Werbesprech

In der Werbung greift der Liebes-Virus um sich

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Selbstverständlich liebt VW Autos

Auto-Werbung, die die Deutschen nicht kapieren
Die Kölner Agentur Endmark hat das Verständnis englischsprachiger Werbesprüche in der Autobranche untersucht. Dafür wurden rund 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren befragt. Fiat wirbt mit "Simply more" - "Einfach mehr" und erreicht damit satte 72 Prozent der Probanden. Ein skurriler Übersetzungsversuch lautete etwa: "Ein einfaches Morgen". Quelle: Screenshot
59 Prozent der Probanden konnten mit Hondas "Power of Dreams" - "Die Kraft der Träume" etwas anfangen. Doch es gab auch skurrile Übersetzungsversuche wie: "Das Puder der Träume". Quelle: Screenshot
In Sachen Verständlichkeit ebenfalls noch ganz gut dabei ist Peugeot. Immerhin 58 Prozent der Befragten verstanden den Slogan "Motion & Emotion" richtig. Gemeint ist "Bewegung und Gefühl". Einige Probanden übersetzten die Werbebotschaft aber auch als "Motoren mit Gefühlen" oder, besonders schön: "Umzug mit Gefühl". Quelle: Screenshot
"Drive the Change" heißt es bei Renault. Das verstehen schon wesentlich mehr Menschen nicht richtig. Nur jeder Dritte verstand die Botschaft "(Er)fahre die Veränderung" richtig. Skurrile Fehldeutungen waren etwa: "Fahre mit Wechselgeld" oder "Wechsel den Fahrer". Quelle: Screenshot
Jaguars Werbebotschaft "How alive are you?" - "Wie lebendig bist du?" verstehen 25 Prozent der Befragten. Einige schlugen stattdessen als Übersetzung "Wie überlebst du?" vor. Quelle: Screenshot
Auch bei dem Werbeslogan für das Jaguar Coupé XK hatten die Deutschen so ihre Probleme. "Life by Gorgeous" konnten jedenfalls nur acht Prozent der Befragten richtig übersetzen. Statt "Leben auf prächtige Art" übersetzten viele "Leben in Georgien" oder "Leben bei George". Laut der Jaguar-Pressestelle habe man mit der Botschaft allerdings auch gar nicht die breite Bevölkerung, sondern nur einen elitären Kreis erreichen wollen. Quelle: REUTERS
Hyundai hätte sein "New Thinking. New Possibilities" gerne als "Neues Denken. Neue Möglichkeiten" verstanden. Den Gefallen tun dem Autobauer aber nur 24 Prozent der Befragten. Andere versuchten es mit "Neu gedacht. Neue Besitztümer." Quelle: Screenshot

Dass Volkswagen Autos liebt, liegt auf der Hand, denn sie leben schließlich davon. Der Konzern erzielte 2013 Umsatzerlöse von 197 Milliarden Euro. Daher liegt Opel mit „Wir leben (von) Autos“ doch nicht ganz daneben. Auch bei Condor darf man annehmen, dass sie gern fliegen. Währenddessen muss man bei Edeka inzwischen bezweifeln, wie groß deren Liebe zu Lebensmitteln wirklich ist, nachdem sie in ihrem „Supergeil“-Video ihr eigenes Müsli verächtlich ins Badewasser schütten lassen. Das alles sind nicht mehr als Selbstverständlichkeiten - keinesfalls aber Claims, die eine relevante Aussage über die Marke kommunizieren.

Der Narzissmus der Werber

Selbstverliebtheit, eine häufig anzutreffende Krankheit unter Werbern, bringt die Marken nicht weiter. Liebe ist gewiss eine der stärksten Antriebskräfte der Menschheit. Will man sie jedoch werblich ausschlachten, dann ist Anerkennung der einzig richtige Weg: Statt sich dem um sich greifenden Liebes-Virus hinzugeben, gehört die Anerkennung der Kunden zu den zeitgemäßen Mitteln des Consumer Relationship Marketing (CRM). Das moderne Marketing bemüht sich darum, Beziehungen zu seiner Zielgruppe aufzubauen, um so die Loyalität zu festigen. Die Unternehmen sollten also nicht ihre Autos, Schuhe und Lebensmittel lieben, sondern besser ihre Verbraucher. Die Aussage, dass man seine eigenen Produkte liebt, ist da nicht besonders hilfreich. Richtiger macht es zum Beispiel Lufthansa. Seit zwei Jahren wirbt sie mit „Nonstop you“, was so viel bedeutet wie: Wir sind immer für Sie da. Es ist ein Serviceversprechen an die Kundschaft, die einen durchaus alleinstellenden Charakter besitzt, solange sich die Konkurrenz mit Service lieber zurückhält. Wenn man sein Werbeversprechen dann auch hält, steht dem Marketingerfolg nichts im Wege.

Man darf hoffen, dass die nächste Marke, die sich ein „Wir lieben…“ unterschieben lässt, dafür wenigstens kein Honorar zahlt. Denn ein Claim, der seiner Aufgabe nicht nachkommt, ist wertlos. Ein Claim, der bereits dutzendfach in der Werbung vorkommt, ist noch wertloser. Wer wird also der Nächste, der sich selbst liebt?

„Wir lieben Großbuchstaben“ (BILD)

„Wir lieben Sterne“ (Mercedes)

„Wir lieben Schrauben“ (Bauhaus)

„Wir lieben Rückrufe“ (Toyota) oder gar

„Wir lieben Außenpositionen“ (Air Berlin)?

Wissen Sie eine Marke, auf die „Wir lieben…“ besonders schlecht passt? Oder einen „Wir lieben…“-Spruch, der die Schwächen einer Marke besonders gut offenbart. Unter allen Einsendern (nutzen Sie dazu bitte die Kommentarleiste) wählen wir den schönsten Spruch. Der Gewinner erhält ein signiertes Exemplar des Wirtschaftswoche Werbesprech-Buchs „Werbung nervt!“

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