagonisten im Werbegeschäft derzeit ebenso wenig Freude. Der erste Adblocker-Bericht für Deutschland kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Bis Ende 2018 werden über 20 Millionen Deutsche Software installiert haben, die digitale Werbung ausblendet. Das heißt, dass fast ein Drittel aller Online-Nutzer durch Werbung nicht erreicht werden kann. Online fehlt damit die Reichweite, die hier dringend für die Kampagnen der werbenden Unternehmen benötigt wird.
Währenddessen verlagert sich die Online-Nutzung der Verbraucher immer mehr vom Desktop hin zu mobilen Endgeräten. Zwischen 2010 und 2016 wuchs der mobile Internetkonsum laut einem Bericht der Agentur Zenith jährlich um 44 Prozent. Zeitgleich vollzieht die Werbung den gleichen Schritt und investiert immer mehr Werbegeld in mobile Werbung. Die Steigerungsrate liegt hier mit 43 Prozent auf gleicher Höhe.
Doch die Gefahren, die in der mobilen Werbung lauern, könnten größer nicht sein. Der aktuelle Adobe Digital Insights-Report kommt zum ernüchternden Schluss: „Mobile Inhalte sorgen für erheblich kürzere Aufmerksamkeitspannen als Desktop-Inhalte.“ Je mehr Geld die Werber also in mobile Werbung investieren, desto weniger Aufmerksamkeit erkaufen sie für ihre Botschaften. Sie sägen sprichwörtlich am Ast, auf dem sie sitzen.
Deutschland Weltmeister im Klickbetrug
Auch der Betrug mit digitaler Werbung ist nirgends größer als bei der Ausspielung auf mobile Geräte. Deutschland ist nach einer Studie des Ad Tech-Anbieters Pixalate sogar weltweiter Spitzenreiter in Mobile Ad Fraud. Demnach ist 43 Prozent aller programmatisch eingekauften Werbung auf Smartphones in Deutschland betrügerisch, d.h. unsichtbar oder durch Klickbetrug abgerechnet. Werber, die auf mobile Werbung setzen, setzen ganz offensichtlich auf das falsche Pferd.
Erst kürzlich wurden in den USA zwei neue Ad Fraud-Programme entdeckt, die alles Bisherige in den Schatten stellen. „Judy“ und „Fireball“ können bis zu 30 Milliarden betrügerische Ad Impressions pro Minute erzeugen und verbreiten. Kein Wunder, dass immer mehr Werbekunden wie Procter & Gamble oder Unilever ihre Digitalbudgets drastisch reduzieren. Sie setzen ihre Mediaagenturen ebenso wie die undurchsichtige Lieferkette im Digital-Business gehörig unter Druck und fordern mehr Transparenz und Standards im Online-Werbegeschäft.