Ebenso geht den meisten Verbrauchern das Online-Tracking gehörig auf die Nerven. Sie sind es leid, von Werbung verfolgt zu werden, sobald sie bei Google oder einem Online-Shop etwas in die Suche eingeben oder ansehen. Der Insider Jacques Mattheij hat darüber eine lesenswerte, weil amüsante und zugleich erschreckende Erzählung geschrieben, in der er Online-Tracking einfach ins wahre Leben übertrug.
Unter Druck stehen auch Facebook und YouTube. Nach Berechnungen von „Wirkstoff TV“ sind nur 2 Prozent der Menschen, die auf Facebook Marken liken, überhaupt aktiv - und die Hälfte davon sogar eigene Mitarbeiter.
Die Tücken der Tracking-Werbung zeigen sich hier immer wieder: Mir liefert etwa Facebook Werbung eines japanischen Kettensägenherstellers aus, der einen Vertriebspartner in Deutschland sucht. Und bei Twitter beschwert sich ein User: „Irgend ein Algorithmus bei Facebook glaubt, ich würde gern Werbung für Lötstationen auf Französisch eingeblendet bekommen.“
Da wird von den Werbungtreibenden wohl noch viel Lehrgeld gezahlt.
SevenOne Media, Vermarkter unter anderem von Pro Sieben und Sat.1, rechnet vor, dass die Verweildauer der Hälfte der YouTube-Nutzer unter einer Minute am Tag liegt. TV-Sender hingegen bringen es auf über 220 Minuten. YouTube besäße demnach einen Bewegtbild-Marktanteil von weit unter 0,5 Prozent und könne als Werbekanal vernachlässigt werden.
Verständlich also, dass Stimmen laut werden, die die Wirkung der Online-Werbung in Frage stellen. Bill Cromwell von Medialife stellt die provokante Frage: „Does online advertising actually work?“ Er kommt zum Schluss, dass Online nicht wirksamer sei als andere Medien und verweist darauf, dass hinter 85 Prozent aller Banner-Klicks lediglich 8 Prozent der User stecken.
Dennoch setzen Vorzeige-Marketeers wie Procter & Gamble immer stärker auf die digitalen Medien. Die Erfolgsbeispiele, die sie anführen, sind jedoch keine Displaylösungen, sondern aufwändige Kampagnen wie #LikeAGirl, mit der die Marke Always gegen weibliche Vorurteile kämpft.
Die Rettung naht
Viele Experten sehen die Lösung in Native Advertising und Content Marketing. Native wurde auf der weltgrößten Digital-Konferenz SXSW in Austin als der neue, heiße Trend gehandelt. Hierbei bettet sich die Werbung invasiv in die redaktionellen Inhalte ein. Kritiker bemängeln, sie lege die Verbraucher rein, weil sie so tue, als wäre sie nicht Reklame sondern redaktioneller Inhalt. Tatsache ist, dass dabei nur die besten Marken mit den hochwertigsten Inhalten gewinnen können. Damit darf bezweifelt werden, ob Native Werbung sich für die Masse der beworbenen Produkte eignet.
Über die künftige Bedeutung von Content Marketing wird derzeit in der Werbebranche gestritten wie selten zuvor. Die einen halten den Hype um Content für „Unsinn“, so Sodastream-Europachef Rinsche, andere für den Stein der Weisen. Die Produktion und Distribution von Inhalten, die die Zielgruppe interessieren, jedoch nicht wie banale Produktwerbung daherkommen, könnte tatsächlich ein Ausweg aus dem digitalen Dilemma sein.
Content Marketing macht die Botschaft der Marke relevanter und die Qualität der Kommunikation damit zwangsläufig hochwertiger. Allerdings ist die Produktion derartiger Inhalte deutlich teurer als die herkömmlicher Werbemittel. Und da der Effekt sich meist nicht unmittelbar auf den Abverkauf auswirkt, werden die Unternehmens-Controller kein gutes Haar daran lassen. So bliebe Content eine Spielwiese für Entscheider, die begreifen, dass sie damit immerhin zu ihren Kunden durchdringen - und sich so von den 80+ Prozent der Kampagnen absetzen, die ohnehin wirkungslos verpuffen.
Damit erleben wir hoffentlich die digitale Revolution. Und digitale Werbung hätte endlich einen Sinn.