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Der Fall Playboy: Wenn Marken ihren Kern verlieren

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Was kauft der Leser von heute?

Wie sähen andere Marken aus, wenn man sie ihres DNA-Kerns beraubte? Audi ohne Fortschritt, BMW ohne Fahrfreude und Dynamik, Nutella ohne Haselnüsse, Ferrero ohne Küsschen, Coca-Cola ohne Koffein, McDonald’s ohne Big Mac, Heinz ohne Ketchup, Ritter Sport nicht-mehr-quadratisch als Langtafel. Commerzbank ohne Jogger an unserer Seite, die Deutsche Bank ohne Leistung und Leidenschaft (zugegeben, beides wäre durchaus vorstellbar). Oder Apple ohne iPhone und „Think different“, die inzwischen sogar Interesse an der DNA ihrer Kunden bekunden.

Diese wenigen Beispiele zeigen, wie absurd es ist, einer Marke das zu nehmen, was sie ausmacht, was sie von anderen unterscheidet. Man reißt ihr das Herz aus dem Brustkorb. Einen solchen Harakiri-Akt müssten selbst Marketing- und Medien-unerfahrene Finanzmanager als falsch begreifen. In einem Spiegel-Kommentar schreibt Benjamin Maack: „Flanders' Schachzug entspricht auf eine erschreckende Art dem Zeitgeist. Denn er ist ein Symptom für eine Entwicklung, die unsere Medien verändert: Bei Zeitungen und Magazinen, in TV, Radio und Internet entscheiden immer öfter Menschen, die sich besser mit Zahlen auskennen als mit Journalismus. Nicht verwunderlich. Schließlich stellen sie die Fragen, die Vorstände gern hören: Was lohnt sich? Was wollen die Werbekunden? Und was kauft der Leser von heute? Das wird sich kaum ändern lassen.“

Deutsche Marken dominieren im Vertrauensranking
Platz 9: BoschEine gemeinsame Untersuchung von MDR-Werbung und dem IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung hat 3.000 Menschen in Ost und West nach ihrem Markenvertrauen befragt. Die Angesprochenen sollten spontan sagen, welcher Marke sie am meisten vertrauen und warum. Die erstmals erhobene Studie enthält mehr als 90.000 Statements, Insgesamt sind über 1.700 Marken genannt worden. Die Auswertung stellte schließlich ein Ranking der zehn aus deutscher Sicht vertrauenswürdigsten Marken zusammen. Beziehungsweise: Der Top 9. Das Familienunternehmen Bosch, von 1,5 Prozent der Befragten spontan genannt, liegt nämlich gleichauf mit ...Quelle: MDR-Werbung und IMK Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung Quelle: dpa
Platz 9: Dr. Oetker... Dr. Oetker. Auch der Lebensmittelhersteller aus Bielefeld schafft Deutschlandweit bei 1,5 Prozent der Menschen das meiste Vertrauen. Als Indikator für Markenvertrauen nannten Befragte Qualität (für 15,9 Prozent) und gute Erfahrungen, beziehungsweise Zufriedenheit mit einer Marke (16,7 Prozent) – mit weitem Abstand als wichtigstes Kriterium gilt aber die Tradition einer Marke (25,6 Prozent). Nur wer sich lange am Markt bewährt hat, dem wird wirklich Vertrauen entgegengebracht. „Die spontane Benennung ist die härteste Währung die es gibt, denn es schaffen nur die Marken in die Köpfe und Herzen der Verbraucher, die über ein Maximum an Strahlkraft verfügen“, sagt MDRW-Geschäftsführer Niels N. von Haken über die Ergebnisse der bevölkerungsrepräsentativen Umfrage. Quelle: dpa
Mercedes-Benz Quelle: dpa
Miele Quelle: AP
Volkswagen Quelle: dpa
maggi Quelle: dpa
Adidas Quelle: dpa

Die Zukunft heißt Mainstream

So entsteht Mittelmaß. So werden nach und nach alle journalistischen Produkte gleichgeschaltet und austauschbar. Es dauert nicht mehr lange, dann ist es vorbei mit spannenden Medien, die uns überraschen, die nicht einem von Hedgefonds geprägten Monetarisierungs-Mainstream folgen.

Wir erleben es beim Fernsehen, wo schon längst die Quote regiert und die Redaktionen nur das produzieren lassen, was die Mehrheit der Zuschauer sehen mag. Wir erleben es im Internet, wo Journalisten - die ohnehin bald von Robotern ersetzt werden - dann bald nach Klicks bezahlt werden und ihren Lesern folglich nach dem Mund schreiben. Nun schlägt die gleiche Niveau-Nivellierung auch auf den Zeitschriftenmarkt durch.

Die Digitalisierungspropheten hatten uns das Gegenteil versprochen. Mehr Individualität, mehr Orientierung an Verbraucherwünschen, mehr Wirkung. Stattdessen erleben wir mehr Werbe-Müll, mehr Medien-Müll und eine immer weiter absinkende Online-Werbewirkung.

Der Vorgang um den Playboy ist beispielhaft. Wir tragen die Ära der Individualität zu Grabe. Eine Zeit, in der mutige Menschen das schufen, wovon sie träumten und ihnen wichtig war. Was heute nicht durch Tests und Marktforschung abgesichert ist, bekommt nicht den Segen der Investoren. Hugh Hefner hätte heute, wäre er auf die Finanzierung seiner tollkühnen Idee angewiesen, seinen Playboy niemals gründen können. Wenn er noch ein paar Jahre an der Seite seiner jungen Frau durchhält, wird er den Untergang seines Traumes erleben. Die Investoren können schon heute den Pressetext vorformulieren: „Der Playboy war einfach nicht mehr zeitgemäß…“

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