Auch Facebook steht derzeit unter Druck wegen der Veröffentlichung von Hass-Posts und Fake News, wogegen die Betreiber lange Zeit nichts unternommen haben. Das Stichwort hierzu lautet „Brand Safety“: Marken wollen selbstverständlich nicht in rechtsextremen Umfeldern werben. Doch die erforderlichen Mechanismen, insbesondere bei der programmatischen Auslieferung der digitalen Werbung, greifen nicht.
Einer Umfrage der Agentur Frau Wenk unter 50 Marketingexperten zufolge erwarten zwei Drittel Budgetkürzungen auch deutscher Marken bei Google. Wenn Google und Facebook, die bis zu 80 Prozent der digitalen Werbegelder auf sich ziehen, nicht die Lösung sind, muss sich die Werbung wohl neue Trend-Felder suchen.
Einer der ganz großen Trends, auf den Werbung setzt, ist Influencer Marketing, also die Zusammenarbeit mit Markenbotschaftern wie Bibi, Gronkh, Dagi Bee und den Lochis. Das Trend-Thema droht jedoch längst zu überhitzen, insbesondere auf Plattformen wie Instagram. Influencer Marketing könnte sich schon bald als Strohfeuer erweisen.
Die wahren Trends: Tatort und Aktenzeichen
Es stellt sich die berechtigte Frage, ob Agenturen überhaupt jedem digitalen Trend und jedem neuen Buzz blind hinterherlaufen sollten. Denn die alte Medienwelt sorgt für durchaus beruhigende Nachrichten und bisweilen sogar für Rekorde. Der Münsteraner „Tatort“ feierte jüngst mit 14,5 Millionen Zuschauern die höchste Quote seit 25 Jahren, auch bei jungen Zuschauern. Selbst „Aktenzeichen XY“ wurde Anfang April ausgerechnet beim jungen Publikum Tagessieger. Dass also junge Zuschauer kein lineares Fernsehen mehr gucken, erweist sich bisweilen als Mär.
Die jüngsten Nielsen-Zahlen aus dem Mutterland des Fernsehens, den USA, die uns in der Medienentwicklung angeblich um Jahre voraus sind, zeigen das lineare Fernsehen nach wie vor als ungeschlagenen Spitzenreiter. Im 4. Quartal 2016 bringt es dort „Live TV“ auf einen Marktanteil von 78 Prozent. Nur 5 Prozent der Amerikaner gucken auf dem PC Fernsehen und lediglich 2 Prozent auf dem Smartphone. Digitales Fernsehen scheint ebenso wenig das lineare TV zu töten wie seinerzeit Videorekorder die Kinos.
Tabus brechen
Alleine verkrampft auf angebliche, digitale Trends aufzusetzen, ist für Agenturen und ihre Kunden also nicht die Lösung. Erst recht nicht dann, wenn sie wie im Falle von Pepsi und Nivea nicht einmal absichtlich oder mutig provozieren, sondern einfach nur peinlich sind. In den Sechziger- und Siebzigerjahren der Werbung, die als die „goldenen Zeiten“ in die Geschichte eingingen, waren es Künstler und Werbeikonen wie Charles Wilp für Afri Cola oder Fotograf Oliviero Toscani mit seiner legendären Benetton-Kampagne, die mit Tabu-brechenden Kampagnen für Furore sorgten.
Früher rannte die Werbung den Trends nicht hinterher, sondern schuf sie. Sie war bisweilen Vorreiter der gesellschaftlichen Diskussion. Den heutigen Agenturen muss man vorwerfen, dass sie zu mainstream sind. Sie müssen mutiger werden und die Verbraucher provozieren, ihre Kampagnen müssen Diskussionen auslösen. Dann würde nicht nur die Werbung attraktiver, sondern die ganze Branche, die schon seit Jahren verzweifelt um Nachwuchs ringt.