Werbesprech

Die dreistesten Werbelügen

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Mogel, Lug und Betrug

Die dreistesten Mogelpackungen
Den Verbrauchern werden zunehmend trügerische Keks- und Knabberpackungen untergejubelt. Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen kritisiert die Produkte namhafter Hersteller in Supermärkten und Discountern, die im Schnitt 40 Prozent ihrer Packungen für Luft vorbehalten. In Packungen zwischen 75 bis 300 Gramm seien Sichtfenster angebracht, die mehr Fülle und Volumen suggerierten. Oberhalb des Sichtbereiches gibt es allerdings keine Kekse oder kein Knabberzeugs mehr - sondern nur Luft. Die kleinen Mengen werden bewusst in XXL-Packungen abgefüllt - Täuschungsversuche, die nach dem Lebensmittelgesetz nicht erlaubt sind.
Eine verdeckte Preiserhöhung von ganzen 31 Prozent schafft der Discounter Aldi Nord mit seinem Cappuccino-Pulver. In der Dose sind 200 Gramm loses Pulver - die Pappschachtel mit zehn Einzelportionen hat nur noch 125 Gramm Getränkezubereitung. Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg
Neue Formel - aber eben auch eine neue Verpackungsgröße: Die Palmolive Naturals Flüssigseife hat statt 300 nur noch 250 Milliliter Inhalt. Der Preis ist allerdings der alte geblieben. Das entspricht einer versteckten Preiserhöhung von 20 Prozent. Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg
Gleicher Preis, weniger drin: Das kann auch der Geschirrspül-Tabs-Hersteller Calgonit. Bei den Finish Powerballs sind neuerdings vier Spültabs weniger enthalten. Das entspricht einer heimlichen Preiserhöhung von 11 Prozent. Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg
Als besonders dreisten Fall präsentiert die Verbraucherzentrale Hamburg den Nutella-Brotaufstrich. Das große Werbeversprechen: "Mehr drin". Die bittere Wahrheit: Ja, schon - aber dafür ist die Nougatcreme auch überproportional teurer. Das 400-Gramm-Glas kostete 1,99 Euro, die neue Packung mit 450 Gramm kostet 2,39 Euro. Eine verdeckte Preiserhöhung von immerhin 6,8 Prozent. Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg
Mars Miniatures Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg
Zweimal "Persil Universal-Gel" - ein Unterschied: Während die alte Flasche (links) noch für 45 Waschladungen reichen sollte, lassen sich mit der neuen Flasche nur noch 40 Waschmaschinenladungen bestreiten. Auch bei anderen Waschmitteln der Firma Persil soll die Füllmenge - bei gleichem Preis - reduziert worden sein, heißt es auf der Internetseite der Verbraucherzentrale. Quelle: Verbraucherzentrale Hamburg

Jede Mogelpackung ist nichts weiter als eine Werbelüge, die an Dreistigkeit nicht zu überbieten ist. Denn hier sorgt oftmals eine hohe Investition in neue Verpackungen erst dafür, dass der Konsument nicht gleich erkennt, wie viel weniger er für sein Geld erhält. Hier wird der Käufer ganz bewusst getäuscht. Es gilt nur deshalb nicht als kriminell, weil der Hersteller sich damit herausreden kann, dass die (veränderte) Inhaltsangabe irgendwo kleingedruckt auf der Packung zu finden ist.

Die Stiftung Warentest dokumentiert regelmäßig alle Mogel-Funde und prangert sie öffentlich an, doch das alleine scheint die Marketingverantwortlichen nicht abzuhalten. Auf die lange Liste der Täuscher kommen so prominente Namen wie Aldi (Nord), Biotherm, Beiersdorf, Milka und Schwarzkopf. In der ARD-Mediathek finden sich unzählige, weitere Beispiele für Unternehmen, die die Konsumenten bewusst zu täuschen versuchen. Oftmals mit Erfolg, denn die Bemühungen der Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest laufen vielfach ins Leere. Da der Verbraucher diesen Täuschungsversuchen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert und der Gesetzgeber meist machtlos ist, verleitet es immer mehr Hersteller zu Lug und Betrug.

Die Verbraucher wehren sich

Das passt nicht ins Zeitalter von Transparenz, Social Media und Dialog. So nimmt denn auch die Zahl der "Shitstorms" konstant zu. Immer mehr Verbraucher wehren sich via Facebook und Twitter gegen die vermeintlichen Verfehlungen der Industrie. Nach einer aktuellen Untersuchung der digitalen Empörungswellen wehren sich die Verbraucher inzwischen täglich im Social Web.

Spätestens jetzt ist das Marketing gefragt. Jedes einzelne Unternehmen in Deutschland muss sich die Frage stellen, welche Bedeutung die Tugenden Transparenz, Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit und Respekt vor Mitarbeitern und Kunden für die Markenführung besitzen.

Derweil prescht - wieder einmal - Coca Cola nach vorn, nimmt sich in die Pflicht und verordnet sich eine Werbe-Diät. Ein neuer Vier-Punkte-Plan sieht u.a. vor, Werbung nicht mehr an unter 12-jährige Kinder zu richten und Schulen als werbefreie Zone zu respektieren. Diese Maßnahme wird Capri Sonne über kurz oder lang mehr Marktanteile kosten als jede werbliche Dreistigkeit ihn zu steigern vermag. Und das ist gut so.

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