Werbesprech

Das Versagen der Werbe-Promis

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So unglaubwürdig wie die Promis

Auch Werbung mit Prominenten funktioniert nur dann, wenn man die Kampagnen mit ihnen langfristig anlegt. Thomas Gottschalk ist über die Jahre hinweg so eng mit der Marke Haribo verbunden, dass wir uns das eine ohne den anderen kaum mehr vorstellen können. Auch daher wird dieses Paradebeispiel als glaubhaft empfunden. Doch das ist die seltene Ausnahme: Nach einer Studie von MediaAnalyzer sagten 83 Prozent der Befragten, Prominente in der Werbung wirkten zwar besonders auffällig, doch gleichzeitig wenig seriös (63 Prozent) und noch weniger glaubwürdig (70 Prozent).

Häufig genug enden Werbeverträge mit Prominenten als Skandal, die der Marke schaden können. Testimonials sind dann ein werbliches Hochsicherheitsrisiko, wenn sie nicht nur unglaubwürdig sind, sondern sich gar gegen die Marke wenden. Müller Milch verklagte Dieter Bohlen, nachdem er öffentlich zum Besten gab, dass Buttermilch wohl „von 50-jährigen Bio-Latschenträgerinnen gekauft“ werde. Das hat die VHV Versicherung jedoch nicht davon abgehalten, sich den fragwürdigen Star ebenfalls zuzulegen. Herr Bohlen zählt derweil vergnügt seine Werbehonorare.

Mit Promis schlechtere Werbung

Es ist ohnehin erstaunlich, dass die angeblich effizienzgetriebenen Marketingprofis jede Vernunft über Bord werfen, sobald es um Promis in ihren Kampagnen geht. Nach übereinstimmenden Studien von ACE Metrix und Millward Brown erzielen Promi-Kampagnen nicht unbedingt bessere Ergebnisse - in manchen Fällen sogar schlechtere. Das steht im krassen Gegensatz zu den gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderungen nach wirksamerer Werbung.

Allen Unkenrufen und Warnungen zum Trotz spielt in jedem zehnten TV-Spot ein zum angeblichen Leitbild umfunktionierter Star mit und jede achte Werbeanzeige zeigt ein prominentes Gesicht. Grund für das lemminghafte Verhalten der Marketingchefs sind - wie so häufig - die wenigen Ausnahmen, die immer wieder als erfolgreiche Beispiele herhalten müssen. Dazu zählt in jüngster Vergangenheit der Clip von Jeanne-Claude van Damme für Volvo Trucks („The Epic Split“). Und auch Günter Netzers lässiger Auftritt für Otelo („Lieber überall Netz als überall Netzer“) hat das Zeug zum Werbeklassiker. Dagegen kann sich schon der nächste öffentliche Ausraster des Porschefahrers Jürgen Klopp blitzschnell negativ auf seinen Auftritt für den Opel Insignia auswirken.

Wie sich Promis gegen Werbung wehren
Dieter Bohlen gegen Lucky StrikeDa hört für den Pop-Titan und DSDS-Erfinder der Spaß auf: Die Zigarettenmarke Lucky Strike wirbt auf ihren Plakaten mit dem Spruch "Schau mal --------Dieter, so ----------schreibt man ------------Bücher". Die Zeile ist durch geschwärzte Wörter unterbrochen und spielt auf Bohlens Buch "Hinter den Kulissen" von 2003 an. Bohlen hatte nach Klagen einiger Prominenter Passagen des Buches schwärzen müssen. Nichtraucher Bohlen geht die Werbung zu weit. Er möchte nicht, ohne gefragt zu werden, mit seinem Namen für die Marke von Tabakgigant British American Tobacco. Dafür zieht Bohlen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Bundesgerichtshof hält die Plakate nämlich für zulässig, weshalb Bohlen die nächste Instanz anrufen muss. Auch Prinz Ernst August fühlt sich von Lucky Strike missbraucht... Quelle: dpa
Der seit 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung als vorbestraft geltende Ernst August Prinz von Hannover kann über den Slogan der Lucky Strike-Plakate nicht lachen. Dort heißt es neben der Abbildung einer komplett zerbeulten Zigarettenschachtel: "War das Ernst? Oder August?" In der Beschwerde des Adligen heißt es, Werbung stelle ihn als „brutalen Schläger“ an den „sozialen Pranger“. Das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht steht noch aus. Quelle: dpa/dpaweb
Günther Jauch gegen die Süddeutsche KlassenlotterieDer Moderator der RTL-Show "Wer wird Millionär" verklagt die Süddeutsche Klassenlotterie SKL auf 780.000 Euro Schadenersatz. Die SKL hatte weiter mit dem Konterfei Jauchs geworben, obwohl ein entsprechender Vertrag bereits abgelaufen war. Das Landgericht Köln hat den Parteien nahegelegt sich mit einem Vergleich zu einigen. Geht der Moderator darauf ein, erhält er zwischen 450.000 und 500.000 Euro. Quelle: dapd
Boris Becker gegen die FAZDer ehemalige Tennisprofi forderte 2,3 Millionen Euro von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Diese hatte im Herbst 2001 auf einem sogenannten Dummy - einer fiktiven Zeitungsausgabe die potenziellen Werbekunden zeigen soll, wie das neue Printprodukt einmal aussehen soll - mit der Schlagzeile "Der strauchelnde Liebling" und einem Bild von Becker geworben. Die Werbung war ohne Einwilligung Beckers im Fernsehen, in Zeitungen, Illustrierten sowie auf Verkehrsmitteln und Plakaten erschienen. 2006 erhielt Becker schließlich 1,2 Millionen Euro Schadenersatz. Quelle: dpa
Babyface-Urteil: Joschka Fischer gegen "Welt kompakt"200.000 Euro kassierte der ehemalige Außenminister Joschka Fischer vom Verlag Axel Springer. Für seine Zeitung "Welt kompakt" hatte das Medienhaus mit Fotos von Prominenten geworben, deren Gesichtszüge zu denen eines Kindes verändert worden waren. Fischer hatte der Werbung mit seinem "verjüngtem" Konterfei nicht zugestimmt und klagte. Das Gericht sprach ihm eine fiktive Lizenz als Honorar zu. Quelle: dpa/dpaweb
Oskar Lafontaine gegen SixtWeniger Erfolg hatte der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine. Er scheiterte mit seiner Klage vor dem Bundesgerichtshof gegen Werbeanzeigen von Sixt. Der Autovermieter hatte 1999 nach dem Rücktritt Lafontaines als Finanzminister mit dem Spruch geworben "Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit". Das Oberlandesgericht hatte dem heutigen Linken-Politiker 100.000 Euro zugesprochen, der BGH wies die Klage ab. Quelle: dapd
Oprah Winfrey gegen 500 FirmenDie amerikanische Talkshow-Königin führte einen Feldzug gegen mehrere hundert Firmen, die ihrer Meinung nach ihren Namen zur Werbung für die Acai-Beere missbrauchten. Winfrey pries die Vorzüge der Beere, die beim Abnehmen helfen soll, auf ihrer eigenen Website an - zahlreiche Firmen bezogen sich darauf und zeigten auch das Gesicht der populären Moderatorin. Quelle: dapd

Wie man alles falsch macht, zeigt uns die französische Dosen-Thunfischmarke Saupiquet derzeit in vollendeter Form. Sie engagiert den amerikanischen Schauspieler Kevin Costner und lässt ihn in äußerst schlichten Dialogen und flachstem Drehbuch sagen: „Einfach lecker.“ Der Oscar-Preisträger wirkt deplatziert, besitzt nicht die geringste Nähe zu Frankreich oder der Marke - und dürfte die deutschen Verbraucher kaum beeindrucken.

Testimonials, das lehren die wenigen positiven Beispiele, müssen glaubhaft sein. Prominente Werbefigur und Marke müssen zueinander passen („Fit“) und mit der Zeit zu einer Einheit werden. Wenn jedoch keine Aussicht darauf besteht, das Konzept langfristig und für die Marke wertbildend aufzubauen, sollte man besser die Finger davon lassen. Es sei denn, man möchte einfach nur die prallen Geldbeutel der Stars weiter füllen.

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