Zu den Grund- und Ur-Bedürfnissen des Menschen zählen Dinge wie Luft, Kleidung, Nahrung, Schlaf und Sicherheit. Und nun mal auch Liebe und Sexualität. Das hat sich Werbung stets zunutze gemacht: Sex ist für Werber ein gefundenes Fressen. Motive attraktiver Menschen kämpfen seit jeher um unsere Aufmerksamkeit.
Insbesondere Werbung, die sich an Männer richtet, ziert häufig eine schöne Frau: ein hübsches Gesicht, wallende Haarpracht, küssende Lippen, lange Beine. Sex sells, glaubte man lange - und viele Werber glauben es bis heute. Doch Untersuchungen belegen, dass das schon lange nicht mehr stimmt. Dabei spiegelt sich die Rolle der Frau wider, die sich im Laufe der Jahrzehnte bekanntlich stark verändert hat. Noch vor wenigen Jahren galt Gleichberechtigung als Fremdwort. Motive aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren präsentieren uns wahlweise unterwürfige Ehefrauen oder vermeintliche Sexgespielinnen.
Heiße Geräte
Werber, die noch heute dermaßen plump mit dem Thema Sexualität umgehen, landen meist vor dem Deutschen Werberat, einer Selbstregulierungsstelle für ein „geordnetes Werbeverhalten“. Regelmäßig spricht dieses Organ der freiwilligen Selbstkontrolle Rügen aus, wenn Werbung als anstößig empfunden wird oder einzelne Gruppen diskriminiert. Und die meisten Fälle betreffen sexistische Werbung.
Wenn ein Modegeschäft mit dem Slogan „Fuck your face“ mit einem Bild einer auf einem Tisch drapierten nackten Frau, die von mehreren Männern umringt ist, wirbt oder eine Haustechnik-Firma mit "heißer Technik" wirbt, dabei eine halbnackte Frau in Reizwäsche abbildet und dazu „Beides heiße Geräte...“ textet, dann wird eine öffentliche Rüge erteilt und das Unternehmen zur Unterlassung der Werbung aufgefordert. Solche Werbung dürfte ohnehin nur Männer ansprechen, die man als Unternehmen nicht unbedingt zur Zielgruppe haben möchte.
In den USA, einem Land, in dem die Systemgastronomie Sportsbars hervorbringt wie Hooters, in denen ausschließlich junge Frauen mit aufreizender Dienstkleidung arbeiten, entstand nun eine Kampagne gegen Sexismus in der Werbung. Initiiert wurden die Aktionen #Istandup und #WomenNotObjects von Madonna Badger. Sie ist Co-Gründerin der Agentur Badger and Winters und wurde in der Werbebranche durch ihre Kampagnen mit Mark Wahlberg und Kate Moss für Calvin Klein bekannt.
Alle lieben sich
Offenbar ist es immer noch notwendig, Werbern zu erklären, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, Frauen auf ihre sexuellen Reize zu reduzieren. Und dass dadurch Werbung keinesfalls besser verkauft, sondern vermutlich sogar das Gegenteil auslöst. Die Zeiten, in der die Branche ein sexistisches und erniedrigendes Bild der Frauen zeichnete, sind schon lange vorbei. Marken wie Dove haben das bereits 2004 erkannt.
Anerkennung der Kunden in der Werbung
In Deutschland stellt man erfreut fest, dass die meisten Werber platten Sex gegen wohliges Gefühl eingetauscht haben. Hierzulande haben die Agenturen ihre Werbekunden inzwischen längst auf Liebe eingeschworen. Da konkurriert „Ich liebe es“ von McDonald’s mit Edekas „Wir lieben Lebensmittel“, Condor liebt Fliegen, Deichmann liebt Schuhe und Nordsee liebt, man glaubt es kaum, Fisch.
Nun ist es gewiss schön für die Endverbraucher zu wissen, dass die Hersteller ihre Arbeit lieben und ebenso die Produkte, die sie herstellen. Dennoch ist das zu kurz gegriffen. Es wird Zeit, dass die Werbetreibenden endlich beginnen die zu lieben, die für den Fortbestand des Unternehmens und seiner Marke unverzichtbar sind: die eigenen Kunden.
Embrace the customer
Es ist Zeit für eine Werbe-Evolution: Liebe deine Kunden. Liebe deine Zielgruppe. Damit die Liebe jedoch nicht allzu einseitig bleibt, benutzen amerikanische Werber den Begriff „embrace the customer“. Wer seine Kundschaft umgarnt, umarmt sie. Er vermittelt, dass er seiner Zielgruppe Anerkennung schenkt. Und dass sie Anerkennung verdient, wenn sie die jeweilige Marke kauft.
Das verstanden Marken wie Jakobs und Lenor bereits, als sie vor vielen Jahrzehnten ihre Werbespots drehten. Jakobs belohnte seine Käuferinnen mit dem Gefühl, eine gute und geliebte Gastgeberin zu sein. Lenor vermittelte den zuvor mit einem schlechten Gewissen belasteten Frauen die Gewissheit, ihre Familie mit weicher Wäsche glücklich zu machen. Nun ist diese Form der Werbung natürlich nicht mehr zeitgemäß.
Liebe und sinnliche Erotik sind heute das beherrschende Thema in vielen Werbefilmen. Wie man heutzutage Anerkennung modern verpackt, zeigt der Weichkäse Geramont. Man beschreibt die Vorzüge der Marke mithilfe eines verliebten Paares beim Picknick. Die süßen Episoden von Kinder Riegel zeigen uns die Glückseligkeit eines jungen Paares, das lange getrennt war. Und Edeka lässt eine junge Frau beim Einkaufen in erotischen Backfantasien schwelgen.
Selbst die nervigen Preisvergleichsportale bemühen sich darum, ihre Kunden werblich zu belohnen und rücken damit die Vorzüge ihrer Angebote ins rechte Licht. Am besten gelingt dies noch HolidayCheck.
Auf den Punkt bringt jedoch die Anerkennung seiner Zielgruppe immer wieder die Baumarktkette Hornbach. Die jüngste Werbekreation ist eine einzige Hommage an die Zielgruppe der Heimwerker und ihre Leidenschaft. Die seit vielen Jahren für Hornbach tätige Werbeagentur Heimat versteht es wie keine zweite, die Zielgruppe zu umarmen.
So liebt man seine Kunden. So zeigt man Anerkennung für seine Konsumenten. So beweist man Kundennähe. Wenn dies bald auch andere - beispielsweise die Airlines - begreifen, die mehr Kundennähe dringend nötig hätten, dann werden wir auch ihre Werbung lieben.
Und wenn Sie einmal wissen möchten, wie es um Ihre eigene Beziehung steht, wenden Sie sich vertrauensvoll an Facebook. Dank der (Big) Daten, die Sie dort hinterlassen, lässt sich mit erschreckender Genauigkeit vorhersagen, ob die Liebe anhält.