Die Macher der Marke „James Bond“ entschieden sich für Zeitgeist. Als „James Bond jagt Dr. No“, der erste Film um den Geheimagenten 007 mit Sean Connery in der Hauptrolle, 1962 in die Kinos kam, tobte noch der kalte Krieg.
007 kämpfte jahrelang gegen russische Agenten. Connery glänzte als Macho, dem die Frauen zu Füßen lagen - wenn er sie nicht gerade verprügelte. Bond war hart und brutal. Roger Moore übernahm die Rolle 1973 in „Leben und sterben lassen“ und verwandelte die Figur in einen charmanten und ironischen Agenten, der zuschlug, aber stets zu Späßen aufgelegt war.
Auf Pierce Brosnan (ab 1995) folgte dann 2006 Daniel Craig in „Casino Royale“. Spätestens in „Skyfall“, der nun erstmals im Free TV ausgestrahlt wurde, machte man aus dem superharten und unbesiegbaren Geheimagenten jedoch ein ambivalentes, zweifelndes und verletzliches Muttersöhnchen. 50 Jahre nach dem Start der wohl erfolgreichsten Kino-Reihe aller Zeiten produzierte man einen „Action-Thriller, der den ultimativen Kino-Macho dem Zeitgeist anpasste“.
Die Bond-Filme gehören zum Genre Actionkino. Die 007-Filme glänzen allesamt mit spektakulären Actionszenen, die Filmgeschichte machten. Doch sie lebten von der Figur des James Bond. Die Produzenten-Dynastie Broccoli raubten der Figur, so die Kritiker, alle die Eigenschaften, die den britischen Spionageroman so einzigartig machten.
Die früheren Bonds hatten Ecken und Kanten. Sie unterschieden sich deutlich von allen Wettbewerbern im Kino-Markt, von den Rambos ebenso wie den Terminators. Der neue Bond tritt jedoch auf wie viele andere Action-Helden und unterscheidet sich kaum mehr von Diesel, Schwarzenegger, Stallone, Statham und Willis.
Nicht jeder wird dem zustimmen. Es gibt Kritiker, die glauben, dass die Verwandlung der Bond-Figur und ihre Anpassung an den Zeitgeist perfekt gelangen und führen die astronomisch hohen Kinobesucherzahlen ins Feld. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass „Ein Quantum Trost“ weniger einspielte als Connery und Moore zu ihren besten Zeiten, sich die Produktionskosten im Laufe der Jahre jedoch verzehnfachten.
Bond spielt auch in der Marketingetage
Die gleiche Diskussion findet täglich in den Marketingetagen der führenden Markenunternehmen statt. Marken wie Coca-Cola, Nivea und Persil, die uns bereits seit über 100 Jahren begleiten, wurden immer wieder dem Zeitgeist angepasst.
Das Logo wurde leicht verändert, Rezeptur und Inhalt modernen Erkenntnissen angepasst. Aber der Markenkern blieb und mit ihr die Marktführerschaft. Jede Marke muss - wie 007 - ihre Ecken und Kanten besitzen. Sie erst machen die Marke unterscheidbar. Wer das verändert, verändert die Marke selbst, damit auch ihre Alleinstellung und setzt sie einem neuen Wettbewerb aus, der zuvor nicht existierte.
Marken dürfen niemals bemüht sein, jedem zu gefallen. Der Versuch, „Everybody’s Darling“ zu sein, endet oft damit, dass sie am Ende niemandem mehr richtig gefällt, auch nicht mehr den ehemals treuen Kunden. Das ist zwar eine Binsenweisheit, doch ihr zu folgen fällt schwer, wenn die Umsätze alljährlich steigen sollen - und man daher bestrebt sein könnte, immer neue Käuferschichten zu erreichen.
Die teuren Fehler der PKW-Marken
Die PKW-Marken gehen diesen Weg. Das Ziel vor Augen, immer mehr Fahrzeuge abzusetzen, bemühen sich viele Hersteller verzweifelt, ein Fahrzeug für jeden PKW-Käufer im Sortiment zu führen. Mit mäßigem Erfolg.
Volkswagens Bestreben, mit Bentley und Bugatti in das Luxussegment vorzustoßen, scheiterte bislang. Allein die Verluste des Bugatti Veyron sollen sich auf 1,7 Milliarden Euro aufgetürmt haben. Mit dem Maybach erlebte Daimler 2010 ein Desaster.
Das gilt jedoch nicht für die Tochter Smart, die immerhin 14 Prozent Zulassungen einbüßte. Die Hersteller der Oberklasse tun sich schwer, das Segment der Kleinwagen und kompakten Golf-Klasse zu bearbeiten. Das gilt selbst dann, wenn die Fahrzeuge nicht den eigenen Markennamen tragen, sondern den einer Tochter wie Mini oder Smart.
Wie schwer es sich jedoch darstellt, wenn der eigene Markenname verwendet wird, zeigen die letztjährigen Zulassungszahlen der Mercedes A-Klasse in aller Deutlichkeit: Innerhalb eines einzigen Jahres brach der Absatz um beängstigende 25 Prozent ein. Es sieht ganz so aus, als würden die PKW-Käufer das Downgrading der Oberklasse-Marken in die Kleinwagen- und Kompakt-Segmente nicht goutieren.
Oberklasse in Gefahr
Noch schlimmer wiegt die Gefahr der Oberklasse-Hersteller bei ihrem verzweifelten Bemühen, sich auch für Otto Normalverbraucher zu positionieren, wenn sie durch die Misserfolge womöglich ihre Stellung in der Oberklasse gefährden. Diese Gefahr droht langfristig, wenn sie ihre Alleinstellung aufgeben zugunsten einer schwammigen Positionierung als „Everybody’s Darling“.
Auch eine Automarke braucht Ecken und Kanten. Sie muss klar, einzigartig und unverwechselbar zuordenbar sein. Dacia oder Jeep dürften gewiss nicht jedem gefallen, aber sie haben sich ihre Position im riesigen Automobilmarkt gesichert. Der Dacia Sandero hat seine Zulassungszahlen 2014 um mehr als fünf Prozent steigern können.
Der neueste 007 „Spectre“ kommt am 6. November in die Kinos. Man darf vermuten, dass die jüngste Bond-Kreation nicht mehr an die Besucherzahlen der Vergangenheit herankommen wird. Vielleicht gibt das einigen Markenverantwortlichen zu denken.