Frank-Walter Steinmeier wird voraussichtlich der nächste Bundespräsident. Stellen Sie sich vor, seine Tochter Merit würde nun im Dezember in einer Talkshow auftreten und bei dieser Gelegenheit ihre Schmuckkollektion anpreisen.
Unvorstellbar? Nicht in den USA. Donald Trumps Tochter Ivanka trug bei der CBS-Show „60 Minutes“ deutlich sichtbar einen 10.800 Dollar teuren Armreif aus ihrer Kollektion. Unmittelbar darauf verschickte ihre Schmuckfirma Ivanka Trump Fine Jewelry einen „Style Alert“ an Journalisten und warb für die Kollektion. Es wurde zum PR-Debakel.
Die einen nennen es eine fragwürdige Vermischung von politischer Macht und den geschäftlichen Interessen des Trump-Clans (was es ist), für die anderen ist es schlichtweg dreiste Schleichwerbung. Der ZDF „heute show“ war es einen bissigen Sketch („geile PR-Aktion“) wert.
Es ist kompliziert
Hierzulande ist Schleichwerbung per Gesetz ("Unlauter handelt insbesondere, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert") verboten. Der Verbraucher soll nicht durch bewusst platzierte Werbung in vermeintlich unabhängigem, redaktionellem Umfeld getäuscht werden. Doch es ist kompliziert. Denn Produktplatzierungen sind dann erlaubt, wenn darauf ausdrücklich hingewiesen wird. Jeder kennt im Fernsehen den Hinweis: „Unterstützt durch Produktplatzierungen“. Es ist also eine stete Gratwanderung zwischen verboten und gerade noch erlaubt.
Aufsehen erregte das ZDF, als enthüllt wurde, dass zahlreiche Firmen, darunter Solarworld, Audi und Mercedes Millionenbeträge gezahlt hatten, um in Thomas Gottschalks Quotenhit „Wetten dass?“ präsentiert zu werden. Ebenso befremdlich sahen es die Kritiker, dass der Haribo-Markenbotschafter über Jahre hinweg seinen Gästen die Gummibärchen des Bonner Unternehmens schamlos offen kredenzte.
Jahre zuvor hatte bereits der „Marienhof-Skandal“ die ARD erschüttert. Hier waren die sogenannten „Placements“ sogar in Dialoge und Handlungsstränge eingeflossen. Doch wer glaubt, dass unzulässige Schleichwerbung durch solche Skandale eingedämmt würde, sieht sich eines Besseren belehrt: Weil der Gesetzgeber meist ein Auge zu drückt, nimmt die Schleichwerbung immer mehr zu.
Der längste Werbespot der Welt
Besonders verbreitet sind Produktplatzierungen in Kinofilmen. Das wohl prominenteste Beispiel dafür liefert die James-Bond-Reihe. Die FAZ nannte Spectre, Bonds jüngstes Abenteuer, den „längsten Werbespot der Welt“. Die Einnahmen aus Produktplatzierung sollen alleine für zwei Drittel der Produktionskosten aufgekommen sein. Eine lange Liste der dreistesten Schleich-Platzierungen hat die Website Filmstarts hier zusammengetragen.
Längst haben die Schleichwerber jedoch einen neuen, schwer zu kontrollierenden Kanal für ihre Praktiken gefunden: YouTube. Hier stellen die neuen Stars im Social-Media-Himmel völlig ungeniert die Produkte der Industrie vor. Selbstverständlich gegen Bezahlung.
Y-Titti und Bibi in Bedrängnis
Junge Protagonisten namens Y-Titty oder Daaruum sind gar so naiv, das in aller Öffentlichkeit zuzugeben und ahnen scheinbar nicht, dass sie es mit dem Gesetz zu tun bekommen. Zu den Firmen, die sich ihrer bedienen, zählen Vorzeigeunternehmen wie McDonald’s, Samsung, Coca-Cola und Schwarzkopf. Sie sind allesamt fragwürdige Vorbilder für die Zukunft digitaler Werbekampagnen. Und dass die Werber dafür sogar das Buzzword „Influencer Marketing“ kreierten, zeigt, dass die Sensibilität gegenüber solch fragwürdigen Werbemethoden eher gesunken ist.
Manche Youtuber sind inzwischen reinste Werbestars geworden. Youtuberin Bibi hält auf ihrem Blog „BibisBeautyPalace“ in ihrem 2-Millionen-Follower-Special ein Mac Book Air in die Kamera und lädt zu einem Gewinnspiel ein. Dazu schminkt sich Bibi gerne mit Kosmetika von Maybelline und Co.
Kopfschütteln selbst in der eigenen Werbebranche erntete die Aussage von Kim Alexandra Notz, Managing Partner der Agentur KNSK, beim Kongress Horizont Content Marketing 2016: „Influencer Marketing geht nicht selten in Richtung Schleichwerbung, aber ich finde es in Ordnung, solange es die Nutzer nicht stört.“ Es war nicht weniger als die Aufforderung zum Gesetzesbruch und rückt die Werber in ein verbrecherisches Licht, in dem der Großteil der Branche gewiss nicht zu stehen wünscht.
Ein katastrophales Missverständnis
Die Digitalisierung der Medienwelt eröffnet den Schleichwerbern immer neue Möglichkeiten. „Native Advertising“ ist die Einbettung werblicher Inhalte - sie heißen dann aber Content - in den redaktionellen Inhalt beispielsweise einer Zeitungs-Website. Die gängigen Praktiken, von Zeitungsvermarktern als „kaum von redaktionellen Beiträgen zu unterscheiden“ oder nur „diskret als Anzeige gekennzeichnet“ angepriesen, werden von führenden Content Marketern wie Lukas Kircher, Geschäftsführer der Spezialagentur C3, immerhin als „katastrophales Missverständnis“ und „Unsinn“ bezeichnet.
Doch viele der alten Medien sind von diesen Machenschaften ebenso betroffen. Sinkende Werbeeinnahmen und ein erhöhter wirtschaftlicher Druck lassen auch bei manchen Magazinen die Grenzen zwischen redaktioneller Unabhängigkeit und platter Werbung verschwimmen.
Burda auf ganz dünnem Eis
In der Dezember-Ausgabe der zum Burda-Imperium gehörenden Frauenzeitschrift „InStyle“ erscheint auf Seite 160 eine redaktionelle Erwähnung der Haarpflegemarke Moroccanoil. Nur wenige Seiten weiter platziert der Verlag eine Anzeige des Herstellers. Das erscheint so dreist und zugleich dumm, dass es eines renommierten deutschen Verlages nicht würdig ist. Solche Praktiken lässt der deutsche Pressekodex ohnehin nicht zu: Er gebietet die strikte Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt. Und zwar unmissverständlich.
Medien und werbende Unternehmen tun sich mit Schleichwerbung keinen Gefallen. Sie unterlaufen die Grundsätze und Tugenden ihrer eigenen Marken und verstoßen bisweilen gegen geltendes Recht. Oder sie laufen ins offene PR-Messer. Was, möchte man die ehrenwerten Vorstände fragen, spricht dagegen, sich an die Wettbewerbsregeln zu halten, die sie selbst so gern für sich in Anspruch nehmen?
Es ist kein Fall bekannt, in dem eine Marke dadurch Umsätze gewann. Und wenn doch, ist es an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Marken, die nur überleben können, wenn sie geltendes Recht und Kodexe brechen, gehören selbst verboten. Selbst wenn sie Audi, Mercedes oder Schwarzkopf heißen.